Schöne Bescherung
Ich habe an jenem 6. Dezember irgendwann in den 1960er-Jahren wohl zu viele Fragen gestellt, sodass meine Mutter keinen Rat mehr wusste und mir schweren Herzens mitteilte, dass es den Kleeschen so gar nicht gibt. Eine Welt brach damals für mich als Sechsjährigen zusammen, umso mehr, als meine Frage, ob es denn wenigstens den Weihnachtsmann und den Osterhasen gebe, ebenfalls mit einem für mich niederschmetternden „Nein“beantwortet wurde. Schöne Bescherung! Jener Nikolaustag war ein so trauriger Tag für mich, dass er mir bis heute bestens in Erinnerung blieb. Ich weiß denn auch noch gut, dass ich damals ziemlich böse auf meinen besten Freund, den Jhempi, war, weil er in meinen Augen dafür verantwortlich war, dass ich „es“nun wusste. Er hatte nämlich in der Schule die ungeheuerliche Behauptung aufgestellt, dass der Nikolaus der Lehrer
Eine Welt brach damals für mich als Sechsjährigen zusammen ...
sei, woraufhin ich meine Mutter zur Rede stellte und ich in der Folge aus all meinen schönen Kindheitsträumen gerissen wurde. Ich fühlte mich so sehr veräppelt, dass ich es schon fast bereute, in den Wochen vor dem Nikolaustag besonders brav gewesen zu sein. Und die ganzen Briefe, die ich geschrieben hatte? Was war mit denen? Ich habe meine Mutter nicht danach gefragt, weil ich nicht bestätigt haben wollte, dass sie aus meinen Händen quasi direkt im Mülleimer landeten oder bestenfalls in einem alten Schuhkarton auf dem Speicher. Das wäre definitiv unerträglich gewesen. Inzwischen habe ich zwei Enkelkinder, ein vier und ein ein Jahre altes Mädchen, und genieße insgeheim die ganzen Unwahrheiten, die wir den Kleinen rund um den Kleeschen und den Houseker erzählen. Allerdings wird mir mein zweifelhafter Spaß wohl nicht mehr lange gegönnt sein. Neulich sagte die Vierjährige mir nämlich, sie verstehe etwas nicht mit dem Houseker. Es könne doch nicht sein, dass er sie immer sieht, wenn sie mal nicht brav sei, sie ihn aber nie … Nico