Radikalisierung mit Ansage
Die Bilder von den Ausschreitungen vom Samstag am Rande des Weihnachtsmarktes in der Hauptstadt sind schockierend. Überraschend kommen sie dennoch nicht. Die Entwicklung hat sich lange abgezeichnet, erkennbar an zunehmend wüsten Kommentaren in den „sozialen“Medien, an der provokativen Missachtung von Vorschriften zum Tragen von Masken bei den „Marches blanches“oder an Protestversammlungen vor dem Haus von Premier Xavier Bettel.
Dass die Polizei auf Deeskalation setzt, ist taktisch wohl richtig und angemessen. Dennoch zeigen die Vorfälle am Weihnachtsmarkt vor der „Gëlle Fra“am Samstag, dass bei manchen Impfgegnern ein wachsendes Gewaltpotenzial vorhanden ist, das ab sofort konsequent kontrolliert und eingedämmt werden muss, um friedliche Menschen zu schützen. Mit Absperrgittern zu werfen, ist kein Kavaliersdelikt. Zu klären ist auch die Frage, inwiefern Protestierer aus dem Ausland eine Rolle spielten. Bei der Demonstration am Samstag gab es auffallend viele Parolen und Plakate auf Französisch, von den „Liberté, Liberté!“-Rufen bis hin zu Schlagworten wie „Vaccinocide“, also angeblichen Tötungen durch Impfungen.
Völlig inakzeptabel sind die unsäglich geschmacklosen und geschichtsvergessenen Vergleiche mit dem Holocaust, die nicht erst seit diesem Samstag bei den Corona-Protesten zu beobachten sind. Wer sich als Impfgegner den gelben „Judenstern“anheftet, um gegen eine scheinbare Unterdrückung zu protestieren, der verharmlost auf schändlichste Weise die Judenverfolgung durch das Nazi-Regime. Wer sich derart in eine
Opferrolle hineinstilisiert, der verhöhnt die Opfer des Rassenwahns. Wer die Pandemie-Bekämpfung in einer Demokratie, in der Meinungsfreiheit für alle garantiert ist, mit systematischer Unterdrückung, Verfolgung und Völkermord unter einer Diktatur auf eine Stufe setzt, der hat aus der Geschichte nichts gelernt.
Die immer radikalere Rhetorik und die jetzt erstmals offen zur Schau gestellte Bereitschaft zur militanten Radikalität zeigt, dass sich die Coronaverharmloser und Impfgegner völlig vergaloppiert haben. Es ist höchste Zeit, dass sich die Verantwortungsbewussten unter ihnen in klaren Worten und Taten von den Randalierern distanzieren. Wenn sie diese Eskalation stillschweigend akzeptieren, machen sie sich zu Mitläufern und, im schlimmsten Fall, zu Mittätern.