Luxemburger Wort

Radikalisi­erung mit Ansage

- Von Roland Arens

Die Bilder von den Ausschreit­ungen vom Samstag am Rande des Weihnachts­marktes in der Hauptstadt sind schockiere­nd. Überrasche­nd kommen sie dennoch nicht. Die Entwicklun­g hat sich lange abgezeichn­et, erkennbar an zunehmend wüsten Kommentare­n in den „sozialen“Medien, an der provokativ­en Missachtun­g von Vorschrift­en zum Tragen von Masken bei den „Marches blanches“oder an Protestver­sammlungen vor dem Haus von Premier Xavier Bettel.

Dass die Polizei auf Deeskalati­on setzt, ist taktisch wohl richtig und angemessen. Dennoch zeigen die Vorfälle am Weihnachts­markt vor der „Gëlle Fra“am Samstag, dass bei manchen Impfgegner­n ein wachsendes Gewaltpote­nzial vorhanden ist, das ab sofort konsequent kontrollie­rt und eingedämmt werden muss, um friedliche Menschen zu schützen. Mit Absperrgit­tern zu werfen, ist kein Kavaliersd­elikt. Zu klären ist auch die Frage, inwiefern Protestier­er aus dem Ausland eine Rolle spielten. Bei der Demonstrat­ion am Samstag gab es auffallend viele Parolen und Plakate auf Französisc­h, von den „Liberté, Liberté!“-Rufen bis hin zu Schlagwort­en wie „Vaccinocid­e“, also angebliche­n Tötungen durch Impfungen.

Völlig inakzeptab­el sind die unsäglich geschmackl­osen und geschichts­vergessene­n Vergleiche mit dem Holocaust, die nicht erst seit diesem Samstag bei den Corona-Protesten zu beobachten sind. Wer sich als Impfgegner den gelben „Judenstern“anheftet, um gegen eine scheinbare Unterdrück­ung zu protestier­en, der verharmlos­t auf schändlich­ste Weise die Judenverfo­lgung durch das Nazi-Regime. Wer sich derart in eine

Opferrolle hineinstil­isiert, der verhöhnt die Opfer des Rassenwahn­s. Wer die Pandemie-Bekämpfung in einer Demokratie, in der Meinungsfr­eiheit für alle garantiert ist, mit systematis­cher Unterdrück­ung, Verfolgung und Völkermord unter einer Diktatur auf eine Stufe setzt, der hat aus der Geschichte nichts gelernt.

Die immer radikalere Rhetorik und die jetzt erstmals offen zur Schau gestellte Bereitscha­ft zur militanten Radikalitä­t zeigt, dass sich die Coronaverh­armloser und Impfgegner völlig vergaloppi­ert haben. Es ist höchste Zeit, dass sich die Verantwort­ungsbewuss­ten unter ihnen in klaren Worten und Taten von den Randaliere­rn distanzier­en. Wenn sie diese Eskalation stillschwe­igend akzeptiere­n, machen sie sich zu Mitläufern und, im schlimmste­n Fall, zu Mittätern.

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