Politisches Nachspiel
Regierungserklärung von Premier Bettel zu den Ausschreitungen vom Samstag
Die freie Presse trägt mit ihrer Berichterstattung dazu bei, dass die sanitäre Krise nicht zu einer demokratischen Krise wird. Parlamentspräsident Fernand Etgen
Es geht um die Pressefreiheit und damit um ein Standbein der Demokratie. ALJP
Nach den teils gewalttätigen Ausschreitungen bei den Anti-Corona-Protesten vom vergangenen Samstag beginnt nun die politische Aufarbeitung. Premierminister Xavier Bettel (DP) wird heute gleich zu Beginn der Sitzung eine Regierungserklärung zu den Vorfällen im Parlament abgeben. Direkt im Anschluss findet eine Debatte statt. Auch Polizeiminister Henri Kox (Déi Gréng) wird zu den Vorfällen sprechen, dies nachdem er bereits am Sonntagmorgen im Rahmen einer Pressekonferenz darauf eingegangen war. Die CSV hatte in einem Brief an Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) eine offizielle Stellungnahme des Ministers gefordert.
Bei der politischen Aufarbeitung der Ausschreitungen wird es aber nicht nur um das Thema Sicherheit und um den Einsatz der Polizei gehen. Neben der Frage, wie es zu einer derartigen Radikalisierung der Impfgegner kommen konnte, geht es auch um die Verharmlosung des Holocaust. Gleich auf mehreren Plakaten, die bei dem
Protestzug mitgeführt wurden, war die Situation der Impfgegner mit der der Juden im Zweiten Weltkrieg gleichgesetzt und das CovidCheck-Regime mit einem Judenstern versehen worden. Auch das Banner, das mehrere Demonstranten vor dem Mahnmal Gëlle Fra enthüllt hatten, griff dieses Narrativ auf.
In seiner ersten Reaktion hatte Premier Bettel bereits am Sonntagmorgen eindeutig dazu Stellung bezogen: „Meenungsfräiheet heescht net, datt een den Holocaust verharmlosen däerf“, so der Regierungschef auf Facebook. Die Demokratie lasse sich nicht einschüchtern. Inwiefern die Aussagen auf den Plakaten strafbar sind, bleibt zu klären.
Die Fondation pour la mémoire de la Shoah verurteilt die geschichtsrevisionistischen Aussagen scharf: „Nous condamnons fermement les références à la période nazie et l’utilisation de l’étoile juive lors de cette manifestation. Le recours à ces symboles participe délibérément de la banalisation de la Shoah et un tel dévoiement du passé conduit à une distorsion de l’Histoire“, heißt es in einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung.
Die Vorfälle vom Samstag sind der vorläufige Höhepunkt einer Debatte, die ständig an Vehemenz zunimmt. Daran sind auch Teile der Politik nicht ganz unschuldig. Die ADR steht der Corona-Politik von Anfang an kritisch gegenüber. Doch mit Roy Reding ist einer ihrer Abgeordneten bereits mehrfach negativ in Erscheinung getreten. Reding ist bekennender Impfgegner und weigert sich konsequent eine Maske zu tragen, auch im Parlament, wo seit geraumer Zeit das Covid-Check-Regime gilt.
Omikron als „kleines Mitbringsel“
aus Südafrika
In den sozialen Netzwerken hatte er nach der Ankündigung der neuen Corona-Regeln erklärt, er werde nach Südafrika fahren und einen „doucen Omikron“mitbringen. „A fir de Rescht sinn ech am Streik !!!! “, so der ADR-Vertreter weiter. Die Ungeimpften würden ausgegrenzt, so Redings Argumentation. In einer Telegram-Gruppe, in der auch immer wieder extremistische Positionen vertreten werden, hatte er darüber hinaus zum Widerstand gegen die CoronaPolitik der Regierung aufgerufen.
In der Gruppe hatte er auch zusammen mit den an ihn gerichteten Fragen eines Journalisten vom „Tageblatt“dessen private Telefonnummer veröffentlicht. Der Pressevertreter wurde daraufhin von den Mitgliedern der Gruppe als „Spëtzel vun der Gestapo“und als „Kollaborateur“beschimpft. Zudem hieß es, er sei „regierungshörig“. Auslöser war eine Anfrage des Journalisten, in der er von dem ADR-Abgeordneten wissen wollte, ob er in der Tat der TelegramGruppe angehöre.
Der Chefredakteur des „Tageblatt“, Dhiraj Sabharwal, verurteilt Redings Vorgehen scharf. Die Veröffentlichung der Privatnummer eines Journalisten sei nicht hinnehmbar, so Sabharwal gestern auf Nachfrage. Die Zeitung will nun rechtliche Schritte gegen den ADR-Abgeordneten prüfen.
Auch die Association luxembourgeoise des journalistes professionnels (ALJP) verurteilt das Vorgehen von Roy Reding aufs Schärfste. Sein Verhalten zeige einmal mehr, was er von der freien Presse halte. Die Politik dürfe dieses Verhalten nicht dulden: „Es geht um die Pressefreiheit und damit um ein Standbein der Demokratie. Wo nicht unabhängig berichtet werden darf, werden auch andere Menschenrechte verletzt. Angesichts der Zwischenfälle vom Samstag während der Manifestation von Impfgegnern kann man klar sehen, zu was das führt.“
Parlamentspräsident Etgen weist die Aktion des ADR-Abgeordneten als „absolutes No-Go“zurück: „Die freie Presse trägt mit ihrer Berichterstattung dazu bei, dass die sanitäre Krise nicht zu einer demokratischen Krise wird. Das Parlament steht der Presse zur Seite, wenn sie angegriffen wird“, so Etgen auf Nachfrage. Die Präsidentenkonferenz werde sich in ihrer nächsten Sitzung mit dem Vorfall beschäftigen.
Reding selbst ruderte derweil zurück. Bereits am 3. Dezember erklärte er gegenüber dem Radiosender 100,7, er habe die Kontaktdaten des Journalisten in der betreffenden Mail übersehen, als er den Text in der Telegram-Gruppe gepostet habe.