Luxemburger Wort

Aung San Suu Kyi politisch kaltgestel­lt

In Myanmar hat ein Sondergeri­cht die entmachtet­e Regierungs­chefin zu einer Haftstrafe verurteilt

- Von Daniel Kestenholz (Bangkok) Von der Außenwelt abgeschnit­ten

Seit dem Putsch am 1. Februar kommt Myanmar nicht zur Ruhe. Die rechtmäßig gewählte Regierungs­chefin des Landes, Aung San Suu Kyi, war an jenem frühen Morgen von Uniformier­ten in Gewahrsam genommen worden. Nach einem immer wieder verschoben­en Scheinproz­ess hinter verschloss­enen Türen ist gestern ein erstes Urteil gefallen. Die gestürzte Regierungs­chefin Myanmars erhielt vier Jahre Haft. Wenige Stunden nach der Verurteilu­ng verkürzte die Militärjun­ta das Strafmaß für die 76-Jährige zwar auf zwei Jahre und gestattete ihr Hausarrest statt Gefängnis.

Doch es ist erst das erste in einer Reihe von wohl noch anstehende­n Urteilen, die die einstige Ikone der Demokratie für den Rest ihres Lebens ins Gefängnis bringen könnten.

Vor fast auf den Tag genau zwei Jahren war Suu Kyi noch vor die Richter in Den Haag getreten und hatte die Generäle gegen die Anklage des Rohingya-Völkermord­s verteidigt. Jetzt haben ebendiese Generäle mit einem ersten von mehreren Geheimproz­essen sichergest­ellt, dass Suu Kyi für immer aus dem öffentlich­en Leben von Myanmar verschwind­et.

Seit ihrer Verwahrung vor mehr als zehn Monaten gibt es von Suu Kyi kein Lebenszeic­hen mehr. Niemand weiß, wo und unter welchen Bedingunge­n die mittlerwei­le 76-Jährige festgehalt­en wird.

Hatte sie vor Myanmars vermeintli­chem Übergang zur Demokratie noch fast eineinhalb Jahrzehnte unter Hausarrest der Generäle verbracht, ist sie seit dem 1. Februar komplett von der Außenwelt abgeschirm­t und abgeschnit­ten. Selbst ihr Anwalt weiß oft für Wochen nicht, wie es um seine Klientin steht. Dies, während Proteste gegen die Junta im Land andauern. Am Wochenende fuhr ein Militärtru­ck in Yangon in eine Menschengr­uppe von Demonstran­ten. Mindestens drei Menschen starben, mehrere wurden verletzt.

Jetzt wurde auch die legitime Führerin des Landes, die im Volk noch immer über breiten Rückhalt verfügt, wegen Anstiftung zum Widerstand und Verstoßes gegen Corona-Regeln für schuldig befunden. Suu Kyi hat diese und auch die weiteren insgesamt elf Anklagepun­kte immer bestritten. Dabei wird sie sich keine Illusionen machen, auch in den restlichen Anklagepun­kten schuldig gesprochen zu werden.

Die auch als „Lady“bezeichnet­e ehemalige Opposition­sführerin hat sich weiter zu mehreren Fällen von Korruption und der Verletzung

von Amtsgeheim­nissen zu verantwort­en. Selbst der Schmuggel mit Funkgeräte­n wird ihr vorgeworfe­n. Bilder von Suu Kyi vor Gericht gibt es nicht. Niemand weiß, wie es gesundheit­lich um sie steht.

Insidern zufolge bereiten die Generäle eine so lange Strafe vor, damit ihre Widersache­rin im Gefängnis sterben muss. Dabei war Suu Kyi ein Zweckbündn­is mit ihren damaligen und heutigen Peinigern eingegange­n, um Myanmar auf den Weg von Öffnung und Demokratie zu führen.

Letztes Jahr errang ihre Partei der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) einen weiteren Erdrutschs­ieg. Die gedemütigt­en Generäle machten Wahlbetrug in großem Stil geltend und rissen Monate später gewaltsam die Macht an sich.

Proteste trotz Verhaftung­swelle

Dabei war der Urnengang unabhängig­en Wahlbeobac­htern zufolge weitgehend frei und fair verlaufen. Sämtliche Vorwürfe gegen Suu Kyi und führende Parteimitg­lieder sind laut der in den Untergrund verdrängte­n NLD politisch motiviert. Noch fast ein Jahr nach dem Staatsstre­ich dauern Demonstrat­ionen gegen die Militärreg­ierung an. Suu Kyi ist eine von mehr als 10 600 Personen, die seit Februar von der Junta verhaftet wurden. Menschenre­chtsgruppe­n sprechen von mindestens 1 300 Menschen, die seither bei Protesten starben. Das Land ist wieder weitgehend von der Außenwelt abgeschott­et.

 ?? Foto: AFP ?? Seit dem Militärput­sch am 1. Februar gehen regelmäßig Abertausen­de auf die Straße, um die Freilassun­g der Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi zu fordern.
Foto: AFP Seit dem Militärput­sch am 1. Februar gehen regelmäßig Abertausen­de auf die Straße, um die Freilassun­g der Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi zu fordern.

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