Luxemburger Wort

Der Traum von Europa

Aufsteiger Rayo Vallecano sorgt in der spanischen Meistersch­aft derzeit für Furore

- Von Léon Zahlen

Nach 16 Spieltagen im spanischen Oberhaus ist Rekordmeis­ter Real Madrid seinen Verfolgern bereits enteilt. Dies scheint in dieser Saison jedoch weniger an der eigenen Übermacht, als an der schwächeln­den Konkurrenz zu liegen.

Erzrivale FC Barcelona befindet sich im Umbruch und macht gerade eine schwierige Phase durch. Titelverte­idiger Atletico Madrid offenbarte zuletzt immer wieder ungewohnte Abwehrschw­ächen und leistete sich vor allem im eigenen Stadion unerwartet­e Punktverlu­ste. Die Tatsache, dass sich zurzeit der FC Sevilla – zwar im gebührende­n Abstand von acht Punkten, jedoch mit einem Nachholspi­el in der Hinterhand – in Lauerstell­ung befindet, überrascht kaum. Lokalrival­e Betis Sevilla als aktueller Tabellendr­itter umso mehr.

Die Sensation schlechthi­n ist jedoch Aufsteiger Rayo Vallecano, dessen Höhenflug die Fachwelt aus dem Staunen nicht herauskomm­en lässt. Der Vorortclub aus Madrid hatte im vergangene­n Frühjahr als Tabellense­chster in der Segunda Division gerade noch so die Aufstiegsr­unde erreicht, sich dort am Ende durchgeset­zt und, nach zwei Jahren Abstinenz, die Rückkehr ins Oberhaus geschafft. Als wäre dies nicht schon Überraschu­ng genug gewesen, startete Rayo nach schwachem Saisonbegi­nn richtig durch.

Die beiden Auswärtsni­ederlagen zum Auftakt schienen alle Experten, die Vallecano als Abstiegska­ndidat Nummer eins handelten, zu bestätigen. Anschließe­nd strafte der Underdog die Kritiker allerdings Lügen. Mit einer nahezu makellosen Heimbilanz löste sich das Team von Trainer Andoni Iraola nicht nur vom Tabellenen­de, sondern schaffte inzwischen sogar den Sprung auf einen Europacupp­latz.

Von sieben Partien im rund 15 000 Zuschauer fassenden Campo de Futbol de Vallecas gewann Rayo deren sechs, 17 der bisherigen 24 Saisontref­fer gelangen vor eigenem Publikum. Lediglich Celta Vigo entführte einen Zähler (0:0) aus dem kleinen Hexenkesse­l. Dass auch auswärts mit Rayo Vallecano zu rechnen ist, zeigte das Lokalderby bei Real Madrid. Der haushohe Favorit behielt gegen den kleinen Nachbarn nur knapp mit 2:1 die Oberhand.

Erfolg trotz wenig Geld

Vier Punkte Vorsprung auf den großen FC Barcelona kommen nicht von ungefähr. Auch die Katalanen erfuhren die Stärke des Neulings am eigenen Leib. Mit 1:0 gab der Außenseite­r am elften Spieltag dem fünfmalige­n Champions-League-Sieger das Nachsehen, den Siegtreffe­r erzielte Routinier Radamel Falcao.

Der 35-jährige Kolumbiane­r ist mit bislang fünf Toren ebenso maßgeblich am Höhenflug des Teams beteiligt, wie sein Sturmpartn­er Alvaro Garcia, der ebenso oft traf. Bemerkensw­ert ist dabei, dass Falcao erst neun Partien bestritt und keine davon über die volle Distanz auf dem Platz stand. Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft ist der Argentinie­r Oscar Trejo, seit vier Jahren in Diensten von Vallecano.

Neben drei selbst erzielten Toren bereitete der 33-Jährige sieben weitere Treffer vor. Mit 53 Millionen Euro verzeichne­t das Team aus dem Stadtteil Vallecas den drittklein­sten Gesamtmark­twert, insgesamt etwas weniger als die Real-Stars Thibaut Courtois, David Alaba, Casemiro und Federico Valverde jeweils alleine aufweisen.

Geldknapph­eit ist im eher armen Arbeitervi­ertel vor den Toren der Hauptstadt nichts Besonderes. Als sich Rayo vor acht Jahren für die Europa League qualifizie­rt hatte, wurde dem Verein seitens der UEFA wegen finanziell­er Unregelmäß­igkeiten die Teilnahme verweigert. 2016 rutschte man zum wiederholt­en Male in die Zweitklass­igkeit ab, um zwei Jahre später wieder in die Elite zurückzuke­hren. Die Geschichte wiederholt­e sich in der Folgesaiso­n erneut.

Letzte Station der Ex-Stars

Seit 2011 erlebte Vallecano sechs Auf- und Abstiege. Der Liebe der Fans zu ihrem Club tat dies indes nie einen Abbruch. Diese sind immer noch besonders stolz auf den bislang größten Erfolg der 97-jährigen Vereinsges­chichte. In der Saison 2000/2001 hatte man es immerhin bis ins UEFA-Cup-Viertelfin­ale geschafft.

Obwohl es, mit Ausnahme der Zweitligam­eisterscha­ft 2018, noch nie für einen Titelgewin­n reichte, übte Rayo zudem stets eine gewisse Anziehungs­kraft auf gestandene Stars aus. Ehemalige RealGrößen wie Hugo Sanchez und Ricardo Gallego schnürten nach dem Höhepunkt ihrer Laufbahn ebenso die Schuhe in Vallecas wie der Österreich­er Toni Polster und der zweimalige russische Fußballer des Jahres Viktor Onopko.

Das Image der Fahrstuhlm­annschaft will Rayo Vallecano ablegen. In dieser Saison scheint für das Stehaufmän­nchen des spanischen Fußballs alles möglich. Gekommen, um zu bleiben – lautet offenbar das neue Motto des Überraschu­ngsteams.

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Fotos: Getty Images Der Argentinie­r Oscar Trejo ist Dreh- und Angelpunkt im Spiel von Rayo Vallecano.
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Der 35-jährige Kolumbiane­r Radamel Falcao in Diensten von Rayo Vallecano hat in neun Partien bereits fünf Treffer für den Aufsteiger erzielt.

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