VW-Chef Diess übersteht Machtkampf
Europas größter Autokonzern will in den nächsten fünf Jahren 159 Milliarden Euro investieren
Wolfsburg. Nach einem mehrwöchigen Machtkampf mit Teilen des Aufsichtsrats soll VW-Konzernchef Herbert Diess sein Amt behalten. Zusätzlich wird im neuen Jahr jedoch der Leiter der Kernmarke Volkswagen, Ralf Brandstätter, in den Vorstand aufrücken. Das teilte das Unternehmen gestern mit. Diess selbst kümmert sich demnach künftig in der größten europäischen Autogruppe vor allem um strategische Themen, etwa um die neue Software-Sparte Cariad.
Zudem wurden weitere Personalien beschlossen. So soll die frühere Deutsche-Börse-Managerin Hauke Stars im Februar den neuen IT-Bereich im Konzernvorstand besetzen – hier hatte Volkswagen nach einer in letzter Minute gescheiterten Variante lange suchen müssen. Der bisherige Chefjustiziar Manfred Döss übernimmt das Rechtsressort von Hiltrud Werner. Audi-Managerin Hildegard Wortmann wird ergänzend Vorständin für den Konzernvertrieb. Den Entscheidungen waren Spekulationen über Diess' Zukunft vorausgegangen. Seit Ende September war die Lage äußerst angespannt. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch musste ein weiteres Mal vermitteln. Das sei alles andere als gut gewesen, sagte Pötsch gestern. Es gebe aber die Chance, wichtige Sachthemen jetzt nach einer Zeit vermeidbarer Verunsicherung „konstruktiv voranzutreiben“.
Investition in neue Technologien
Der Konzern legt bei seinen Ausgaben für das weltweite Werksnetz und neue Technologien im neuen Fünfjahreszyklus noch einmal deutlich drauf. Die Gesamtsumme beträgt 159 Milliarden Euro.
Mehr als die Hälfte davon fließt in Themen wie E-Mobilität, Vernetzung und Software. Dies sind noch einmal Steigerungen gegenüber dem Vorjahr. Die Chancen seien zudem gut, die Gewinnspanne klar zu erhöhen, hieß es vom Konzern. Diess hatte mit Verweis auf die im Branchenvergleich bestenfalls durchschnittliche Ertragskraft der Kernmarke VW über möglicherweise bis zu 30 000 oder 35 000 überschüssige Stellen diskutieren wollen. Es gab Verwirrung um die Interpretation und den genauen Umfang etwaiger Kürzungen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo störte sich zudem daran, dass Diess aus ihrer Sicht keine hinreichend solide Strategie gegen die Halbleiter-Lieferkrise hat. Stattdessen absolviere er lieber PR-Termine und posiere mit Tesla-Chef Elon Musk.
Besonders das Stammwerk Wolfsburg ist wegen der Engpässe bei Mikrochips nicht ausgelastet, immer wieder gibt es Kurzarbeit. 2021 könnten hier so wenige Autos gefertigt werden wie zuletzt Ende der 50er Jahre. Betriebsräte hatten auch ein weiteres EModell für den Standort verlangt – unabhängig vom ab 2026 geplanten Trinity.
Hohes Ansehen
Ungeachtet der Streitigkeiten ist Diess in der Autoindustrie insgesamt hoch angesehen. Viele Investoren halten sein Umsteuern in Richtung E-Mobilität und Software für mutig und unerlässlich. Daran haben auch viele Betriebsräte und Beschäftigte prinzipiell nichts auszusetzen – im Gegenteil sehen sie ebenso die Notwendigkeit rascher Veränderungen. Diess' Vorgehen kam hier aber als provokativ und zunehmend unberechenbar an. Indes geht der Konzern für die anvisierte Beteiligung Dritter an seiner Batteriesparte einen weiteren Schritt. Der Aufsichtsrat habe grünes Licht zur Gründung einer eigenen Gesellschaft für die Batteriegeschäfte gegeben, sagte Diess. Mit dem Schritt schaffe der Konzern die Möglichkeit, Dritte an seinem im Aufbau befindlichen Batteriegeschäft zu beteiligen, sagte der Manager. VW hatte mehrfach angekündigt, für die Investitionen beispielsweise in den Bau von Batteriezellfabriken Partner ins Boot nehmen zu wollen. Denkbar ist demnach auch ein Börsengang der Sparte. Das Batteriegeschäft werde 2030 voraussichtlich rund 20 Milliarden Euro Umsatz machen, so Diess. dpa