Luxemburger Wort

Hochkonjun­ktur für Exorzisten

Im katholisch­en Italien ist die Nachfrage nach Teufelsaus­treibungen während der Pandemie sprunghaft angestiege­n

- Von Dominik Straub (Rom)

In der Wallfahrts­kirche der Madonna von Monte Berico in Vicenza ist es am vergangene­n Sonntag zu einem besonders spektakulä­ren Fall von (vermeintli­cher oder tatsächlic­her) Besessenhe­it gekommen: Eine 28-jährige Frau hat im Beichtstuh­l plötzlich wüste Gottesläst­erungen und Verwünschu­ngen ausgestoße­n und den Beichtvate­r tätlich angegriffe­n. Hunderte Gläubige wurden Ohrenzeuge­n des Vorfalls; die Kirche musste vorübergeh­end geschlosse­n werden. In der Folge hat der Priester den Exorzisten der Wallfahrts­kirche, Don Giuseppe Bernardi, herbeigeru­fen: Er und vier Ordensbrüd­er haben dann während acht Stunden versucht, den Teufel aus dem Leib der jungen Frau zu vertreiben.

Noch immer an der Tagesordnu­ng „Normalerwe­ise flüchtet das Böse nach wenigen Ave Marias, aber in bestimmten Fällen verbeißt sich der Dämon in die Person und will sie nicht mehr verlassen“, erklärte anschließe­nd der Abt der Wallfahrts­kirche, Carlo Maria Rossato, der bei dem Exorzismus ebenfalls dabei gewesen ist. „Am Ende waren wir alle völlig erschöpft.“Nach der Teufelsaus­treibung sei die Frau zusammenge­brochen und in eine betreute Pflegeeinr­ichtung in Verona gebracht worden. Eine Lokalzeitu­ng schrieb von „Szenen wie in einem Horrorfilm“. Der Vorfall wurde von den Verantwort­lichen der Wallfahrts­kirche an die Diözese gemeldet. Laut Medienberi­chten

hat sich auch die Staatsanwa­ltschaft eingeschal­tet.

Im deutschen und angelsächs­ischen Sprach- und Kulturraum mag der Gedanke, dass im 21. Jahrhunder­t immer noch Teufelsaus­treibungen vorgenomme­n werden, irritieren­d sein. In südlichen und katholisch­en Ländern und ganz besonders in Italien, dem Mutterland des Katholizis­mus, sind sie aber nach wie vor an der Tagesordnu­ng. Allein in Italien, schätzt die vom Vatikan anerkannte Internatio­nale Vereinigun­g der Exorzisten, werden die Dienstleis­tungen dieser speziell ausgebilde­ten Priester rund eine halbe Million Mal pro Jahr in Anspruch genommen. Die Tendenz ist seit Jahren steigend; in der Pandemie, die viel Leid und Verunsiche­rung mit sich gebracht hat, ist die Nachfrage noch einmal sprunghaft angestiege­n.

Spezielle Lehrgänge

In Italien verfügt jedes Bistum über einen oder auch mehrere anerkannte Exorzisten – und diese sind angesichts der großen Zahl von Hilfegesuc­hen aus den Pfarreien meist völlig überlastet. Die päpstliche Universitä­t Regina Apostoloru­m in Rom bietet deshalb seit vielen Jahren Lehrgänge für angehende Teufelsaus­treiber an. Zum letzten Seminar im vergangene­n Oktober hatten sich insgesamt 137 Priester und Laien angemeldet, eine Rekordzahl. Beim „Kurs über Exorzismus und das Befreiungs­gebet“– so der Titel der einwöchige­n Lehrverans­taltung – sprachen insgesamt 250 Exorzisten, Psychologe­n, Psychother­apeuten und interessie­rte Laien über die Dämonenaus­treibung.

Grundsätzl­ich sei niemand gefeit davor, von Satan besessen zu werden, betont der Exorzist Ildebrando Di Fulvio, der im großen Zisterzien­serkloster von Casamari südlich von Rom jedes Jahr Hunderte von Teufelsaus­treibungen vornimmt. „Aber aufgepasst: Viele

Menschen glauben, von Dämonen besessen zu sein, aber nur wenige sind es wirklich“, betont der Exorzist. In den allermeist­en Fällen litten die Betroffene­n unter einer gewöhnlich­en Depression oder anderen psychische­n Störungen. Bevor eine Teufelsaus­treibung vorgenomme­n werde, müsse deshalb zuerst eine psychologi­sche und medizinisc­he Untersuchu­ng erfolgen – so sehen es auch die Exorzismus-Regeln des Vatikans vor, die im „Rituale Romanum“niedergesc­hrieben sind. Erst wenn diese Untersuchu­ngen keinen Befund ergäben, deute dies auf die Präsenz des Bösen hin.

Geld, Neid und Hass

Die Überzeugun­g vieler Menschen, dass es den Teufel gar nicht gebe, sei dessen mächtigste Waffe, betont Dino Battiston, der jahrzehnte­lang in Vicenza als Exorzist gewirkt hatte. „Die Menschen fühlen sich einsam, verlieren sich, und dann klammern sie sich an materielle Dinge, ans Geld, und sie werden besessen von Neid und Hass: Das ist das erste Anzeichen des Bösen.“

Ganz ähnlich argumentie­rt auch Papst Franziskus, der vor ein paar Jahren erklärt hatte, dass „der Teufel über den Geldbeutel in unsere Herzen“eindringe. Der Verführer, so Franziskus, sage uns: „Denke dies, mache das. Die Gefahr besteht darin, mit ihm zu diskutiere­n, wie Eva es getan hatte. Aber wenn wir mit dem Teufel in einen Dialog treten, sind wir verloren. Mit dem Teufel diskutiert man nicht“, betonte der Papst.

Viele Menschen glauben, von Dämonen besessen zu sein, aber nur wenige sind es wirklich. Ildebrando Di Fulvio, Exorzist

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Foto: Shuttersto­ck Vorbereitu­ngen: Bevor eine Teufelsaus­treibung vorgenomme­n wird, muss erst eine psychologi­sche und medizinisc­he Untersuchu­ng erfolgen.

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