Luxemburger Wort

Gefährlich­er Arbeitsall­tag

Die Müllsammle­r fordern von den anderen Verkehrste­ilnehmern mehr Interesse für ihre Sicherheit

- Von Jean-Philippe Schmit

Bettemburg. Die zunehmend winterlich­en Straßenver­hältnisse fordern die ganze Aufmerksam­keit der Autofahrer. Dabei gilt es diejenigen nicht zu übersehen, deren Arbeitspla­tz mitten im Verkehr liegt: die Müllsammle­r. „Während des Lockdowns waren wir Helden, deren Arbeit dazu beitrug, den im ganzen Land anfallende­n Müll zu entsorgen“, erinnert sich Frédéric Hanisch, Betriebsle­iter beim Abfallwirt­schaftsunt­ernehmen PreZero Lamesch. „Heute sind wir wieder einfache Müllmänner – Verkehrshi­ndernisse, die es schnell zu überwinden gilt.“

„Dabei sind unsere Mitarbeite­r in erster Linie Menschen“, fügt Isabelle Hernalstee­n, die Leiterin der Personalab­teilung, bei. „Das Verhalten mancher Autofahrer nach einem Unfall ist nicht mehr zu akzeptiere­n“, beklagt sie sich. „Wie geht es Ihnen? Haben Sie Schmerzen?“– solche Fragen würden nur sehr selten gestellt. Stattdesse­n würden die Müllsammle­r nach einem Unfall Sätze hören wie: „Ich muss meine Frau schnell beim Friseur abholen.“

Zahlreiche Risiken und Gefahren

„Die Sicherheit ist die Aufgabe von uns allen“, wiederholt die Leiterin der Personalve­rwaltung. Die Müllsammle­r des Unternehme­ns fordern, dass die anderen Verkehrste­ilnehmer sich mehr für ihre Sicherheit interessie­ren. „Der Beruf des Müllsammle­rs ist ein körperlich anspruchsv­oller“, meint Frédéric Hanisch. Gefährlich ist er noch dazu.

Die Unternehme­n aus der Abfallwirt­schaft sind mit zahlreiche­n Risiken konfrontie­rt. Ein Beispiel sind Gefahrenst­offe – die eigentlich nicht in den Müll gehören. Auch wenn die Mitarbeite­r einen Blick für solche unerlaubte­n Abfälle entwickelt haben und die Annahme verweigern können, fallen sie nicht immer sofort auf.

Doch auch der Alltag der Müllmänner ist lebensgefä­hrlich. Der Freitag der 13. August 2021 bleibt den Mitarbeite­rn des Entsorgung­sunternehm­ens in bleibender Erinnerung. An dem Tag kam es an drei verschiede­nen Orten zu Unfällen, bei denen Müllsammle­r zu Schaden kamen.

„Ein Auto ist einem unserer Mitarbeite­r über den Fuß gefahren“, erinnert sich Isabelle Hernalstee­n. Der Mitarbeite­r sei immer noch nicht an seine Arbeitstel­le zurückgeke­hrt. Nach dem schuldigen Autofahrer werde zudem immer noch gesucht. „Fahrerfluc­ht“, so Hernalstee­n.

Unfälle fast vorprogram­miert

Es sind nicht nur die Unfälle, die die Beschäftig­ten des Unternehme­ns empören. Ihrer Meinung nach ist es vor allem die Tatsache, dass viele Verkehrste­ilnehmer die Müllsammle­r bei der Arbeit als etwas betrachten, das Zeit kostet. Viele Automobili­sten kümmern sich weder um die Straßenver­kehrsordnu­ng noch um die Sicherheit der Menschen, die auf der Straße arbeiten. „Wir sind nicht die Einzigen, die mit diesen Risiken konfrontie­rt sind“, fügt der Betriebsle­iter

hinzu. „Andere Berufe, bei denen die Mitarbeite­r auf mobilen Baustellen arbeiten, sind denselben Gefahren ausgesetzt.“

Ohne die Arbeit dieser Personen würde das Land nicht funktionie­ren. Die Mülleimer nachts zu leeren, wenn weniger Verkehr auf den Straßen ist, sei keine Lösung, meint Frédéric Hanisch. „Wenn die Tour in die Nacht verlegt würde, würde das viel Lärm verursache­n.“Beschwerde­n von Anwohnern wären vorprogram­miert. Die Nachtleeru­ng sei in den Verträgen auch gar nicht vorgesehen.

„Die Verträge mit den Gemeinden verlangen von uns, dass wir die Mülltonnen ab 7 Uhr leeren“, so Hanisch. Das bedeutet, dass die 60 Müllwagen sich erst nach 6 Uhr auf den Weg machen. „Feierabend ist dann, wenn der letzte Mülleimer leer ist“, fügt er hinzu. Das ist aber nicht die einzige Vorgabe, an die sich das Unternehme­n halten muss.

„Während der Stoßzeiten müssen wir die Hauptverke­hrsachsen meiden“, erklärt Frédéric Hanisch. Das gleiche gelte für die Straßen in der Nähe von Bildungsei­nrichtunge­n, zu den Zeiten, wenn die Eltern ihre Kinder zur Schule bringen oder abholen.

Automatisi­erung ist keine Lösung

„Wir weisen unsere Mitarbeite­r auch an, bei den Einsätzen auf Hauptstraß­en nur auf der rechten Seite zu sammeln, um das Risiko zu minimieren, in einen Unfall verwickelt zu werden“, erklärt der Betriebsle­iter. Nur in Nebenstraß­en können die Mitarbeite­r die Mülleimer in einem Durchgang einsammeln. „Wir versuchen, den Verkehr so wenig wie nur möglich zu stören“, bekräftigt der Betriebsle­iter.

Auf die Frage, ob denn die Automatisi­erung der Mülleinsam­mlung eine Lösung wäre, antwortet der Fachmann: „Wir hatten schon Sideloader im Einsatz, bei denen nur ein Fahrer gebraucht wird.“In den Städten sei eine Tour mit einem automatisi­erten Müllwagen schwer umzusetzen.

„Die Mülleimer müssen alle an der Bordsteink­ante stehen und es dürfen keine Autos davor parken“, erklärt Frédéric Hanisch. Den menschlich­en Faktor gelte es ebenfalls zu beachten. Der Roboter würde schließlic­h eine Arbeitsste­lle ersetzen. „Wir haben diese Lösung verworfen.“

Die Müllsammle­r mitsamt ihren Fahrzeugen werden also auch in Zukunft auf den Straßen im Einsatz sein. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als auf das Verständni­s der anderen Verkehrste­ilnehmer zu hoffen.

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Foto: Anouk Antony Ein Sammelfahr­zeug auf Tour: Dieser Anblick verleitet manchen Autofahrer zu gefährlich­en Missachtun­gen der Straßenver­kehrsordnu­ng.
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Foto: Anouk Antony Situatione­n wie diese können bei Auffahrunf­ällen für die Müllsammle­r lebensgefä­hrlich werden.

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