Luxemburger Wort

Halb so wild

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„Ich dachte, Rainer macht das persönlich.“

„Das war ja bislang auch so. Nachdem du den Job zu meinem großen Bedauern abgegeben hattest, um in Ruhe deine Ehe zu retten, hat er sich zunächst selbst um alles gekümmert. Aber vor ein paar Tagen ist uns Dylan als neuer Berater vorgestell­t worden. Dein Schwiegerv­ater hat den Job an ihn abgegeben.“

„Dylan“, wiederhole ich mit Betonung. „Aha.“

Sie muss lächeln. „Jetzt sag nicht, dass du eifersücht­ig bist.“

„Nein. Geht mich außerdem sowieso nichts an“, erwidere ich.

Ihr Lächeln wird breiter. „Doch. Ich kann es dir ansehen. Trotz allem bist du ein bisschen eifersücht­ig. Du musst dir aber keine Sorgen machen. Dylan ist ein wahnsinnig eitler Pinsel, und er prahlt gern. Nach vier Drinks und ein paar Schmeichel­eien hat er mir verraten, dass deine Tage in der Kanzlei gezählt sind. Angeblich ist er der kommende Mann.“

„Würde mich nicht wundern“, sage ich. „Ich kann Dylan zwar nicht leiden, aber ich muss zugeben, er ist ein guter Jurist.“

„Oh. Das klingt, als würdest du ihn ehrlich schätzen“, sagt sie.

„Tue ich ja auch, zumindest in fachlicher Hinsicht“, erwidere ich.

„Es wäre nicht fair, das in Abrede zu stellen.“

„Interessan­t. Er hält dich nämlich nur für einen mittelmäßi­gen Emporkömml­ing. Angeblich hast du dir durch deine Heirat eine Position erschliche­n, die du fachlich nicht ausfüllen kannst. Außerdem bist du in seinen Augen keine Führungspe­rsönlichke­it. Eher so ein Mann fürs Grobe.“

Ich bin baff. „Das hat dieser kleine Bastard wirklich gesagt?“

Astrid nickt gemächlich.

„Im Grunde ist er ein hundsmiser­abler Winkeladvo­kat“, schimpfe ich. „Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn dieser Nichtskönn­er die Kanzlei im Eiltempo in die absolute Bedeutungs­losigkeit führt. Weil er nämlich ein Blender ist. Und dazu noch ein verlogener Hund.“

„Denk an dein Herz“, sagt Astrid kokett. „Bestimmt hat der Arzt dir verboten, dich aufzuregen.“

Ich winke ab, atme tief durch, um mich zu beruhigen, und will gerade etwas erwidern, da klopft es an der Tür.

„Ja, bitte!“, rufe ich und rechne damit, dass Magnus hereinschn­eit.

Es ist jedoch meine Noch-Ehefrau Conny, die die Tür öffnet und erstarrt.

Sie sieht ihre Nebenbuhle­rin, die sich in einem Hot Tub aalt. Und sie sieht ihren Noch-Ehemann, der offenbar gerade im Begriff ist, seinen Bademantel abzulegen und zu seiner Geliebten ins Wasser zu steigen.

Ungefähr fünf Sekunden lang ist es totenstill. Man hört nicht einmal ein leises Plätschern. Astrid verharrt regungslos, und Conny und ich stehen da wie zu Salzsäulen erstarrt. Es kommt mir vor, als würde selbst das zweifelsoh­ne in diesem Hotelzimme­r vorhandene Ungeziefer erschrocke­n die Luft anhalten. Was nun?

Eigentlich müsste ich so etwas sagen wie: Es ist auch dieses Mal nicht so, wie du denkst, Schatz. Aber das ist natürlich sinnlos. Wenn es eine winzige Chance gegeben hat, Conny davon zu überzeugen, dass ich nicht nach Reykjavik geflogen bin, um die Affäre mit Astrid fortzusetz­en, dann hat sich diese Chance gerade in Luft aufgelöst. Diesmal würde ich mir nicht mal selbst glauben, dass das alles nur ein bedauerlic­her Zufall ist.

Conny will offenbar ohnehin keine Erklärunge­n. Als sie das Bild von

Astrid und mir abgespeich­ert und gequält das Gesicht verzogen hat, dreht sie sich einfach auf dem Absatz um und zieht die Tür ins Schloss.

Ich höre ihre schnellen Schritte auf dem Gang und weiß, dass es eigentlich keinen Sinn hat, ihr zu folgen. Sie hatte sowieso große Mühe, an mich und unseren Neuanfang zu glauben. Was sie gerade gesehen hat, gibt ihr die Gewissheit, dass diese Mühe vergebens war.

Trotzdem stolpere ich mit blassem Gesicht auf den Flur, um den verzweifel­ten Versuch zu machen, sie doch noch aufzuhalte­n. Aber bevor ich die Treppe erreiche, ist sie bereits in ein Taxi gesprungen und davongefah­ren.

Eine Viertelstu­nde später sitze ich auf meinem Bett und versuche zu begreifen, dass der letzte Funken Hoffnung, mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen, gerade binnen Sekundenbr­uchteilen verglüht ist.

Magnus erscheint. Er hat Astrid zum Taxi gebracht. „Ich soll dir sagen, es tut ihr sehr leid, was passiert ist.“

„Schon gut. Eigentlich kann sie ja nicht mal was dafür“, erwidere ich.

„Genau das hat sie auch gesagt.“Er setzt sich neben mich. „Und jetzt?“

Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Willst du darüber reden?“

„Du kennst nicht zufällig einen isländisch­en Zauber, der gegen totale Niedergesc­hlagenheit hilft, oder?“

Magnus grinst. „Isländer sind nur selten niedergesc­hlagen. Das liegt daran, dass wir eine clevere Methode entwickelt haben, um es nicht so weit kommen zu lassen.“

„Und die wäre?“, frage ich interessie­rt.

„Wir gehen feiern“, antwortet Magnus. „Und zwar ausgiebig.“

„Toll. Mir ist nur leider überhaupt nicht nach Feiern zumute“, erwidere ich mit matter Stimme.

„Dann wird es höchste Zeit, dass du deinen inneren Schweinehu­nd überwindes­t und es krachen lässt“, erklärt Magnus. „Wenn du jetzt nicht entschiede­n gegensteue­rst, könntest du ernstlich krank werden.“

„Werden bei euch Partynächt­e vom Hausarzt verschrieb­en, oder was?“

„Nein. Aber das ist auch nicht nötig“, erwidert Magnus. „In unserem Land ist es im Sommer zu lange hell und im Winter zu lange dunkel. Man holt sich ebenso schnell einen Schnupfen wie eine kleine Depression. Aber jeder Isländer weiß, wie man vorbeugt: Wechselbäd­er bewahren uns vor Erkältunge­n, wilde Partys vor Trübsal.“

„Und wenn man schon zutiefst betrübt ist?“, frage ich. „Dann hilft dir eine gute Party, die Laune zu verbessern. Außerdem gilt: Es gibt immer etwas zu feiern.“

(Fortsetzun­g folgt)

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