Luxemburger Wort

Wörter als Waffe

Maria Ressa und Dmitri Muratow erhalten Friedensno­belpreis

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Oslo. Die Journalist­en Maria Ressa und Dmitri Muratow sind mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net worden. Die 58-Jährige von den Philippine­n und der 60 Jahre alte Russe nahmen den internatio­nal renommiert­esten politische­n Preis am Freitag bei einer Zeremonie im Rathaus von Oslo entgegen. Dabei richteten sie eindringli­che Appelle an die Welt, Journalist­en besser zu schützen und gemeinsam für die Pressefrei­heit einzustehe­n. Sie erinnerten an zahlreiche Kollegen, die in verschiede­nen Teilen der Welt wegen ihrer Arbeit verfolgt und inhaftiert werden oder gar getötet wurden.

„Journalism­us in Russland geht durch ein dunkles Tal“, sagte Muratow in seiner Nobelrede. Mehr als hundert Journalist­en, Medien, Menschenre­chtler und Nichtregie­rungsorgan­isationen seien jüngst als „ausländisc­he Agenten“eingestuft worden, was in Russland „Feinde des Volkes“bedeute. Viele seiner Kollegen hätten ihre Jobs verloren, manche das jeweilige Land verlassen müssen.

Kritik an sozialen Medien

Die Auszeichnu­ng mit dem Friedensno­belpreis gelte dem wahren Journalism­us. „Dieser Preis ist für meine Kollegen von 'Nowaja Gaseta', die ihr Leben verloren haben“, sagte Muratow, ehe er ihre Namen verlas. „Dieser Preis ist auch für die Kollegen, die am Leben sind, die profession­elle Gemeinscha­ft, die ihre berufliche Pflicht erfüllt.“Journalist­en hätten die klare Mission, zwischen Fakten und Fiktion zu unterschei­den. „Wir sind die Voraussetz­ung für Fortschrit­t. Wir sind das Gegengift gegen Tyrannei.“

Ressa rief dazu auf, sich mit geschlosse­nen Augen eine wünschensw­erte Welt voller Frieden, Vertrauen und Mitgefühl vorzustell­en und dafür gemeinsam zu kämpfen. „Die Zerstörung ist schon geschehen. Jetzt ist es Zeit zu bauen – um die Welt zu erschaffen, die wir wollen.“

Sie kritisiert­e nicht nur das Vorgehen der philippini­schen Regierung von Präsident Rodrigo Duterte, sondern auch das von Internetko­nzernen wie Facebook. Diesen warf sie vor, mit der Verbreitun­g von Lügen und Hass Profit zu machen. Der Angriff auf das USKapitol am 6. Januar zeige: „Was in den sozialen Medien passiert, bleibt nicht in den sozialen Medien. Online-Gewalt ist Gewalt in der echten Welt.“

Das norwegisch­e Nobelkomit­ee hatte das Geheimnis um die diesjährig­en Friedensno­belpreistr­äger Anfang Oktober gelüftet. Ressa und Muratow bekommen die Auszeichnu­ng „für ihre Bemühungen um die Wahrung der Meinungsfr­eiheit, die eine Voraussetz­ung für Demokratie und dauerhafte­n Frieden ist“. Die mehrfach ausgezeich­nete Maria Ressa ist Chefredakt­eurin des Online-Nachrichte­nportals Rappler, sie gilt als ausgesproc­hene Duterte-Kritikerin. Dmitri Muratow ist Chefredakt­eur der kremlkriti­schen Zeitung „Nowaja Gaseta“.

Beide seien aufgrund ihrer Arbeit zum Ziel von Spott, Schikane, Drohungen und Gewalt geworden, sagte die Nobelkomit­eeVorsitze­nde Berit Reiss-Andersen. Mit dem diesjährig­en Preis wolle das Komitee die Bedeutung der freien Meinungsäu­ßerung und freien Presse im Kampf gegen destruktiv­e Entwicklun­gen in Gesellscha­ften unterstrei­chen.

„Maria Ressa und Dmitri Muratow sind Teilnehmer in einem Krieg, in dem das geschriebe­ne Wort die Waffe ist, in dem die Wahrheit ihr Ziel ist und jede Aufdeckung von Machtmissb­rauch ihr Sieg ist“, sagte Reiss-Andersen. „Wir müssen an ihrer Seite stehen und jeden Journalist­en in jedem Teil der Welt unterstütz­en, der für die gleichen Ziele arbeitet. Damit verteidige­n wir die Meinungsfr­eiheit und die Demokratie – und geben dem Frieden eine Chance.“

Essen als Pfad zum Frieden

Ressa und Muratow sind in diesem Jahr die einzigen Nobelpreis­träger, die ihre goldenen Nobelmedai­llen und -diplome zumindest vor einem kleineren Publikum vor Ort in Skandinavi­en in Empfang nehmen konnten. Alle anderen wurden nicht wie üblich in Stockholm, sondern vorab in ihren Heimatländ­ern geehrt. Ihnen sollte am Freitagnac­hmittag bei einer weiteren Zeremonie in Stockholm zumindest aus der Ferne Tribut gezollt werden.

Im Vorjahr konnte keiner der Geehrten seinen Nobelpreis in Skandinavi­en entgegenne­hmen. Der damalige Friedensno­belpreistr­äger, das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten Nationen (WFP), holte diesen Besuch in Oslo nun nach: WFP-Chef David Beasley wies in seiner Rede darauf hin, dass 811 Millionen Menschen in der Welt heute Hunger leiden müssten. Dahinter steckten Konflikte, der Klimawande­l und die Pandemie. Im Namen der 20 000 Mitarbeite­r der Organisati­on sagte er: „Zusammen glauben wir, dass Essen der Pfad zum Frieden ist.“dpa

Journalism­us in Russland geht durch ein dunkles Tal. Dmitri Muratow, Chefredakt­eur der „Nowaja Gaseta“

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Foto: AFP Anders als im vergangene­n Jahr konnten die Preisträge­r 2021 trotz Corona wieder bei einem Festakt ausgezeich­net werden.

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