Auf dem Weg zu „Macrolz“
Die französisch-deutschen Beziehungen, sie stehen auch für den neuen Bundeskanzler Olaf Scholz ganz oben in der Prioritätenliste. Seine erste Auslandsreise zwei Tage nach Amtsantritt führte ihn nach Paris. Erst ein Mittagessen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, erst danach Weiterflug nach Brüssel zu den EU- und NATO-Repräsentanten. Ganz in der Tradition vieler Vorgänger hat auch Scholz deutlich gemacht, welch zentrale Bedeutung der jahrzehntelangen engen Partnerschaft zu Frankreich zukommt.
Krisen gab es zahlreiche, seit Adenauer und de Gaulle 1963 mit dem Élysée-Vertrag die alte Erbfeindschaft beendeten. Oft waren es Staats- und Regierungschefs aus unterschiedlichen politischen Lagern, die links und rechts des Rheins gut zusammen harmonierten, etwa der Konservative Kohl und der Sozialist Mitterand. Die Christdemokratin Merkel fand nach gewissen Startschwierigkeiten zum Konservativen Sarkozy ebenso Zugang wie zum Sozialisten Hollande und zum Liberalen Macron. Spitznamen wie „Merkozy“und „Mercron“verdeutlichten das. Scholz und Macron waren am Freitag bemüht, bei aktuellen Herausforderungen wie der Ukraine-Krise und dem diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in China im Einklang aufzutreten. Doch es bestehen weiterhin Differenzen zwischen den Nachbarstaaten.
Da ist zum einen das leidige Thema Atomkraft. In spätestens einem Jahr werden in Deutschland die letzten noch verbliebenen Kernreaktoren vom Netz gehen. In Frankreich wird die gefährliche Technologie hingegen nach wie vor vom Staat protegiert; zwar wurde 2020 das alte Grenzkraftwerk Fessenheim im Elsass endlich stillgelegt. Doch ein Ende des an Luxemburg, Rheinland-Pfalz und das Saarland angrenzenden und schon seit 35 Jahren laufenden Pannenmeilers Cattenom ist nicht in Sicht. Freilich ist die Mosel weit von der Spree entfernt, weshalb das Thema keine Priorität für den Sozialdemokraten Scholz haben dürfte – anders als für die grüne Außenministerin Annalena Baerbock. Der Ball liegt nun auf europäischer Ebene.
Einen ersten Dämpfer gab es für Macron bei seinen großen europapolitischen Plänen, die er angesichts der bevorstehenden französischen Ratspräsidentschaft nur wenige Tage vor dem Scholz-Besuch mit großem Tamtam verkündete. Ähnlich wie vor ihm Merkel reagierte Scholz eher zurückhaltend auf die finanzpolitischen Vorschläge aus Paris. So würde Macron gern die strengen Maastricht-Kriterien für Zukunftsinvestitionen in der EU lockern. Doch Scholz hält sich hier bedeckt und verweist auf den deutschen
Hang zu soliden Finanzen. Sollte der Kanzler den französischen Begehrlichkeiten nachgeben wollen, müsste er sich auf den ersten Ampel-Konflikt mit der nach Haushaltsdisziplin strebenden FDP einstellen.
Wird man bald schon von einem neuen Dreamteam à la Macrolz sprechen können? Für eine solche Prognose ist es noch zu früh. Möglich, dass der 63-jährige Sozialdemokrat und der 20 Jahre jüngere, ehrgeizige Liberale in Rivalität um die Führungsrolle in Europa geraten. Ihr Pariser Treffen war immerhin ein ganz solider Auftakt.
Scholz und Macron haben in Paris einen soliden Auftakt hingelegt.
Kontakt: michael.merten@wort.lu