Luxemburger Wort

Julian Assange muss zittern

Ein Gericht in London hat entschiede­n, dass der Wikileaks-Gründer an die USA ausgeliefe­rt werden darf

- Von Peter Stäuber (London)

Wikileaks-Gründer Julian Assange hat im Kampf gegen seine Auslieferu­ng an die USA einen Rückschlag erlitten. Ein Berufungsg­ericht in London hat gestern entschiede­n, dass Großbritan­nien ihn an die US-amerikanis­che Strafjusti­z ausliefern darf. Damit hat das High Court den Entscheid des erstinstan­zlichen Gerichts aufgeboben.

In den USA ist Assange der Spionage angeklagt, ihm drohen 175 Jahre Haft. Das Urteil sei „gefährlich und verfehlt“, sagte Assanges Verlobte Stella Moris. Sie kündigte an, gegen den Entscheid unverzügli­ch Berufung einzulegen. Auch Menschenre­chtsgruppe­n kritisiert­en das Urteil der Richter: Reporter ohne Grenzen spricht von einer „zutiefst beschämend­en Entwicklun­g“.

Im Januar hatte ein Gericht in erster Instanz die Auslieferu­ng verboten, weil ein „erhebliche­s Risiko“

bestünde, dass Assange Selbstmord begehen könnte. Die Richterin verwies auf die labile psychische Verfassung Assanges sowie auf seinen schlechten Gesundheit­szustand. Sie sagte, eine menschlich­e Behandlung in USamerikan­ischer Haft könne nicht garantiert werden.

Neue Zusagen der Amerikaner

Während des Berufungsv­erfahrens beschwicht­igten die Anwälte der USA: Der Beschuldig­te würde nicht im berüchtigt­en Hochsicher­heitsgefän­gnis ADX Florence in Colorado inhaftiert, und ihm drohe während der Haft in US-amerikanis­chen Gefängniss­en keine unmenschli­che Behandlung.

Das Berufungsg­ericht akzeptiert­e diese Zusicherun­gen: Richter Lord Burnett sagte, dass sie das Risiko des Suizids ausschließ­en. „Wenn die (erstinstan­zliche) Richterin diese Zusicherun­gen bereits gehabt hätte, dann hätte sie die relevanten Fragen anders beantworte­t“, sagte Burnett. Damit gab er den Fall zurück an die niedrigere Instanz und wies das Gericht an, den Entscheid über die Auflieferu­ng dem Innenminis­terium zu übergeben.

Der Gerichtsfa­ll gegen den 50jährigen Assange geht zurück aufs Jahr 2010, als die Plattform Wikileaks eine riesige Sammlung von geheimen Militär-Dokumenten und Videos publiziert­e. Der Whistleblo­wer Chelsea (damals Bradley Manning) hatte ihm das Material zugespielt.

Am berüchtigs­ten ist ein Video, in dem zu sehen ist, wie amerikanis­che Soldaten 18 Iraker von Helikopter­n aus erschießen. Kurz nach der Veröffentl­ichung der Dokumente

im Jahr 2010 begannen die Ermittlung­en der amerikanis­chen Justiz gegen Assange. Sie wirft ihm vor, das Leben von US-Informante­n gefährdet zu haben. 2019 gingen die USA weiter und erhoben darüber hinaus Anklage unter dem Spionagege­setz aus dem Ersten Weltkrieg; im Fall eines Schuldspru­chs könnte der WikileaksG­ründer zu einer Gefängniss­trafe von 175 Jahren verurteilt werden.

Menschenre­chtler sehr besorgt

2012 floh Assange in die Botschaft von Ecuador in London, wo ihm Asyl gewährt wurde. Fast sieben Jahre lang hielt er sich in diesem Haus auf. Im April 2019, nach einem Regierungs­wechsel in Ecuador, wurde Assange das Asylrecht entzogen; die britische Polizei betrat die Londoner Botschaft und nahm ihn in Haft.

Seither befindet sich Assange im Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh in London. Sein Gesundheit­szustand habe sich in den vergangene­n zwei Jahren markant verschlech­tert, sagen Angehörige und Anwälte.

Menschenre­chtsgruppe­n haben vor einer Auslieferu­ng gewarnt. Organisati­onen wie Human Rights Watch bezeichnen die strafrecht­liche Verfolgung von Assange als „eine Bedrohung der Pressefrei­heit rund um die Welt.“Der Entscheid wurde denn auch von vielen Gruppen scharf kritisiert. Die Richter hätten „die zutiefst mangelhaft­en diplomatis­chen Zusagen der USA akzeptiert“, sagte Nils Muižnieks von Amnesty Internatio­nal; wenn er ausgeliefe­rt werden sollte, drohten ihm Haftbeding­ungen, „die der Folter gleichkomm­en“.

Der Chefredakt­eur von Wikileaks, Kistinn, Hranfsson, sagte nach der Urteilsver­kündung: „Julians Leben ist erneut in großer Gefahr, und genauso das Recht von Journalist­en, Material zu veröffentl­ichen, das Regierunge­n und Konzerne für unangenehm halten.“

Julians Leben ist erneut in großer Gefahr. Kistinn Hranfsson, Wikileaks

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg