Afrikas schleppende Impfkampagne
Impfstoffdosen müssen teils zurückgeschickt werden oder überschreiten unverimpft das Verfallsdatum
Weniger als acht Prozent der afrikanischen Bevölkerung sind bisher vollständig gegen Covid-19 geimpft. Bisher fehlte dem Kontinent der Zugang zu genügend Impfdosen. Reiche Staaten standen in der Kritik, die wertvollen Vakzine zu horten. Aber jetzt, da zuletzt mehr Dosen Afrika erreichten, wirft sich eine neue Frage auf: Sind die Gesundheitssysteme für eine Massen-Impfkampagne überhaupt bereit?
Nigeria sorgte zu Wochenbeginn für Schlagzeilen: In Afrikas bevölkerungsreichstem Land sollen letzten Monat fast eine Million Dosen von Astrazeneca unverimpft das Verfallsdatum überschritten haben. Dabei sind bisher weniger als zwei Prozent der Nigerianer gegen Corona geimpft. Dem Direktor der kontinentalen Gesundheitsbehörde, John Nkengasong, zufolge erkläre sich Afrikas schleppender Impferfolg weniger durch Angst oder Skepsis in der Bevölkerung:
„Wir beobachten, dass viel mehr Vakzine ankommen, aber Logistik und Verteilung stellen eine Herausforderung dar.“Bisher hätten laut WHO nur sechs von 54 afrikanischen Ländern das Etappenziel erreicht, bis Jahresende 40 Prozent ihrer Bürger zu impfen. Seit Ausbruch der Pandemie kämpfen Aktivisten und Schwellenländer deshalb unter der Führung Südafrikas und Indiens für eine Aufhebung der Patente auf Impfstoffe.
Logistikprobleme
Doch einige Experten sind skeptisch. Morena Makhoana ist Geschäftsführer des Kapstädter Impfstoffproduzenten Biovac, der künftig das Serum von Biontech/Pfizer in Dosen abfüllen und auf dem Kontinent vertreiben soll. Im dritten Quartal 2022 soll es losgehen. Erfolge mit diesem Konzept verzeichnet bereits der südafrikanische Pharmakonzern Aspen. Er produziert den fertigen Impfstoff von Johnson & Johnson für Afrika. „Manche Länder sind weiter als andere und wir begrüßen, dass immer mehr Akteure in den Sektor einsteigen“, so Makhoana. Allerdings brauche es selbst in fortschrittlicheren Ländern wie Südafrika „vier bis fünf Jahre“, um eine Fabrik für Covid-Impfstoffe von Grund auf hochzuziehen. Bis dahin bleibe nur die Zusammenarbeit mit den Pharmariesen – und Industriestaaten.
Die gestaltet sich aber schwierig, wie Ende November afrikanische Gesundheitspolitiker kritisierten. Die Impfstofflieferungen seien überschattet von Chaos; gespendete Dosen landeten ohne Vorbereitung und kurz vor Ablauf auf afrikanischem Boden. Dabei müssten ankommende Impfstoffe noch mindestens zehn Wochen haltbar sein und im Idealfall mit Injektionen geliefert werden. Nur so könne Afrika die Zahl der Geimpften steigern.
In der Demokratischen Republik Kongo sind laut Africa CDC bisher knapp 0,1 Prozent der Bevölkerung geimpft. Laut Berichten musste die Regierung im April mehr als 1,7 Millionen Impfdosen an Nachbarländer weiterleiten, da sie selbst keine Kapazitäten hatte. Prinzipiell sei die Impfrate in Konfliktzonen „verstörend gering“. So warnte vorige Woche das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). „Die Zehnmillionen Menschen zu impfen, die in Konfliktregionen und anderen schwer erreichbaren Gegenden leben, ist eine absolute Notwendigkeit, wollen wir die Covid-19-Pandemie beenden“, so Vertreterin Esperanza Martinez.
Laut Medizinaktivistin Sehoma tragen reichere Länder „große Verantwortung“, Afrikas Impfkampagne voranzutreiben. Zu lange hätten sie den Kontinent von lebensrettenden Impfstoffen abgeschnitten. „Das Auftauchen der Omikron-Variante ist ein treffendes Beispiel dafür, wie das Virus weiter mutiert, wenn kein gleichberechtigter Zugang zu medizinischem Werkzeug gegen Covid-19 herrscht.“