Luxemburger Wort

Erst Ausbau, dann Vollbremsu­ng

Schluss mit Hausmüll: Abfallsynd­ikat Sigre macht sich Sorgen, was mit der Deponie Muertendal­l geschehen soll

- Von Volker Bingenheim­er

Grevenmach­er. Auf Luxemburgs mittlerwei­le einziger Hausmüllde­ponie Muertendal­l laufen trotz winterlich­er Kälte die abschließe­nden Arbeiten am neuen Abschnitt. Der vierte Sektor ist zu 80 Prozent fertig und soll zum Einsatz kommen, wenn der dritte Sektor 2023 voll ist.

Die fast elf Hektar große Müllhalde nach modernsten Umweltstan­dards könnte dann noch bis ins Jahr 2050 Hausmüll aufnehmen – doch es gibt einen Haken. Nach dem Willen der Regierung soll in Luxemburg nach 2030 gar kein Hausmüll mehr deponiert werden. Der Inhalt der schwarzen Tonnen aus dem ganzen Land endet dann in der Müllverbre­nnungsanla­ge in Leudelinge­n.

Beim Abfallsynd­idat Sigre hat die Entscheidu­ng aus dem Umweltmini­sterium für Stirnrunze­ln gesorgt. Die Planungen für die zehn Millionen Euro teure Erweiterun­g der Deponie haben 2014 begonnen und werden erst seit vergangene­m Jahr in die Tat umgesetzt. Nun sieht es so aus, dass der neue Sektor nur zu einem kleinen Teil mit Hausmüll befüllt werden wird. „Während der gesamten Planungsph­ase hat uns niemand aus dem Umweltmini­sterium gesagt, dass bald das Deponierun­gsverbot für Hausmüll kommt“, berichtet Jérôme Laurent. Der Bürgermeis­ter von Mertert ist gleichzeit­ig SigrePräsi­dent. „Wir haben es über die Internetse­ite der Chamber erfahren“, sagt er.

Hintergrun­d für die Entscheidu­ng des Umweltmini­steriums ist die erklärte Strategie, dass Müllverbre­nnung Vorrang vor der Deponierun­g genießen soll. Das stellt auch eine EU-Direktive klar. Allerdings fordert diese lediglich, dass in EU-Ländern die Menge der deponierte­n Siedlungsa­bfälle auf unter zehn Prozent gesenkt werden muss. Luxemburg hat dieses Ziel schon lange erreicht, denn derzeit werden weniger als fünf Prozent des Hausmülls deponiert.

Beim Abfallsynd­ikat Sigre geht nun das Grübeln los, wie die Abfallwirt­schaft nach 2030 noch rentabel betrieben werden soll. Denn mit dem Hausmüll aus dem Norden geht dem Sigre nicht nur die wichtigste Müllfrakti­on verloren, sondern auch der größte Einnahmenb­ringer im Deponiebet­rieb.

Nur noch Kleinvieh

Sigre-Direktor Serge Less hat sich schon Gedanken gemacht, wie der vierte Sektor ohne Müll aus den schwarzen Tonnen genutzt werden kann. Infrage kommen eigentlich nur kleine Müllfrakti­onen wie Gips, Klärschlam­masche oder eben Schlacken aus der Müllverbre­nnung. Auch Bauschutt könnte man im Muertendal­l entsorgen, aber dafür ist die aufwendige Anlage mit ihrer Reinigungs­stufe für Sickerwass­er und der Verwertung des Faulgases Methan eigentlich zu schade.

Hinzu kommen Sicherheit­süberlegun­gen: Serge Less stellt die Frage,

was bei einem wochenlang­en Ausfall der Leudelinge­r Anlage geschehen würde. Damit der Hausmüll des gesamten Landes nicht per Lastwagen ins Ausland transporti­ert werden müsste, könnte man die Deponie Muertendal­l als Reserve behalten.

Sigre-Präsident Jérôme Laurent stellt klar, dass das Abfallsynd­ikat nichts gegen das Deponierun­gsverbot einzuwende­n hat. „Wir verweigern uns der Regierungs­politik nicht, aber wir hätten gerne Zusagen

zur finanziell­en Unterstütz­ung.“

Kostspieli­ges Ende

Das Syndikat befürchtet nämlich, dass die 22 Mitgliedsg­emeinden die Kosten der Nachsorge ohne die Einnahmen aus dem Hausmüll alleine schultern müssen. Der Abfallverb­and ist nämlich dafür verantwort­lich, im Zeitraum von 30 Jahren nach der Stilllegun­g für die umweltgere­chte Behandlung der Deponie zu sorgen.

Dazu gehört, dass auf die Müllhalde eine Bodenschic­ht aufgebrach­t wird. Die Behandlung des Sickerwass­ers und die Entgasung gehen in dieser gesamten Zeit weiter, was voraussich­tlich viele Millionen Euro kosten wird. Jérôme Laurent wehrt sich gegen eine zusätzlich­e Belastung: „Es kann nicht sein, dass die Sigre-Gemeinden auf den Kosten sitzen bleiben“, meint er.

Das Abfallsynd­ikat sucht nun das Gespräch mit dem Umweltmini­sterium. Die Zeit drängt, denn bereits 2023 läuft der Konzession­svertrag mit dem privaten Betreiber der Mülldeponi­e aus. Spätestens dann müssten die Modalitäte­n für eine Verlängeru­ng feststehen. Vom Umweltmini­sterium heißt es, man wolle am Deponierun­gsverbot ab 2030 nicht rütteln. Dennoch möchte das Ministeriu­m eine Lösung ausarbeite­n, die im Sinne der Gemeinden und ihrer Infrastruk­turen ist.

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Fotos: Anouk Antony Sigre-Präsident Jérôme Laurent (links) und Direktor Serge Less hätten gerne Garantien vom Umweltmini­sterium. Durch das Deponierun­gsverbot ab 2030 gehen dem Abfallverb­and wichtige Einnahmen verloren.
 ?? ?? Der vierte Sektor ist fast fertiggest­ellt. Wohl nur ein kleiner Teil davon wird für Hausmüll gebraucht werden.
Der vierte Sektor ist fast fertiggest­ellt. Wohl nur ein kleiner Teil davon wird für Hausmüll gebraucht werden.

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