„Eine intensive Zeit“
Dan Biancalana (LSAP) über die Akzente in seinem Budgetbericht
Ja, durch seinen Job als Bürgermeister bringe er eine Affinität für die Haushaltspolitik mit, stellt Dan Biancalana fest – um sogleich einzuräumen, dass der Staatshaushalt eine „ganz andere Größenordnung“sei. Bei der Bewältigung der Mission des Budgetberichterstatters habe ihm schon eher geholfen, dass er seit rund anderthalb Jahren dem parlamentarischen Finanzausschuss angehört, so der LSAP-Politiker.
Dan Biancalana, inwieweit hat die Idee, die sie von der Aufgabe des Budgetberichterstatters hatten, letztlich der Wirklichkeit entsprochen?
Ich behalte für mich zurück, dass es eine sehr intensive Zeit gewesen ist. Die Aufgabe erweist sich als sehr vielfältig und voluminös. Man muss sich in die Materie einlesen, ich habe beispielsweise vorherige Budgetberichte gelesen und mich mit den verschiedenen Gutachten zum Etatentwurf befasst. Zusammen mit den Unterredungen, die man führt, in den parlamentarischen Ausschüssen, mit anderen Institutionen oder der Zivilgesellschaft, erhält man ein umfassendes Bild, was ich als sehr bereichernde Erfahrung empfinde.
Der Berichterstatter drückt seiner Arbeit einen persönlichen Stempel auf. Bei Ihnen ist es die Sicherheit mit ihren vielen Facetten.
Ausgehend von dem existenziellen Bedürfnis nach Sicherheit, nach der jeder in seinem Alltag strebt, habe ich dieses Bedürfnis auf die verschiedenen Lebenssituationen heruntergebrochen und zeichne Wege auf, wie Sicherheit gewährleistet werden kann, ob im Wohnungsbau, in der Bildung, im Gesundheitsbereich und im Sozialen, aber auch bei Polizei und Justiz. Wichtig ist mir dabei auch, den demografischen Faktor einzubeziehen, weil Sicherheit je nach Alter eine andere Bedeutung hat.
Welche wesentliche Erkenntnis nehmen sie insbesondere aus den Gesprächen mit den Akteuren aus der Zivilgesellschaft mit?
Auch wenn es nicht die eine Erkenntnis gibt, so behalte ich aus den Unterredungen mit den Akteuren aus dem Sozialmilieu zurück, dass Sicherheit für sie und die Menschen, die sie betreuen, bedeutet, ein Leben in Würde und Autonomie führen zu dürfen. Entsprechend sind folglich die Erwartungen
an die Politik, dies zu gewährleisten.
Besonders als LSAP-Politiker muss es Sie dann nachdenklich stimmen, dass das Sozialbudget einerseits zwar mit 47 Prozent den Löwenanteil der Ausgaben ausmacht. Andererseits ist das Armutsrisiko das höchste seit 2005.
Wir sind mit einer zweideutigen Lage konfrontiert. Einerseits sind die Ungleichheiten auch dank rezenter Maßnahmen nicht gestiegen. Andererseits bleibt die Armut präsent. Auch wenn es nicht von heute auf morgen gelingt, so müssen wir den Ungleichheiten mit weiteren sozialen Schritten entgegentreten. Dabei müssen wir auch auf punktuelle Entwicklungen reagieren: Beispielsweise wenn Sozialämter berichten, dass infolge der Pandemie Menschen vorstellig werden, die bis dahin ihr Leben ohne Unterstützung bestreiten konnten.
Nach Ansicht der Staatsbeamtenkammer hätten die Sozialleistungen stärker ausfallen können. Auch ihr Fraktionschef Georges Engel zeigte sich bei der Vorstellung des Etatentwurfs nur bedingt zufrieden. Wo hätte der Finanzminister noch weiter gehen können?
Bei der Teuerungszulage, die nun um 200 Euro je Haushalt erhöht wird, sollten wir uns nochmals mit den Tabellen befassen, die die Nutznießer definieren. Und wir sollten uns spezifisch um Alleinerziehende kümmern, weil dort das Armutsrisiko erwiesenermaßen am höchsten ist.
Einerseits sind die Ungleichheiten auch dank rezenter Maßnahmen nicht gestiegen. Andererseits bleibt die Armut präsent.
Eine Problematik, die bei der Budgetpräsentation am Rande erwähnt wurde, sind die hohen Energiepreise und das Risiko der Energiearmut, über das die Chamber kürzlich debattierte. Wie kann es gerade in diesem Punkt gelingen, soziale und ökologische Aspekte in Einklang zu bringen?
Die Energie ist ein treffendes Beispiel für die soziale Abfederung der Klimapolitik. Da kann zum einen die Anhebung der Teuerungszulage helfen, wenn die Preise wie jetzt steigen. Wollen wir im Logement klimapolitisch vorankommen und den sozialen Faktor einbeziehen, müssen wir uns dem Verhältnis Mieter/Besitzer zuwenden. Letztlich müssen wir den Besitzer mit finanziellen Anreizen dazu bewegen, sein
Haus energetisch zu sanieren. So verhindern wir, dass der Mieter die Kosten bei steigenden Gasund Heizölpreisen tragen muss.
Und ganz generell: Schafft es dieser Etatentwurf, die ökologische und die soziale Gerechtigkeit zu vereinbaren?
Das Budget enthält Maßnahmen, die beiden Herausforderungen gerecht werden. Im Sozialen will ich neben der Teuerungszulage die Revis-Anhebung erwähnen. Unseren ökologischen Fußabdruck wollen wir zum einen mit
der Umsetzung des Klimaplans reduzieren. Zum anderen durch die weitreichenden Investitionen bei der Mobilität und der Förderung des öffentlichen Transports.
Zu den großen Herausforderungen zählt der Wohnungsbau. Angesichts des immensen Investitionsvolumens fallen die 255 Millionen Euro für den Wohnungsbau eher bescheiden aus.
Das muss man nuancierter betrachten. Im Fonds spécial logement sind 228 Millionen Euro vorgesehen; das entspricht einem
Plus von 77 Prozent gegenüber 2021. Zudem kann diese Ausgabe auch höher ausfallen, falls es mehr Bauprojekte zu bezuschussen gibt, da sie nicht jahresgebunden ist. Dann eröffnet der Pacte logement 2.0 den Gemeinden neue Perspektiven, um im Wohnungsbau verstärkt aktiv zu werden, die sich nicht im Staatshaushalt niederschlagen.
Pierre Gramegna (DP) war bei der Präsentation seines Haushaltes darauf bedacht, ein positives Bild zu zeichnen. Nun hat die CoronaKrise Luxemburg mehr denn je fest im Griff. Wie kann die Budgetpolitik zur Aufhellung der Atmosphäre beitragen?
Wir haben eine Reihe von positiven Akzenten, die sich wirtschaftlich stabilisierend auswirken und das luxemburgische Sozialmodell aufrechterhalten: Das Wachstum wird für 2022 mit 3,5
Prozent prognostiziert, es wurden in der Krise sowohl Stellen geschaffen als auch rund 15 000 Arbeitsplätze erhalten, unter anderem durch die Kurzarbeitsregelung. Darauf lässt sich die weitere Entwicklung aufbauen. Trotz dieser guten Zahlen muss die Botschaft weiter lauten, dass die Krise nicht vorbei ist. Und so muss die Politik darauf bedacht sein, ausgleichend zu handeln, vor allem sozialpolitisch. Für das Budget bedeutet dies, keine neuen Gräben entstehen zu lassen und dazu beizutragen, bestehende Gräben zu überwinden. Generell steht die Politik vor der Aufgabe, einerseits Verständnis aufzubringen, wenn sich jemand mit dem vorgeschlagenen Weg schwer tut und andererseits daraus resultierende Gewaltausbrüche als inakzeptabel zu verurteilen.
Mit Wachstum wird, wie Sie eben unterstrichen, der Betrieb des Sozialmodells gewährleistet. Die Frage der Absicherung dieses Modells, die beispielsweise der Conseil national des finances publiques anhand der Renten stellt, steht unbeantwortet im Raum.
Wobei eher die Mehrjahresplanung als das Budget Ansätze für Antworten liefert. Da sehen wir, dass das Saldo der Sécurité sociale
Das Budget dürfe keine Spaltung provozieren, spannt Dan Biancalana den Bogen zwischen der Gestaltung der Haushaltspolitik und der Bewältigung der Pandemie.
Die Steuerreform ist nicht vergessen.