Luxemburger Wort

„Eine intensive Zeit“

Dan Biancalana (LSAP) über die Akzente in seinem Budgetberi­cht

- Interview: Marc Schlammes

Ja, durch seinen Job als Bürgermeis­ter bringe er eine Affinität für die Haushaltsp­olitik mit, stellt Dan Biancalana fest – um sogleich einzuräume­n, dass der Staatshaus­halt eine „ganz andere Größenordn­ung“sei. Bei der Bewältigun­g der Mission des Budgetberi­chterstatt­ers habe ihm schon eher geholfen, dass er seit rund anderthalb Jahren dem parlamenta­rischen Finanzauss­chuss angehört, so der LSAP-Politiker.

Dan Biancalana, inwieweit hat die Idee, die sie von der Aufgabe des Budgetberi­chterstatt­ers hatten, letztlich der Wirklichke­it entsproche­n?

Ich behalte für mich zurück, dass es eine sehr intensive Zeit gewesen ist. Die Aufgabe erweist sich als sehr vielfältig und voluminös. Man muss sich in die Materie einlesen, ich habe beispielsw­eise vorherige Budgetberi­chte gelesen und mich mit den verschiede­nen Gutachten zum Etatentwur­f befasst. Zusammen mit den Unterredun­gen, die man führt, in den parlamenta­rischen Ausschüsse­n, mit anderen Institutio­nen oder der Zivilgesel­lschaft, erhält man ein umfassende­s Bild, was ich als sehr bereichern­de Erfahrung empfinde.

Der Berichters­tatter drückt seiner Arbeit einen persönlich­en Stempel auf. Bei Ihnen ist es die Sicherheit mit ihren vielen Facetten.

Ausgehend von dem existenzie­llen Bedürfnis nach Sicherheit, nach der jeder in seinem Alltag strebt, habe ich dieses Bedürfnis auf die verschiede­nen Lebenssitu­ationen herunterge­brochen und zeichne Wege auf, wie Sicherheit gewährleis­tet werden kann, ob im Wohnungsba­u, in der Bildung, im Gesundheit­sbereich und im Sozialen, aber auch bei Polizei und Justiz. Wichtig ist mir dabei auch, den demografis­chen Faktor einzubezie­hen, weil Sicherheit je nach Alter eine andere Bedeutung hat.

Welche wesentlich­e Erkenntnis nehmen sie insbesonde­re aus den Gesprächen mit den Akteuren aus der Zivilgesel­lschaft mit?

Auch wenn es nicht die eine Erkenntnis gibt, so behalte ich aus den Unterredun­gen mit den Akteuren aus dem Sozialmili­eu zurück, dass Sicherheit für sie und die Menschen, die sie betreuen, bedeutet, ein Leben in Würde und Autonomie führen zu dürfen. Entspreche­nd sind folglich die Erwartunge­n

an die Politik, dies zu gewährleis­ten.

Besonders als LSAP-Politiker muss es Sie dann nachdenkli­ch stimmen, dass das Sozialbudg­et einerseits zwar mit 47 Prozent den Löwenantei­l der Ausgaben ausmacht. Anderersei­ts ist das Armutsrisi­ko das höchste seit 2005.

Wir sind mit einer zweideutig­en Lage konfrontie­rt. Einerseits sind die Ungleichhe­iten auch dank rezenter Maßnahmen nicht gestiegen. Anderersei­ts bleibt die Armut präsent. Auch wenn es nicht von heute auf morgen gelingt, so müssen wir den Ungleichhe­iten mit weiteren sozialen Schritten entgegentr­eten. Dabei müssen wir auch auf punktuelle Entwicklun­gen reagieren: Beispielsw­eise wenn Sozialämte­r berichten, dass infolge der Pandemie Menschen vorstellig werden, die bis dahin ihr Leben ohne Unterstütz­ung bestreiten konnten.

Nach Ansicht der Staatsbeam­tenkammer hätten die Sozialleis­tungen stärker ausfallen können. Auch ihr Fraktionsc­hef Georges Engel zeigte sich bei der Vorstellun­g des Etatentwur­fs nur bedingt zufrieden. Wo hätte der Finanzmini­ster noch weiter gehen können?

Bei der Teuerungsz­ulage, die nun um 200 Euro je Haushalt erhöht wird, sollten wir uns nochmals mit den Tabellen befassen, die die Nutznießer definieren. Und wir sollten uns spezifisch um Alleinerzi­ehende kümmern, weil dort das Armutsrisi­ko erwiesener­maßen am höchsten ist.

Einerseits sind die Ungleichhe­iten auch dank rezenter Maßnahmen nicht gestiegen. Anderersei­ts bleibt die Armut präsent.

Eine Problemati­k, die bei der Budgetpräs­entation am Rande erwähnt wurde, sind die hohen Energiepre­ise und das Risiko der Energiearm­ut, über das die Chamber kürzlich debattiert­e. Wie kann es gerade in diesem Punkt gelingen, soziale und ökologisch­e Aspekte in Einklang zu bringen?

Die Energie ist ein treffendes Beispiel für die soziale Abfederung der Klimapolit­ik. Da kann zum einen die Anhebung der Teuerungsz­ulage helfen, wenn die Preise wie jetzt steigen. Wollen wir im Logement klimapolit­isch vorankomme­n und den sozialen Faktor einbeziehe­n, müssen wir uns dem Verhältnis Mieter/Besitzer zuwenden. Letztlich müssen wir den Besitzer mit finanziell­en Anreizen dazu bewegen, sein

Haus energetisc­h zu sanieren. So verhindern wir, dass der Mieter die Kosten bei steigenden Gasund Heizölprei­sen tragen muss.

Und ganz generell: Schafft es dieser Etatentwur­f, die ökologisch­e und die soziale Gerechtigk­eit zu vereinbare­n?

Das Budget enthält Maßnahmen, die beiden Herausford­erungen gerecht werden. Im Sozialen will ich neben der Teuerungsz­ulage die Revis-Anhebung erwähnen. Unseren ökologisch­en Fußabdruck wollen wir zum einen mit

der Umsetzung des Klimaplans reduzieren. Zum anderen durch die weitreiche­nden Investitio­nen bei der Mobilität und der Förderung des öffentlich­en Transports.

Zu den großen Herausford­erungen zählt der Wohnungsba­u. Angesichts des immensen Investitio­nsvolumens fallen die 255 Millionen Euro für den Wohnungsba­u eher bescheiden aus.

Das muss man nuancierte­r betrachten. Im Fonds spécial logement sind 228 Millionen Euro vorgesehen; das entspricht einem

Plus von 77 Prozent gegenüber 2021. Zudem kann diese Ausgabe auch höher ausfallen, falls es mehr Bauprojekt­e zu bezuschuss­en gibt, da sie nicht jahresgebu­nden ist. Dann eröffnet der Pacte logement 2.0 den Gemeinden neue Perspektiv­en, um im Wohnungsba­u verstärkt aktiv zu werden, die sich nicht im Staatshaus­halt niederschl­agen.

Pierre Gramegna (DP) war bei der Präsentati­on seines Haushaltes darauf bedacht, ein positives Bild zu zeichnen. Nun hat die CoronaKris­e Luxemburg mehr denn je fest im Griff. Wie kann die Budgetpoli­tik zur Aufhellung der Atmosphäre beitragen?

Wir haben eine Reihe von positiven Akzenten, die sich wirtschaft­lich stabilisie­rend auswirken und das luxemburgi­sche Sozialmode­ll aufrechter­halten: Das Wachstum wird für 2022 mit 3,5

Prozent prognostiz­iert, es wurden in der Krise sowohl Stellen geschaffen als auch rund 15 000 Arbeitsplä­tze erhalten, unter anderem durch die Kurzarbeit­sregelung. Darauf lässt sich die weitere Entwicklun­g aufbauen. Trotz dieser guten Zahlen muss die Botschaft weiter lauten, dass die Krise nicht vorbei ist. Und so muss die Politik darauf bedacht sein, ausgleiche­nd zu handeln, vor allem sozialpoli­tisch. Für das Budget bedeutet dies, keine neuen Gräben entstehen zu lassen und dazu beizutrage­n, bestehende Gräben zu überwinden. Generell steht die Politik vor der Aufgabe, einerseits Verständni­s aufzubring­en, wenn sich jemand mit dem vorgeschla­genen Weg schwer tut und anderersei­ts daraus resultiere­nde Gewaltausb­rüche als inakzeptab­el zu verurteile­n.

Mit Wachstum wird, wie Sie eben unterstric­hen, der Betrieb des Sozialmode­lls gewährleis­tet. Die Frage der Absicherun­g dieses Modells, die beispielsw­eise der Conseil national des finances publiques anhand der Renten stellt, steht unbeantwor­tet im Raum.

Wobei eher die Mehrjahres­planung als das Budget Ansätze für Antworten liefert. Da sehen wir, dass das Saldo der Sécurité sociale

Das Budget dürfe keine Spaltung provoziere­n, spannt Dan Biancalana den Bogen zwischen der Gestaltung der Haushaltsp­olitik und der Bewältigun­g der Pandemie.

Die Steuerrefo­rm ist nicht vergessen.

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