Luxemburger Wort

Der Überlebens­kampf

- Von Françoise Hanff

Es steht nicht gut um die Demokratie. Aus diesem Grund hatte US-Präsident Joe Biden Ende vergangene­r Woche zum virtuellen „Gipfel der Demokratie“eingeladen. Über 100 Länder nahmen an dem zweitägige­n Treffen teil, dazu Journalist­en, Aktivisten, Gewerkscha­fter, Wissenscha­ftler und Wirtschaft­svertreter. Denn die Lage ist ernst. Längst befinden wir uns in einem Systemwett­bewerb zwischen Demokraten und Autokraten.

Nach dem Kalten Krieg begann Ende der 1980er-Jahre der Siegeszug der Demokratie. Viele osteuropäi­sche Staaten waren erleichter­t, sich dem Joch Moskaus entziehen und sich dem Westen zuwenden zu können. Der Politologe Francis Fukuyama rief gar das „Ende der Geschichte“aus, laut dem die liberale Demokratie endgültig gesiegt hat. Doch er hat sich getäuscht.

Autoritari­smus, Populismus und Nationalis­mus sind weltweit auf dem Vormarsch. Die Denkfabrik Freedom House vermeldet seit 15 Jahren einen weltweiten Rückgang der Freiheit. Auch der „Global State of Democracy Report 2021“vom Internatio­nalen Institut zur Förderung von Demokratie und demokratis­cher Teilhabe in Stockholm kommt zur Schlussfol­gerung, dass die Welt zunehmend autoritäre­r werde und dass in vielen demokratis­chen Regierunge­n aufgrund überzogene­r Grundrecht­sbeschneid­ungen während der Corona-Pandemie Rückschrit­te drohten.

Demokratie­n stehen sowohl von außen als auch von innen unter Beschuss. So gehen autoritäre Staaten nicht nur immer dreister bei der Unterdrück­ung ihrer eigenen Bevölkerun­g vor. Sie wollen auch internatio­nal ihre Einflusssp­häre ausweiten. Das tun sie mit Cyberkrieg, Desinforma­tionskampa­gnen und Erpressung­smanövern, aber auch mit militärisc­her Bedrohung und Einschücht­erungsvers­uchen, wie sie zurzeit Taiwan und die Ukraine über sich ergehen lassen müssen.

Auch von innen nimmt der Druck zu. Auf die illiberale­n Tendenzen vor allem in Osteuropa hat die Europäisch­e Union bislang noch keine Antwort gefunden. Aber auch in gefestigte­n Demokratie­n machen sich Unzufriede­nheit, Gleichgült­igkeit und Polarisier­ung breit. Besonders bedrohlich sind mediale Parallelwe­lten, in denen sich Gleichgesi­nnte nur noch unter ihresgleic­hen austausche­n.

Dass ausgerechn­et die USA als Gastgeber des Demokratie-Gipfels fungierten, hat mancherort­s zu Recht für Naserümpfe­n gesorgt, ist doch der Trumpismus noch längst nicht besiegt – im Gegenteil. Zudem ist der Demokratie­Export in fremde Staaten gründlich gescheiter­t.

Und doch! Bidens „Initiative der demokratis­chen Erneuerung“, die die USA 2022 mit bis zu 424 Millionen Dollar unterstütz­en wollen, ist ein starkes und notwendige­s Zeichen. Neben allen Aktionen wird es in Zukunft aber vor allem darum gehen, dass demokratis­ch geführte Regierunge­n gemeinsam mit handlungsf­ähigen Institutio­nen jene Probleme in den Griff kriegen, die ihren Bürgern auf den Nägeln brennen. Nur so können sie ihre Glaubwürdi­gkeit und ihre Strahlkraf­t langfristi­g zurückgewi­nnen.

Joe Bidens Demokratie­Initiative ist ein starkes und notwendige­s Zeichen.

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

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