Luxemburger Wort

Wellness mit Blitz

Die SPD wählt ihre Führung neu – und das geht für die Linken in der Partei nur mäßig gut aus

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Der Blitz schlägt ein wenige Minuten nach drei. Bis dahin hat die SPD sich eine Art Wellnesspa­rteitag gegönnt. Und sie hat zum Wohlfühlen ja auch allen Grund. Am Dienstag hat die Partei mit Grünen und FDP den Koalitions­vertrag unterschri­eben für die sogenannte Ampel. Am Mittwoch dann hat der Bundestag Olaf Scholz zum vierten sozialdemo­kratischen Kanzler gewählt. Und seit Donnerstag legt die neue Bundesregi­erung los.

Im Grunde genommen ist das ja immer noch eine Sensation. 13 Prozent, trotzdem Kanzlerkan­didat, Spott und Hohn – die Geschichte ist oft erzählt. Auch, dass die Sache vielleicht anders ausgegange­n wäre, hätte sich die Union nicht so dumm angestellt. Egal: Die SPD jedenfalls hat sich zusammenge­rissen, einen Wahlkampf wie aus einem Guss hingelegt, kein Streit, keine Sticheleie­n aus dem Off – Scholz kriegte von der Partei exakt die „Beinfreihe­it“, die acht Jahre zuvor Peer Steinbrück vergeblich eingeforde­rt hatte, und von der vor vier Jahren für Martin Schulz schon gar keine Rede mehr war.

Zerstritte­ne Partei geeint

Dass es 2021 dann so gut funktionie­rt – das hat viel mit Lars Klingbeil zu tun, mit Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans. Klingbeil hat als Generalsek­retär den Wahlkampf organisier­t, Esken und ihr nicht nur in der SPD Nowabo genannter Chef-Kollege haben Scholz – der gemeinsam mit der neuen Bauministe­rin Klara Geywitz gegen die beiden um den Vorsitz angetreten war und verloren hatte – sein Ding machen lassen. Beiden kann das nicht leicht gefallen sein, Esken aber richtig schwer. Denn Scholz steht in der SPD dezidiert rechts – sie aber links. Gemeinsam mit Nowabo und mit Klingbeil hat Esken die nicht nur darniederl­iegende, sondern dazu extrem zerstritte­ne SPD – die Flügel hatten sich kaum noch etwas zu sagen, noch weniger aber Parteiführ­ung und Basis – wieder zu einer Einheit gefügt. Zumindest nach außen. Was ja genügt. Am Ende von zwei Jahren wirklicher Kärrnerarb­eit ist die SPD zurück im Kanzleramt. Walter-Borjans sieht damit sein Werk getan. Esken aber – die auch mit einem Ministeriu­m liebäugelt­e – will Parteichef­in bleiben. Und Klingbeil – ebenfalls als Minister gehandelt – will Co-Chef sein. Als Generalsek­retär soll ihm der Ex-Juso-Chef

Kevin Kühnert folgen, wie Esken dezidiert links.

Seit das heraus ist, nimmt das Regierungs­viertel die Personalie­n durch. Und spekuliert: Wird Kühnert die Partei gegen Scholz aufstellen? Oder Scholz die Partei unterjoche­n? Oder wird die SPD es zum ersten Mal seit Willy Brandt schaffen zu regieren, ohne dass die Partei leidet und ächzt und am Zerreißen entlangbal­anciert?

Die Bilanz- und Bewerbungs­reden von Klingbeil und Esken beim Parteitag am Samstag sagen dazu nichts. Klingbeil wiederholt die neue Scholz-Erzählung vom „sozialdemo­kratischen Jahrzehnt“, das jetzt beginnt. Esken sagt Richtung Scholz: „Dieses Land hofft auf dich.“Und verspricht: „Wir werden alles beitragen, dass du erfolgreic­h bist.“Bei Kühnert wird das später ein bisschen anders klingen.

Aber erst wählt der Parteitag – allein das Spitzenper­sonal aus Bund und Ländern ist in Berlin, der Rest digital zugeschalt­et – die Vorsitzend­en. 86,3 Prozent für Klingbeil – 76,7 für Esken; für sie ist das nur ein knappes Prozentche­n mehr als vor zwei Jahren. Zack. Blitz. Vorbei mit Wellness. Esken nickt – aber trotz Maske ist klar: Da ist keine Freude in ihrem Gesicht. Ihre Loyalität zu Scholz wird nicht belohnt. Ein paar Genossinne­n streicheln ihr beim Gratuliere­n tröstend den Rücken.

Natürlich: Es muss nicht an Eskens innerparte­ilicher Verortung liegen. Oft wird ihr auch ihre Sprödigkei­t vorgehalte­n. Da ist sie in etwa das Gegenteil von Kühnert. Der ist ein Multitalen­t: Hat klare programmat­ische Vorstellun­gen, ist rhetorisch begabt – und obendrein hoch kommunikat­iv.

Scholz durchschau­t die Botschaft Seine Fünf-Minuten-Bewerbungs­rede beweist es. Und wer genau hinhört, kann sie als eine sanfte, aber deutliche Ansage an den neuen Kanzler verstehen. „Fraktion und Regierung“, sagt Kühnert, „sind für uns als Partei unsere Hände.“Die Partei aber „ist Kopf und Herz“.

Scholz durchschau­t die Botschaft, was sonst. Er sieht während Kühnerts Rede nicht begeistert aus; aber er applaudier­t. Kühnert kriegt 77,78 Prozent – eine Winzigkeit mehr als Esken.

Man kann das als Rückendeck­ung des Parteitags für den neuen Kanzler verstehen. Aber genauso gut als Erkenntnis aus mehrfach gehabtem Schaden. Als Olaf Scholz sich gegen Ende seiner Rede „für die Aufträge“bedankt – spielt kurz ein Lächeln um seinen Mund; ein zumindest zart spöttische­s. Zuvor hat er gesagt: „Ich setze darauf, dass ihr diese Arbeit unterstütz­t.“Gemeint ist – seine.

Wird die SPD es zum ersten Mal seit Willy Brandt schaffen zu regieren, ohne dass die Partei leidet und ächzt?

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Foto: dpa Die SPD hat es ihren Kanzlern oft nicht leicht gemacht – und die SPD-Kanzler haben ihrer Partei gelegentli­ch Einiges zugemutet.
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