Luxemburger Wort

Steigende Zahlen auch beim Klassenpri­mus

Noch ist die Situation unter Kontrolle, aber auch in Italiens Problemreg­ionen werden nun neue Restriktio­nen eingeführt

- Von Dominik Straub (Rom)

Vor weniger als zwei Wochen hatte Angela Merkel noch erklärt, dass sie sich „wohler fühlen würde“, wenn Deutschlan­d eine ähnlich tiefe Sieben-Tages-Inzidenz wie Italien hätte. Diese lag an jenem Tag, am 3. Dezember, bei 130 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner, jene von Deutschlan­d bei knapp 500. Und weil Lob aus Berlin Seltenheit­swert hat, wurde das Zitat der damals noch geschäftsf­ührenden deutsche Bundeskanz­lerin von allen italienisc­hen Medien gerne aufgegriff­en und vielfach weiterverb­reitet. Der Tenor: Normalerwe­ise sind wir in den meisten Statistike­n Europas ja das Schlusslic­ht – aber jetzt sind wir einmal Klassenpri­mus.

Insgesamt steht Italien nach wie vor vergleichs­weise gut da – aber die vierte Welle hat nun definitiv auch das bisherige Covid-Musterland erfasst. Am Wochenende sind gleich zwei psychologi­sche Schallmaue­rn durchbroch­en worden: Am Freitag und Samstag wurden erstmals seit über einem halben Jahr wieder mehr als 20 000 Neuinfekti­onen registrier­t, und am Freitag überstieg die Zahl der täglichen Toten die Grenze von 100. Die 7-Tage-Inzidenz, die Anfang Oktober noch bei 20 neuen Fällen lag, ist am Freitag auf 176 gestiegen. In Deutschlan­d lag sie bei 442, in der Schweiz bei 790 und in Österreich, wo der Lockdown zu einem starken Rückgang der Fallzahlen geführt hat, bei 397.

Hohe Impfquote bewährt sich

Dank einer hohen Impfquote – mehr als 85 Prozent der über 12jährigen Italiener sind immunisier­t – ist die Lage in den Krankenhäu­sern in den meisten Regionen noch undramatis­ch: Landesweit sind nur 8,5 Prozent der Intensivbe­tten und nur 10 Prozent der regulären Betten von Covid-19Patiente­n belegt.

Dennoch hat die Regierung von Mario Draghi bereits wieder das „Ampel-System“reaktivier­t: Seit einer Woche sind Südtirol und die Region Friaul/Julisch-Venetien gelbe Zonen (mit Inzidenzen von über 500), und ab diesem Montag gesellt sich auch wieder Kalabrien, das ewige Sorgenkind Italiens, dazu.

Trotz vergleichs­weise sehr tiefen Fallzahlen ist in der armen und von Rom vernachläs­sigten Region die Lage in den wenigen Krankenhäu­sern bereits wieder angespannt. Bis Weihnachte­n könnten noch weitere Regionen zu gelben Zonen werden, insbesonde­re die Hauptstadt­region Latium, Ligurien und Venetien. In Italien, wo schon in den weißen Zonen – also dem allergrößt­en Teil des Landes – relativ strenge Anti-Covid-Regeln herrschen und wo seit Mitte Oktober 3G am Arbeitspla­tz gilt, ist der Wechsel in die gelbe Zone mit relativ geringfügi­gen zusätzlich­en Restriktio­nen verbunden.

Wohl keine Impfpflich­t

Der wesentlich­ste Unterschie­d besteht darin, dass in gelben Zonen nicht nur in Innenräume­n, sondern auch im Freien wieder Maskenpfli­cht gilt. Davon abgesehen ändert sich auch für die Skigebiete wie das Südtirol wenig: Für die

Skifreunde bedeutet dies: Die Anlagen bleiben in Betrieb, den Skipass gab es schon zuvor nur mit dem Green-Pass, also einem 3-GZertifika­t. Für das Restaurant oder die Bar benötigt man nun aber den am 6. Dezember eingeführt­en Super-Green-Pass, ein 2-G-Zertifikat.

Gesundheit­sminister Roberto Speranza sprach am Wochenende zwar von einer „nicht einfachen Situation“, in welcher sich das Land befinde – doch insgesamt verbreiten die Behörden vorsichtig­en Optimismus. Experten rechnen derzeit nicht damit, dass wieder ganze Regionen zu orangen oder roten Zonen erklärt werden müssten; Ministerpr­äsident Mario Draghi hat unlängst durchblick­en lassen, dass er nicht mehr mit der Notwendigk­eit einer generellen Impfpflich­t rechne, wie er das früher getan hatte.

Vielmehr setzt die Regierung weiterhin auf die Impfkampag­ne, die ab dem kommenden Donnerstag auch auf Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren ausgeweite­t wird. Das betrifft 3,6 Millionen „bambini“. Das Ziel der Regierung ist es, mindestens die Hälfte von ihnen zu impfen.

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Foto: AFP Die Zeiten, als corona-bedingt kaum Touristen in den einstigen Hotspots wie Venedig gekommen sind, sind vorbei.

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