Europas Gegenmodell zur Seidenstraße
Die EU will 300 Milliarden Euro für globale Infrastrukturprojekte mobilisieren – verteilt wird das Geld auch von Kirchberg aus
Seit dem Jahr 2013 werden weltweit Häfen, Kraftwerke und Eisenbahnlinien mit chinesischem Geld gebaut. Im Rahmen der „Belt and Road“(BRI) Initiative, auch „Neue Seidenstraße“genannt, hat China Schätzungen zufolge seither zwischen 200 und 400 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte bereitgestellt – in erster Linie in Form von Krediten. Aber gerade in letzter Zeit wächst die Kritik an der Vorgehensweise Chinas. BRI wird in erster Linie als strategisches Instrument Pekings gesehen, um die teilnehmenden Staaten enger an die chinesische Wirtschaft anzubinden. Die Kreditbedingungen sind oftmals harsch und opak, viele der Projekte wurden zu Investmentruinen und führten zur Überschuldung der Nehmerländer.
Anfang Dezember hat die Europäische Union nun ihre eigene globale Infrastrukturinitiative angekündigt, die sich zwar nicht explizit auf BRI bezieht, aber doch als Versuch gilt, eine kooperativere Alternative zum chinesischen Entwicklungsmodell anzubieten. Im Rahmen der sogenannten „Global Gateway“Initiative will die EU bis 2027 bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren, unter anderem, um Projekte im Bereich Klima und Energie, Transport, Bildung und Digitalisierung zu finanzieren. Das mediale Echo auf den Vorstoß ist indes geteilt. Der Londoner „Economist“führte „Global Gateway“sogar als Beleg dafür an, dass Brüssel die weltweite „Bullshit“Hauptstadt sei. Die Kritiker monieren, dass Brüssel für die Initiative kaum neue Finanzmittel locker gemacht habe und lediglich bestehende Geldtöpfe neu sortiert und mit einem schicken Marketinglabel versehen habe.
Zuverlässige Alternative
Für Simone Tagliapietra, Analyst der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, geht diese Kritik aber am eigentlichen Punkt vorbei. „Mit einer Auszahlung von 66,8 Milliarden Euro im Jahr 2020, oder 46 Prozent der globalen Ausgaben, ist Europa bereits weltweit der führende Anbieter von Entwicklungshilfe”, sagte er dem „Luxemburger Wort”. „Was Europa wirklich braucht, sind keine neuen Ressourcen, sondern eine stärker strategische Nutzung der vorhandenen Mittel. Und genau darum geht es bei Global Gateway.” Zwar habe Europa zwischen 2014 und 2018 zwischen 350 Milliarden Euro an Zuschüssen zur Verfügung gestellt, das Problem sei aber bisher gewesen, dass die Bemühungen in zahlreiche Initiativen der Einzelstaaten und der EU zersplittert waren und keiner gemeinsamen Linie folgten. Im sogenannten „Team Europe“-Ansatz sollen diese Ressourcen nun gebündelt werden.
„Global Gateway scheint aus mindestens zwei Gründen eine zuverlässigere Alternative für die globale Infrastrukturentwicklung zu bieten als BRI. Erstens ist das EU-Finanzierungsmodell eine Mischung aus Zuschüssen, zinsgünstigen Krediten und Garantien, die darauf abzielen, Investitionen des Privatsektors einzubinden, während sich BRI ausschließlich auf Kredite konzentriert”, sagt Tagliapietra. „Zweitens fordert die EU von den Partnerländern die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und hoher Standards der Menschen-, Sozial- und Arbeitnehmerrechte sowie die Achtung internationaler Normen und Standards des geistigen Eigentums. Dies steht im Gegensatz zu Chinas Kreditvergabepraktiken, wo Verträge oft Klauseln enthalten, die die Souveränität des Partnerlandes einschränken und in die einheimischen Arbeits- und Umweltvorschriften eingreifen.”
Zentrale Rolle der EIB
Eine wichtige Rolle bei der Initiative wird der Europäischen Investitionsbank (EIB) mit Hauptsitz in Kirchberg zukommen, die an einem großen Teil der Projekte beteiligt sein wird und die mit der Kommission an einer zusätzlichen Initiative zur Mobilisierung von weiteren 25 Milliarden Euro an Investitionen arbeitet. Markus Berndt, amtierender Generaldirektor der EIB-Entwicklungsfiliale, sieht Global Gateway nicht unbedingt in Konkurrenz zu BRI.
„Es gibt weltweit einen so hohen Investitionsbedarf, dass wir nicht mit den Chinesen oder dem amerikanischen „Blue Dot Network” in Wettbewerb treten müssen. Es geht einfach nur darum, alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Infrastrukturprojekte zu bieten, die mit unseren europäischen Werten in Einklang stehen, damit den Worten auch Taten folgen können”, sagt er. Ein Fokus der Finanzierungen soll auf digitalen und Transport-Infrastrukturen liegen, sowie auf Projekten, die dem Klimaschutz dienen und die globale Energietransition voranbringen. Die jahrzehntelange Erfahrung der EIB in Infrastrukturprojekten soll vermeiden, dass das Geld auf Eitelkeitsprojekte verschwendet wird, in korrupten Netzwerken versickert oder dass die Vorhaben zu einer Überschuldung der Partnerländer führen, wie das bei BRI vielfach zu beobachten war. „Bevor Projekte bewilligt werden, durchlaufen sie alle unsere internen Kontrollen“, sagt Berndt. Jedes Vorhaben werde von erfahrenen Expertenteams daraufhin geprüft, ob es ökonomisch Sinn hat, den Umwelt- und Sozialstandards entspricht und im Rahmen der vorgesehenen Finanzierung und Zeit umsetzbar ist. „Wir setzen kein Projekt um, nur weil eine Regierung das gerne möchte. Jede Idee wird minuziös geprüft,“versichert Berndt. „Wir haben Fachleute für alle möglichen Bereiche vom Straßenbau bis zur Impfstoffproduktion.
Wenn also eine Zugstrecke gebaut werden soll, dann schauen wir uns an: Wie viele Leute werden den Zug realistischerweise benutzen? Ist das der richtige Untergrund für die verwendeten Schienen? Was ist der Klimaeffekt, was der sozioökonomische Effekt? Kann der Projektpartner das finanziell stemmen oder überschuldet er sich?“Strikte Compliance- und Beschaffungsrichtlinien verringerten zudem das Risiko von Vetternwirtschaft.
Damit die Initiative ein Erfolg wird, muss sie aber neben den öffentlichen Mitteln auch private Gelder anziehen. Erklärtes Ziel der Kommission ist, mit den 40 Milliarden Euro an EU-Garantien bis zu 135 Milliarden Euro von Investoren zu mobilisieren. Berndt ist optimistisch, dass die EIB einen signifikanten Beitrag zur Mobilisierung des Privatsektors beitragen kann. „Es gibt aktuell einen großen Appetit im Privatsektor, in grüne Assets zu investieren und sich international zu diversifizieren. Viele haben aber Schwierigkeiten, die richtigen Vorhaben zu identifizieren. Für einen europäischen Pensionsfonds ist es beispielsweise nicht leicht, das Risiko abzuschätzen, wenn er in einen Windpark vor der afrikanischen Küste investiert,“sagt er. „Da kann unsere Beteiligung eine gewisse Signalwirkung haben, weil die Anleger wissen, dass wir diese gründlichen Genehmigungsverfahren und einen guten Track Rekord haben.“
Im besten Fall könnte Global Gateway so neue Investitionsmärkte schaffen. „Wenn wir zeigen können, dass man bestimmte Projekte in diesen Bereichen erfolgreich durchführen und damit Geld verdienen kann, kann das dazu führen, dass solche Vorhaben irgendwann vollständig von Privatakteuren finanziert werden, ohne dass unsere Beteiligung notwendig ist.“
Wir setzen kein Projekt um, nur weil eine Regierung das gerne möchte. Markus Berndt, EIB
10.12.
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