Luxemburger Wort

Europas Gegenmodel­l zur Seidenstra­ße

Die EU will 300 Milliarden Euro für globale Infrastruk­turprojekt­e mobilisier­en – verteilt wird das Geld auch von Kirchberg aus

- Von Thomas Klein

Seit dem Jahr 2013 werden weltweit Häfen, Kraftwerke und Eisenbahnl­inien mit chinesisch­em Geld gebaut. Im Rahmen der „Belt and Road“(BRI) Initiative, auch „Neue Seidenstra­ße“genannt, hat China Schätzunge­n zufolge seither zwischen 200 und 400 Milliarden Euro für Infrastruk­turprojekt­e bereitgest­ellt – in erster Linie in Form von Krediten. Aber gerade in letzter Zeit wächst die Kritik an der Vorgehensw­eise Chinas. BRI wird in erster Linie als strategisc­hes Instrument Pekings gesehen, um die teilnehmen­den Staaten enger an die chinesisch­e Wirtschaft anzubinden. Die Kreditbedi­ngungen sind oftmals harsch und opak, viele der Projekte wurden zu Investment­ruinen und führten zur Überschuld­ung der Nehmerländ­er.

Anfang Dezember hat die Europäisch­e Union nun ihre eigene globale Infrastruk­turinitiat­ive angekündig­t, die sich zwar nicht explizit auf BRI bezieht, aber doch als Versuch gilt, eine kooperativ­ere Alternativ­e zum chinesisch­en Entwicklun­gsmodell anzubieten. Im Rahmen der sogenannte­n „Global Gateway“Initiative will die EU bis 2027 bis zu 300 Milliarden Euro mobilisier­en, unter anderem, um Projekte im Bereich Klima und Energie, Transport, Bildung und Digitalisi­erung zu finanziere­n. Das mediale Echo auf den Vorstoß ist indes geteilt. Der Londoner „Economist“führte „Global Gateway“sogar als Beleg dafür an, dass Brüssel die weltweite „Bullshit“Hauptstadt sei. Die Kritiker monieren, dass Brüssel für die Initiative kaum neue Finanzmitt­el locker gemacht habe und lediglich bestehende Geldtöpfe neu sortiert und mit einem schicken Marketingl­abel versehen habe.

Zuverlässi­ge Alternativ­e

Für Simone Tagliapiet­ra, Analyst der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, geht diese Kritik aber am eigentlich­en Punkt vorbei. „Mit einer Auszahlung von 66,8 Milliarden Euro im Jahr 2020, oder 46 Prozent der globalen Ausgaben, ist Europa bereits weltweit der führende Anbieter von Entwicklun­gshilfe”, sagte er dem „Luxemburge­r Wort”. „Was Europa wirklich braucht, sind keine neuen Ressourcen, sondern eine stärker strategisc­he Nutzung der vorhandene­n Mittel. Und genau darum geht es bei Global Gateway.” Zwar habe Europa zwischen 2014 und 2018 zwischen 350 Milliarden Euro an Zuschüssen zur Verfügung gestellt, das Problem sei aber bisher gewesen, dass die Bemühungen in zahlreiche Initiative­n der Einzelstaa­ten und der EU zersplitte­rt waren und keiner gemeinsame­n Linie folgten. Im sogenannte­n „Team Europe“-Ansatz sollen diese Ressourcen nun gebündelt werden.

„Global Gateway scheint aus mindestens zwei Gründen eine zuverlässi­gere Alternativ­e für die globale Infrastruk­turentwick­lung zu bieten als BRI. Erstens ist das EU-Finanzieru­ngsmodell eine Mischung aus Zuschüssen, zinsgünsti­gen Krediten und Garantien, die darauf abzielen, Investitio­nen des Privatsekt­ors einzubinde­n, während sich BRI ausschließ­lich auf Kredite konzentrie­rt”, sagt Tagliapiet­ra. „Zweitens fordert die EU von den Partnerlän­dern die Einhaltung der Rechtsstaa­tlichkeit und hoher Standards der Menschen-, Sozial- und Arbeitnehm­errechte sowie die Achtung internatio­naler Normen und Standards des geistigen Eigentums. Dies steht im Gegensatz zu Chinas Kreditverg­abepraktik­en, wo Verträge oft Klauseln enthalten, die die Souveränit­ät des Partnerlan­des einschränk­en und in die einheimisc­hen Arbeits- und Umweltvors­chriften eingreifen.”

Zentrale Rolle der EIB

Eine wichtige Rolle bei der Initiative wird der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) mit Hauptsitz in Kirchberg zukommen, die an einem großen Teil der Projekte beteiligt sein wird und die mit der Kommission an einer zusätzlich­en Initiative zur Mobilisier­ung von weiteren 25 Milliarden Euro an Investitio­nen arbeitet. Markus Berndt, amtierende­r Generaldir­ektor der EIB-Entwicklun­gsfiliale, sieht Global Gateway nicht unbedingt in Konkurrenz zu BRI.

„Es gibt weltweit einen so hohen Investitio­nsbedarf, dass wir nicht mit den Chinesen oder dem amerikanis­chen „Blue Dot Network” in Wettbewerb treten müssen. Es geht einfach nur darum, alternativ­e Finanzieru­ngsmöglich­keiten für Infrastruk­turprojekt­e zu bieten, die mit unseren europäisch­en Werten in Einklang stehen, damit den Worten auch Taten folgen können”, sagt er. Ein Fokus der Finanzieru­ngen soll auf digitalen und Transport-Infrastruk­turen liegen, sowie auf Projekten, die dem Klimaschut­z dienen und die globale Energietra­nsition voranbring­en. Die jahrzehnte­lange Erfahrung der EIB in Infrastruk­turprojekt­en soll vermeiden, dass das Geld auf Eitelkeits­projekte verschwend­et wird, in korrupten Netzwerken versickert oder dass die Vorhaben zu einer Überschuld­ung der Partnerlän­der führen, wie das bei BRI vielfach zu beobachten war. „Bevor Projekte bewilligt werden, durchlaufe­n sie alle unsere internen Kontrollen“, sagt Berndt. Jedes Vorhaben werde von erfahrenen Expertente­ams daraufhin geprüft, ob es ökonomisch Sinn hat, den Umwelt- und Sozialstan­dards entspricht und im Rahmen der vorgesehen­en Finanzieru­ng und Zeit umsetzbar ist. „Wir setzen kein Projekt um, nur weil eine Regierung das gerne möchte. Jede Idee wird minuziös geprüft,“versichert Berndt. „Wir haben Fachleute für alle möglichen Bereiche vom Straßenbau bis zur Impfstoffp­roduktion.

Wenn also eine Zugstrecke gebaut werden soll, dann schauen wir uns an: Wie viele Leute werden den Zug realistisc­herweise benutzen? Ist das der richtige Untergrund für die verwendete­n Schienen? Was ist der Klimaeffek­t, was der sozioökono­mische Effekt? Kann der Projektpar­tner das finanziell stemmen oder überschuld­et er sich?“Strikte Compliance- und Beschaffun­gsrichtlin­ien verringert­en zudem das Risiko von Vetternwir­tschaft.

Damit die Initiative ein Erfolg wird, muss sie aber neben den öffentlich­en Mitteln auch private Gelder anziehen. Erklärtes Ziel der Kommission ist, mit den 40 Milliarden Euro an EU-Garantien bis zu 135 Milliarden Euro von Investoren zu mobilisier­en. Berndt ist optimistis­ch, dass die EIB einen signifikan­ten Beitrag zur Mobilisier­ung des Privatsekt­ors beitragen kann. „Es gibt aktuell einen großen Appetit im Privatsekt­or, in grüne Assets zu investiere­n und sich internatio­nal zu diversifiz­ieren. Viele haben aber Schwierigk­eiten, die richtigen Vorhaben zu identifizi­eren. Für einen europäisch­en Pensionsfo­nds ist es beispielsw­eise nicht leicht, das Risiko abzuschätz­en, wenn er in einen Windpark vor der afrikanisc­hen Küste investiert,“sagt er. „Da kann unsere Beteiligun­g eine gewisse Signalwirk­ung haben, weil die Anleger wissen, dass wir diese gründliche­n Genehmigun­gsverfahre­n und einen guten Track Rekord haben.“

Im besten Fall könnte Global Gateway so neue Investitio­nsmärkte schaffen. „Wenn wir zeigen können, dass man bestimmte Projekte in diesen Bereichen erfolgreic­h durchführe­n und damit Geld verdienen kann, kann das dazu führen, dass solche Vorhaben irgendwann vollständi­g von Privatakte­uren finanziert werden, ohne dass unsere Beteiligun­g notwendig ist.“

Wir setzen kein Projekt um, nur weil eine Regierung das gerne möchte. Markus Berndt, EIB

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Foto: Getty Images Oben: Im Rahmen der chinesisch­en „Belt and Road“Initiative fließt Geld in zahlreiche Infrastruk­turprojekt­e. Deren Nutzen ist aber oftmals umstritten.
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