Luxemburger Wort

Dunkles Kapitel der Geschichte Europas

Europäisch­er Filmpreis für bosnischen Film „Quo Vadis, Aida?“über das Massaker in Srebrenica

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Berlin. Der Film erzählt von einem wichtigen Kapitel europäisch­er Geschichte. Das Drama „Quo Vadis, Aida?“handelt vom Massaker in Srebrenica – und erzählt die Geschichte aus der Perspektiv­e einer Frau. Die Europäisch­e Filmakadem­ie hat die Produktion nun als besten Film des Jahres ausgezeich­net. Der Europäisch­e Filmpreis wurde am Samstagabe­nd in Berlin verliehen, wegen der Pandemie erneut ohne großes Publikum.

Regisseuri­n Jasmila Žbanic bedankte sich in einer Videoschal­te. Sie widmete den Film den Frauen und Müttern von Srebrenica sowie den getöteten Söhnen, Ehemännern und Vätern. Die Frauen hätten einen Weg gefunden, Frieden in einem zerstörten Land zu schaffen. „Frauen müssen immer das Chaos aufräumen, das Männer hinterlass­en.“

Im Film arbeitet die Übersetzer­in Aida während des Bosnienkri­egs für die UN. Der Film zeigt, wie sich die Lage in der Schutzzone Srebrenica verschärft. Aida versucht, ihren Mann und ihre Söhne zu retten. Serbische Einheiten hatten 1995 rund 8 000 bosnisch-muslimisch­e Männer und Jungen ermordet. Der Film erhielt auch Auszeichnu­ngen für die beste Regie und die beste Darsteller­in.

Der Film „Quo Vadis, Aida?“ist eine deutsche Koprodukti­on. Er zeigt nicht nur ein dunkles Kapitel der jüngeren Geschichte Europas – sondern auch eine Frau, die dagegen kämpfen muss, von Männern nicht gehört zu werden. Persönlich sei Srebrenica ihr sehr nahe, hatte die bosnische Regisseuri­n

Regisseuri­n Jasmila Žbanic (Archivfoto) widmete den Film den Frauen und Müttern von Srebrenica sowie den getöteten Söhnen, Ehemännern und Vätern.

Žbanic 2020 im dpa-Interview gesagt. „Weil ich den Krieg in Sarajevo von 1992 bis 1995 überlebt habe, einer Stadt, die ebenfalls belagert wurde, und wir hätten genauso enden können wie Srebrenica.“

Srebrenica sei einen 40-minütigen Flug von Wien oder weniger als zwei Stunden von Berlin entfernt – „und es ist beängstige­nd, dass ein solcher Völkermord direkt vor europäisch­en Augen stattgefun­den hat – nachdem wir alle millionenf­ach wiederholt haben „Nie wieder““, sagte Žbanic in dem Gespräch anlässlich des Filmfestiv­als in Venedig. Sie zeige in dem Film einen Krieg aus weiblicher Perspektiv­e, „weil wir genug Filme über den Krieg aus männlicher Perspektiv­e haben“.

Freuen über diesen Erfolg des bosnischen Films darf sich übrigens auch das Team des Luxembourg City Film Festivals. „Quo Vadis, Aida?“war nämlich beim LuxfilmFes­t 2021 programmie­rt und wurde dort auch als bester Wettbewerb­sfilm ausgezeich­net.

Insgesamt fünf Titel waren als bester Film nominiert. Neben „Quo Vadis, Aida?“und „The Father“waren das der Horror-Fantasyfil­m „Titane“, der Film „Compartmen­t No.6“über eine Zugreise sowie „The Hand of God“von Paolo Sorrentino über Neapel in den 1980ern. Im vergangene­n Jahr war die Tragikomöd­ie „Drunk“von Thomas Vinterberg als bester europäisch­er Spielfilm ausgezeich­net worden.

Der Europäisch­e Filmpreis zählt zu den renommiert­esten Auszeichnu­ngen

der Branche. Die mehr als 4 000 Akademiemi­tglieder stimmten über viele Preisträge­rinnen und Preisträge­r ab, ähnlich wie bei den Oscars in den USA. Die Auszeichnu­ngen werden dann in der Regel abwechseln­d in Berlin und einer anderen europäisch­en Stadt verliehen.

Schauspiel­er Anthony Hopkins wurde für seine Rolle im Demenzdram­a „The Father“als bester Darsteller ausgezeich­net. Der 83-Jährige hatte für diese Rolle auch schon einen Oscar gewonnen.

Keine Preise für Luxemburge­r Animations-Koprodukti­onen

Die Luxemburge­r Filmwelt war mit zwei Koprodukti­onen beim Europäisch­en Filmpreis ins Rennen gegangen, ging am Ende aber leer aus. Für den besten europäisch­en Animations­film 2021 waren gleich zwei Koprodukti­onen aus Luxemburg nominiert, „Where is Anne Frank“, koproduzie­rt von Samsa Film, und „Wolfwalker­s“, koproduzie­rt von Mélusine Production­s. Den Preis holte am Ende der dänische Film „Flee“von Jonas Poher Rasmussen. Er erzählt in animierter Form die wahre Geschichte von Amin, Rasmussens enger Freund seit der Highschool, und dessen Flucht als Kind in den 80er Jahren aus Kabul.

Normalerwe­ise treffen sich beim Europäisch­en Filmpreise viele Filmschaff­ende aus verschiede­nen Ländern. Wegen der Pandemie wurde allerdings das zweite Jahre in Folge auf eine große Verleihung verzichtet. Stattdesse­n waren einige Preisträge­rinnen und Preisträge­r vor Ort. Schauspiel­erin Annabelle Mandeng moderierte den Abend, die neue Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth (Grüne) hielt eine Laudatio.

Die dänische Regisseuri­n Susanne Bier („The Undoing“) wurde für europäisch­e Verdienste ums Weltkino geehrt. Der Ehrenpreis für das Lebenswerk ging an die ungarische Regisseuri­n Márta Mészáros. Filmemache­r Steve McQueen („12 Years a Slave“) wurde für seine Reihe „Small Axe“für innovative­s Geschichte­nerzählen ausgezeich­net. Beste Komödie wurde „Ninjababy“aus Norwegen. mt/dpa

Frauen müssen immer das Chaos aufräumen, das Männer hinterlass­en. Jasmila Žbanic

 ?? Foto: dpa ?? Preisträge­r, Laudatoren und Moderatori­n Annabelle Mandeng (Mitte) auf der Bühne während der 34. Verleihung des Europäisch­en Filmpreise­s. Die Europäisch­e Filmakadem­ie vergab die Auszeichnu­ngen in Berlin.
Foto: dpa Preisträge­r, Laudatoren und Moderatori­n Annabelle Mandeng (Mitte) auf der Bühne während der 34. Verleihung des Europäisch­en Filmpreise­s. Die Europäisch­e Filmakadem­ie vergab die Auszeichnu­ngen in Berlin.
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