Der neue König der Niederlande
Max Verstappen entthront Lewis Hamilton im irren WM-Finale auf den letzten Metern
Die unbändigen Jubelschreie von Max Verstappen übertönten das krachende Feuerwerk über dem Abendhimmel von Abu Dhabi. In einem Nerven-Finale, das einer unfassbaren Saison noch einmal die Krone mit der Entscheidung auf der allerletzten Runde aufsetzte, sicherte sich der 24-jährige Niederländer zum ersten Mal in seiner Karriere den Titel. „Es ist unglaublich, ich habe das ganze Rennen gekämpft. Es ist verrückt“, stammelte Verstappen nach seinem zehnten Saisonsieg und suchte nach Worten. „Ich hatte Glück.“
Ergriffen und überglücklich nahm Vater Jos den neuen Champion in die Arme, bei der Siegerehrung kämpfte er mit den Tränen. Teamchef Christian Horner machte Verstappen eine Liebeserklärung. Der auf tragische Weise auch durch einen völlig verrückten Rennverlauf geschlagene Lewis Hamilton verharrte erstmal regungslos in seinem Mercedes, ehe er seinem Rivalen fair gratulierte.
„Zuerst Gratulation an Max und sein Team. Sie haben einen großartigen Job gemacht“, lobte Hamilton den 34. Weltmeister der Königsklasse-Geschichte. Mercedes sicherte sich immerhin zum achten Mal am Stück die Konstrukteurs-WM. In der Box war Mercedes-Teamchef Toto Wolff außer sich – bis wenige Runden vor Schluss hatte Hamilton klar auf Titelkurs gelegen. Nach einer Safety-Car-Phase und mit frischen Reifen fing Verstappen in einem Herzschlag-Finale Hamilton aber noch auf der letzten Runde ab und vereitelte den achten WM-Triumph des Briten. Dritter wurde Carlos Sainz jr. im Ferrari.
Pole-Position am Start verschenkt
Es war ein Jahr der Grenzerfahrung. Die Formel 1 steuerte durch die nächste Corona-Saison – und in Verstappen gegen Hamilton fand sie das atemloseste Titelduell seit Jahren. In den 259 Tagen seit dem Start der Saison in Bahrain bekämpften sich die Ausnahmepiloten knallhart auf dem Asphalt – auch auf dem Yas-MarinaCircuit.
Erstmals seit 1974 rasten zwei Piloten punktgleich ins Finale. Verstappen hob das Spannungslevel mit seiner Fabel-Pole-Position am Samstag sogar nochmals an, Hamilton lauerte direkt dahinter.
Dann dieser Start des Briten! Hamilton schoss förmlich davon, Verstappen rollte nur langsam los – eine Zehntelsekunde in der Reaktionszeit war nach dem Erlöschen der Roten Ampeln entscheidend.
Schon auf der ersten Runde in Kurve sechs attackierte der Niederländer am Limit, bremste extrem spät und ließ seinem Rivalen keinen Platz. Der Engländer musste den Kurs verlassen. Erst beklagte sich Verstappen, dass Hamilton die Strecke verlassen habe. Dann beklagte sich Hamilton, dass ihn Verstappen rausgedrängt habe. „Das ist unglaublich“, schimpfte Verstappen. Er sah sich nicht ansatzweise mitschuldig und flüchtete sich in die Opferrolle.
Safety-Car-Phase kurz vor Schluss
Nach einem Bremsplatten in der Qualifikation ging Verstappen mit der weichsten Reifenmischung ins Rennen. Diese ist zwar schneller, baut aber auch schneller ab. Hamilton hatte die haltbareren Mediums am Mercedes. Verstappen wusste: Jetzt spricht alles gegen ihn. „Wir sind alle ein bisschen schockiert“, reagierte Red-BullTeamchef
Christian Horner empört auf die Entscheidung der Rennleitung, den Fast-Crash nicht zu untersuchen.
In Runde 53 von 58 kam es dann zu einer Safety-Car-Phase. Verstappen holte sich die schnellsten Gummis – Hamilton wurde wieder nicht reingeholt. „Das ist unglaublich, Leute“, schimpfte der
Brite, dessen Stimme auf den letzten Kilometern längst nicht mehr so fest und entspannt wie gewohnt war.
Nach der Rennfreigabe setzte sich Verstappen in einem unglaublichen Duell dann vor Hamilton. Die Kommandostände tobten – vor Freude und Entsetzen. Verstappen war außer sich. dpa