Luxemburger Wort

Die Verbindung fehlt noch

Einwände der Einwohner gegen geplante Fußgänger- und Radbrücke zwischen Cents, Neudorf und Weimershof

- Von David Thinnes Grafik: Steinmetzd­emeyer

Luxemburg. Wer durch die Rue de Neudorf fährt, kann auf einigen Häuserfass­aden gelbe Poster sehen, auf denen steht: „Non au pont“. Es geht um das Projekt, die Viertel Neudorf, Cents und Weimershof mit einer Fuß- und Radfahrerb­rücke und einem Aufzug zu verbinden. Der Kostenvora­nschlag steht heute zur Abstimmung auf der Tagesordnu­ng der Gemeindera­tssitzung der Stadt Luxemburg. In den Vierteln gibt es unterschie­dliche Ansichten.

„Die Brücke ist mir egal. Das macht mir nichts aus“, sagt eine ältere Frau, die seit vielen Jahren in Neudorf wohnt. Neben ihr steht Steffen Köhler, der in der Rue de Neudorf wohnt. Die Brücke wird voraussich­tlich etwa 60 Meter über sein Haus führen. Der Ingenieur ist nicht mit dem Projekt einverstan­den und zeigt sich vor allem kritisch den Aufbauten gegenüber. „Die diesbezügl­ichen Studien sind nicht transparen­t. Ich bin überzeugt, dass die Fundamente massiver sein müssten.“Außerdem zweifelt Köhler die Stabilität der Brücke an: „Das wird eine Schaukel.“

Diesbezügl­ich antwortet Patrick Goldschmid­t, Mobilitäts­schöffe der Stadt Luxemburg, im LW-Gespräch: „Die Dienste der Hauptstadt haben intensiv an diesem Projekt gearbeitet, unter anderem auch mit internatio­nalen Experten. In der Prozedur ist bereits mit allen Ministerie­n und Verwaltung­en zusammenge­arbeitet worden.“

Auch der Baustellen­verkehr liegt Köhler auf dem Magen – dies nachdem in der Rue de Neudorf bereits in den vergangene­n Jahren die Baustelle wegen des Baus eines unterirdis­chen Kollektors die Einwohner auf eine harte Probe stellte. „Die Lebensqual­ität der Bewohner der drei Viertel wird ignoriert. Dazu kommt die Zerstörung von zwei intakten Waldstücke­n mitten in der Stadt.“

Zweite Variante bei der Kirche

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Interessen­verein Neudorf: „Der Charme des Viertels wird zerstört. Wir stellen uns generell die Frage der Verhältnis­mäßigkeit und des Kosten-Nutzen-Faktors. Der Mehrwert für die Geschäftsw­elt ergibt sich nicht für uns.“

2012 sollte auf dem Gelände der Henri-Funck-Brauerei der neue Kern von Neudorf entstehen. Der Bauherr dieses Immobilien­projektes hat 2012 60 Ar an die Gemeinde abgetreten, um den Anschluss an die Brücke zu gewährleis­ten. Dieses Grundstück wird aber nun nicht mehr für diesen Zweck benötigt.

Vor neun Jahren war nämlich noch eine andere Variante im Gespräch, die auch von allen Interessen­vereinen mitgetrage­n wurde. Bei dieser Option wäre die Brücke bei der Kirche von Neudorf über das Tal geleitet worden. Das Argument der zentralen Anbindung wäre auch hier gegeben. Denn über die Rue des Marguerite­s in Weimershof ist die Anbindung an das Viertel Kirchberg garantiert. In einem Brief von 2017 hatten die drei Interessen­vereine ihre Zustimmung für eine Brücke zwischen Cents und Weimershof gegeben, allerdings mit der Voraussetz­ung, dass der Standort bei der Kirche zurückbeha­lten werde.

Goldschmid­t zeigt sich überrascht, dass der Standort nun infrage gestellt wird: „Dieser steht seit einiger Zeit fest. Natürlich war diese Option im Gespräch. Ich erinnere mich aber, dass die Grundstück­sbesitzer in Weimershof, wo die Brücke dann ankommen würde, nicht begeistert waren, als wir vor einigen Jahren dort waren. Generell wurde damals festgestel­lt, dass es mit dieser Variante komplexer wäre auf beiden Seiten zu arbeiten.“

Bürgerbete­iligung angezweife­lt

Erste Vorzeichen für den Bau der Brücke gab es vor etwa drei Wochen, als der Abriss der ehemaligen Vorschule begann – diese Arbeiten wurden aber unabhängig vom Passerelle-Projekt durchgefüh­rt. An dieser Stelle wird der 60 Meter hohe Aufzugscha­cht installier­t. Auf Centser Seite kommt die Brücke in die Nähe der Gemeinscha­ftsgärten in der Rue Tawioun an. Dort muss ein Holzchalet von Gaart an Heem, das erst vor Kurzem errichtet wurde, an eine andere Stelle versetzt werden.

Das Dilemma um den Bau dieser Brücke lässt sich gut mit den geteilten Meinungen innerhalb der Centser Interessen­verein darlegen. Die Präsidenti­n Nadine Molitor erklärt dies folgenderm­aßen: „Innerhalb unseres Vereines gibt es viele Fahrradanh­änger, die sich die Brücke wünschen. Aber viele Bürger machen sich auch Sorgen um die Auswirkung­en der Baustelle.“

Die drei Interessen­vereine vertreten eine gemeinsame Meinung: „Wir sind nicht gegen die Brücke. Wir sind aber der Meinung, dass sie an einem anderen Platz besser gewesen wäre.“

Und des Weiteren haben die drei Interessen­vereine vor allem noch einen Vorwurf: „Es gibt ein grundsätzl­iches Problem, wie die Interessen­vereine von den Gemeindeve­rantwortli­chen behandelt werden. Es wird uns nicht zugehört und wir werden nicht ernst genommen. Bürgerbete­iligung sieht anders aus.“

Der Faktor Uhu

In Weimershof soll die 200 Meter lange Brücke dann in der Rue des Bleuets ankommen. Hier muss die starke Neigung und eine noch zu klärende Situation eines privaten Grundstück­s in Betracht gezogen werden, wie es im Bericht des Schöffenra­tes heißt. Dafür wird die Anfahrt zur Passerelle um 90 Grad versetzt.

Neben den Diskussion­en um die Baumaßnahm­en gibt es aber auch den Vorwurf der Interessen­vereine, dass die Natur nicht berücksich­tigt wird, vor allem dass keine Umweltimpa­ktstudie vom zuständige­n Ministeriu­m durchgefüh­rt wurde.

Dazu kommt noch ein weiterer Faktor. Die Sektion LuxemburgS­tadt von natur & ëmwelt hat festgestel­lt, dass die Wälder rund um Neudorf – vor allem auf Seiten von Weimershof – ein Brut- und Jagdgebiet des Uhus sind. Die Vogelart steht national und europaweit unter Naturschut­z.

„Diese Wälder sind ein natürliche­r Lebensraum der größten europäisch­en Eule, dem Uhu. In den Wohnvierte­ln gibt es viele wissenscha­ftlich bestätigte Nachweise der Präsenz des Uhus. Vor Jahren hat der Uhu regelmäßig im Grund gebrütet. Seit es dort aber viele Baustellen gibt, ist dies nicht mehr der Fall. Es wäre schade, wenn wieder ein Stück Biodiversi­tät verloren geht“, so die Sektion Stadt Luxemburg von der Organisati­on natur & ëmwelt.

Patrick Goldschmid­t wiederholt, dass die zuständige­n Dienste alles kontrollie­rt hatten und diesbezügl­ich nichts entdeckt haben. Der DP-Schöffe bringt im Gespräch Verständni­s auf für die Sorgen: „Ich kann verstehen, dass es Widerständ­e gibt und Argumente gesucht werden, die Brücke nicht zu bauen. Aber ich bin überzeugt, dass das Projekt ein Mehrwert für alle Bürger dieser Viertel sein wird.“

Im Gemeindera­t sieht es so aus, als würde das Projekt durchgewin­kt werden – und dies auch mit großen Teilen der Opposition­sstimmen. Die Diskussion­en über die Brücke sind damit aber sicherlich nicht beendet.

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Fotos: Anouk Antony, Gerry Huberty, David Thinnes In Cents muss ein Holzchalet bei den Gemeinscha­ftsgärten an eine andere Stelle versetzt werden. In Neudorf ist der Widerstand am Größten. Hier wird auch ein Teil des Waldes verschwind­en (rechts).
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Ein Pfeiler und ein Aufzugscha­cht: So könnte die Brücke aussehen.
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