Die Verbindung fehlt noch
Einwände der Einwohner gegen geplante Fußgänger- und Radbrücke zwischen Cents, Neudorf und Weimershof
Luxemburg. Wer durch die Rue de Neudorf fährt, kann auf einigen Häuserfassaden gelbe Poster sehen, auf denen steht: „Non au pont“. Es geht um das Projekt, die Viertel Neudorf, Cents und Weimershof mit einer Fuß- und Radfahrerbrücke und einem Aufzug zu verbinden. Der Kostenvoranschlag steht heute zur Abstimmung auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung der Stadt Luxemburg. In den Vierteln gibt es unterschiedliche Ansichten.
„Die Brücke ist mir egal. Das macht mir nichts aus“, sagt eine ältere Frau, die seit vielen Jahren in Neudorf wohnt. Neben ihr steht Steffen Köhler, der in der Rue de Neudorf wohnt. Die Brücke wird voraussichtlich etwa 60 Meter über sein Haus führen. Der Ingenieur ist nicht mit dem Projekt einverstanden und zeigt sich vor allem kritisch den Aufbauten gegenüber. „Die diesbezüglichen Studien sind nicht transparent. Ich bin überzeugt, dass die Fundamente massiver sein müssten.“Außerdem zweifelt Köhler die Stabilität der Brücke an: „Das wird eine Schaukel.“
Diesbezüglich antwortet Patrick Goldschmidt, Mobilitätsschöffe der Stadt Luxemburg, im LW-Gespräch: „Die Dienste der Hauptstadt haben intensiv an diesem Projekt gearbeitet, unter anderem auch mit internationalen Experten. In der Prozedur ist bereits mit allen Ministerien und Verwaltungen zusammengearbeitet worden.“
Auch der Baustellenverkehr liegt Köhler auf dem Magen – dies nachdem in der Rue de Neudorf bereits in den vergangenen Jahren die Baustelle wegen des Baus eines unterirdischen Kollektors die Einwohner auf eine harte Probe stellte. „Die Lebensqualität der Bewohner der drei Viertel wird ignoriert. Dazu kommt die Zerstörung von zwei intakten Waldstücken mitten in der Stadt.“
Zweite Variante bei der Kirche
In die gleiche Kerbe schlägt auch der Interessenverein Neudorf: „Der Charme des Viertels wird zerstört. Wir stellen uns generell die Frage der Verhältnismäßigkeit und des Kosten-Nutzen-Faktors. Der Mehrwert für die Geschäftswelt ergibt sich nicht für uns.“
2012 sollte auf dem Gelände der Henri-Funck-Brauerei der neue Kern von Neudorf entstehen. Der Bauherr dieses Immobilienprojektes hat 2012 60 Ar an die Gemeinde abgetreten, um den Anschluss an die Brücke zu gewährleisten. Dieses Grundstück wird aber nun nicht mehr für diesen Zweck benötigt.
Vor neun Jahren war nämlich noch eine andere Variante im Gespräch, die auch von allen Interessenvereinen mitgetragen wurde. Bei dieser Option wäre die Brücke bei der Kirche von Neudorf über das Tal geleitet worden. Das Argument der zentralen Anbindung wäre auch hier gegeben. Denn über die Rue des Marguerites in Weimershof ist die Anbindung an das Viertel Kirchberg garantiert. In einem Brief von 2017 hatten die drei Interessenvereine ihre Zustimmung für eine Brücke zwischen Cents und Weimershof gegeben, allerdings mit der Voraussetzung, dass der Standort bei der Kirche zurückbehalten werde.
Goldschmidt zeigt sich überrascht, dass der Standort nun infrage gestellt wird: „Dieser steht seit einiger Zeit fest. Natürlich war diese Option im Gespräch. Ich erinnere mich aber, dass die Grundstücksbesitzer in Weimershof, wo die Brücke dann ankommen würde, nicht begeistert waren, als wir vor einigen Jahren dort waren. Generell wurde damals festgestellt, dass es mit dieser Variante komplexer wäre auf beiden Seiten zu arbeiten.“
Bürgerbeteiligung angezweifelt
Erste Vorzeichen für den Bau der Brücke gab es vor etwa drei Wochen, als der Abriss der ehemaligen Vorschule begann – diese Arbeiten wurden aber unabhängig vom Passerelle-Projekt durchgeführt. An dieser Stelle wird der 60 Meter hohe Aufzugschacht installiert. Auf Centser Seite kommt die Brücke in die Nähe der Gemeinschaftsgärten in der Rue Tawioun an. Dort muss ein Holzchalet von Gaart an Heem, das erst vor Kurzem errichtet wurde, an eine andere Stelle versetzt werden.
Das Dilemma um den Bau dieser Brücke lässt sich gut mit den geteilten Meinungen innerhalb der Centser Interessenverein darlegen. Die Präsidentin Nadine Molitor erklärt dies folgendermaßen: „Innerhalb unseres Vereines gibt es viele Fahrradanhänger, die sich die Brücke wünschen. Aber viele Bürger machen sich auch Sorgen um die Auswirkungen der Baustelle.“
Die drei Interessenvereine vertreten eine gemeinsame Meinung: „Wir sind nicht gegen die Brücke. Wir sind aber der Meinung, dass sie an einem anderen Platz besser gewesen wäre.“
Und des Weiteren haben die drei Interessenvereine vor allem noch einen Vorwurf: „Es gibt ein grundsätzliches Problem, wie die Interessenvereine von den Gemeindeverantwortlichen behandelt werden. Es wird uns nicht zugehört und wir werden nicht ernst genommen. Bürgerbeteiligung sieht anders aus.“
Der Faktor Uhu
In Weimershof soll die 200 Meter lange Brücke dann in der Rue des Bleuets ankommen. Hier muss die starke Neigung und eine noch zu klärende Situation eines privaten Grundstücks in Betracht gezogen werden, wie es im Bericht des Schöffenrates heißt. Dafür wird die Anfahrt zur Passerelle um 90 Grad versetzt.
Neben den Diskussionen um die Baumaßnahmen gibt es aber auch den Vorwurf der Interessenvereine, dass die Natur nicht berücksichtigt wird, vor allem dass keine Umweltimpaktstudie vom zuständigen Ministerium durchgeführt wurde.
Dazu kommt noch ein weiterer Faktor. Die Sektion LuxemburgStadt von natur & ëmwelt hat festgestellt, dass die Wälder rund um Neudorf – vor allem auf Seiten von Weimershof – ein Brut- und Jagdgebiet des Uhus sind. Die Vogelart steht national und europaweit unter Naturschutz.
„Diese Wälder sind ein natürlicher Lebensraum der größten europäischen Eule, dem Uhu. In den Wohnvierteln gibt es viele wissenschaftlich bestätigte Nachweise der Präsenz des Uhus. Vor Jahren hat der Uhu regelmäßig im Grund gebrütet. Seit es dort aber viele Baustellen gibt, ist dies nicht mehr der Fall. Es wäre schade, wenn wieder ein Stück Biodiversität verloren geht“, so die Sektion Stadt Luxemburg von der Organisation natur & ëmwelt.
Patrick Goldschmidt wiederholt, dass die zuständigen Dienste alles kontrolliert hatten und diesbezüglich nichts entdeckt haben. Der DP-Schöffe bringt im Gespräch Verständnis auf für die Sorgen: „Ich kann verstehen, dass es Widerstände gibt und Argumente gesucht werden, die Brücke nicht zu bauen. Aber ich bin überzeugt, dass das Projekt ein Mehrwert für alle Bürger dieser Viertel sein wird.“
Im Gemeinderat sieht es so aus, als würde das Projekt durchgewinkt werden – und dies auch mit großen Teilen der Oppositionsstimmen. Die Diskussionen über die Brücke sind damit aber sicherlich nicht beendet.