Halb so wild
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Ich bin zwar komplett durchgeschwitzt und völlig außer Atem, aber dennoch geht es mir blendend.
Magnus freut sich und spendiert mir mit meiner Partnerkarte ein Gläschen Wasser, damit ich die nächsten Gin Tonics gut vertrage.
Nach dem siebten Drink bekomme ich Herzprobleme. Erst jetzt wird mir klar, dass ich den Peinlichkeiten des heutigen Tages die Krone aufsetzen könnte, wenn ich jetzt betrunken und durchgeschwitzt auf der Tanzfläche eines angesagten Clubs kollabieren würde.
Auf die YouTube-Filme, die bestimmt noch heute Nacht hochgeladen würden, käme es zwar jetzt irgendwie auch nicht mehr an, aber wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich doch lieber nicht ganz so publikumswirksam zusammenbrechen.
Mit stechenden Brustschmerzen und heftiger Atemnot schleppe ich mich unauffällig zum Rand der Tanzfläche und orientiere mich dann in Richtung Toiletten. Eben habe ich zufällig gesehen, dass sich am Ende des Flures mit den Sanitäranlagen ein Notausgang befindet.
Ich stolpere darauf zu, drücke den Panikriegel nach unten und stürze buchstäblich ins Freie, denn ich verliere sofort das Gleichgewicht und falle auf die Knie. Hinter mir fällt die Tür ins Schloss.
Keuchend versuche ich mich zu orientieren. Ich stelle fest, dass ich auf den Pflastersteinen eines dunklen Innenhofes knie. Der bleiche Sternenhimmel lässt nur Schemen erkennen. Es weht ein lauer Sommerwind, der sich angenehm kühl auf meiner Haut anfühlt.
Immerhin geht es mir schon etwas besser. Das Atmen fällt leichter, der Druck in meiner Brust lässt nach. Dafür spüre ich umso deutlicher ein sehr unangenehmes Ziehen in meinen Knien, nachdem ich damit eben hart auf den Pflastersteinen aufgeschlagen bin. Mühsam rappele ich mich hoch, schaue hinauf zu den Sternen und atme ein paarmal ruhig und tief durch. Tut gut. Sollen die Knie ruhig schmerzen, denke ich. Die Hauptsache ist, mein Herz macht nicht schlapp.
Auf der anderen Seite des Hofes flammt Licht auf. Es ist die Innenbeleuchtung einer schwarzen Limousine, die bislang nicht zu erkennen war.
Ich sehe, dass vier Männer beinahe synchron aus dem Wagen steigen. Sie lassen die Innenraumbeleuchtung brennen, während sie mir entgegen schlendern. Im trüben Licht kann ich erkennen, dass es sich um athletische Typen handelt.
„Adam Schmitt?“, fragt einer der vier. „Dr. Adam Schmitt?“
Sie tragen schwarze Lederjacken, die gepflegt und adrett aussehen. Dennoch wirken ihre Träger bedrohlich.
Ich befürchte, dass diese nächtliche Begegnung auf das Konto von Magnus geht. „Immer raus mit der Sprache. Was ist jetzt wieder passiert?“
Die vier sehen sich fragend an. „Ich glaube, das wissen Sie längst“, erwidert der Wortführer. „Es geht um Ihre Tochter.“
„Was ist mit Lena?“, frage ich alarmiert.
„Sie hat bei ihrem Exverlobten angerufen und ihm damit gedroht, dass er verklagt wird. Und zwar von Ihnen, Dr. Schmitt.“
„Ach so, das meinen Sie“, sage ich erleichtert und bin froh, dass es Lena gut geht.
„Das heißt dann wohl, diese Information entspricht den Tatsachen.“
„Ja. Schon möglich“, sage ich. „Aber wer will das wissen?“
„Herr Steiner hat uns gebeten, die Sache mit Ihnen persönlich zu besprechen. Sozusagen auf dem kleinen Dienstweg. Es fiel in dem besagten Telefonat die Summe von fünftausend Euro monatlich. Eine, wie Herr Steiner findet, unangemessene, um nicht zu sagen unverschämte Forderung.“
Ich sehe, wie die anderen drei Männer Teleskopschlagstöcke aus ihren Lederjacken ziehen und sich darauf vorbereiten, mir eine Abreibung zu verpassen.
„Verstehe“, sage ich. „Sie sind also die Ausputzer von Titus Steiner.“
„Nein. Wir sind unabhängige Dienstleister, die Hilfestellung bei Verhandlungen geben“, korrigiert der Wortführer. „Sie müssen verstehen, dass ein Mann wie Titus Steiner sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.“
„Klar. Da nimmt er lieber anderen die Butter vom Brot, richtig?“
Mein Gegenüber zuckt mit den Schultern. „Tja, das ist nun mal der Lauf der Welt.“
„Und was kommt jetzt?“, frage ich. „Wollen Sie mir die Knochen brechen?“
„Nein. Heute nicht. Es reicht uns, wenn Sie Ihr Vorhaben noch einmal in Ruhe überdenken. Sie haben dazu zwölf Stunden Zeit. Dann kommen wir wieder.“Kunstpause. „Erst dann brechen wir Ihnen die Knochen. Und das auch nur wenn Sie nicht kooperieren.“
Ich merke, dass der Kerl mich wütend macht. Sogar sehr wütend. Der Tag war lang und anstrengend genug. Da brauche ich am Abend nicht noch Drohungen von einem Schweizer Multimillionär. Obendrein von einem, der sich als feinsinniger Kunstkenner inszeniert, während er in Hinterhöfen Leute bedrohen und einschüchtern lässt.
„Danke für die zwölf Stunden. Aber das ist nicht nötig“, sage ich und sehe, dass der Wortführer mich interessiert anschaut. „Richten Sie Titus Steiner bitte aus, dass der Preis sich gerade verdoppelt hat. Zehntausend pro Monat. Und ich werde diese Summe wieder verdoppeln, wenn ich Ihre Schlägervisagen noch einmal sehen muss.“
Der Wortführer schüttelt phlegmatisch den Kopf. Das dauert eine Weile.
„Tja, Dr. Schmitt“, sagt er dann. „Ich befürchte, unter diesen Umständen müssen wir Ihnen doch noch heute die Knochen brechen. Wer keinen Ärger will, darf eben keinen Ärger machen.“
Ich hatte gehofft, ihn mit meiner forschen Art ein wenig einzuschüchtern. Dass er von meiner Drohung so gar nicht beeindruckt ist, beunruhigt mich jetzt doch ein wenig.
„Was wollen Sie tun?“, frage ich unsicher. „Mich einfach hier zusammenschlagen?“
„Ganz genau das“, erwidert der Wortführer.
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