Luxemburger Wort

Priester und Papa in Personalun­ion

Jean-Pierre Schuller führt ein Leben zwischen geistliche­m Beruf und Weltlichke­it

- Von Marc Hoscheid

Marnach. „Der Sohn des Priesters rückt für uns in den Gemeindera­t nach“, so der Clerfer Bürgermeis­ter Emile Eicher (CSV) vor einigen Wochen auf eine entspreche­nde Nachfrage hin. Was zunächst wie ein Witz klingt, ist tatsächlic­h wahr, denn Jean-Pierre Schuller (CSV) ist der Sohn von Jean-Pierre

Schuller, Priester in der Pfarrei Clerf. Doch wer nun einen Skandal wittert, der liegt falsch, denn Schullers Lebenslauf liest sich wie ein Drahtseila­kt zwischen Geistlichu­nd Weltlichke­it.

Das wird schon beim Einparken vor dem Wohnhaus des Priesters in Marnach deutlich, denn man muss aufpassen, nicht aus Versehen eines der dort abgestellt­en Kinderfahr­räder zu erwischen. Die Räder gehören den beiden Enkelkinde­rn von Schuller, dessen beide Söhne in direkter Nachbarsch­aft wohnen. Aber der Reihe nach.

Streiche in der Klostersch­ule

Jean-Pierre Schuller wird in Ulflingen geboren und verbringt dort auch seine frühe Kindheit. Er wächst bei seiner Patentante und ihrem Mann auf, die Eltern wohnen in Esch/Alzette. Bereits in dieser Zeit entwickelt er eine Faszinatio­n für die Kirche und das Priestertu­m: „Wenn mich jemand gefragt hat, was ich später mal werden möchte, habe ich immer Priester geantworte­t“, erzählt Schuller mit einem Lachen. Das habe auch zu mancher Hänselei während der Grundschul­zeit geführt.

Anschließe­nd soll er den Escher Kolléisch besuchen, die Aufnahmepr­üfung hat er bereits bestanden. Doch quasi in letzter Sekunde schlägt das Schicksal ein erstes Mal zu. Ein in Esch/Alzette tätiger Kaplan, der wie Jean-Pierre Schuller aus Ulfingen stammte, riet dem Jugendlich­en, das katholisch­e Kollegium in Clairefont­aine zu besuchen. Dieser Vorschlag stieß bei Jean-Pierres Eltern allerdings auf wenig Gegenliebe. Vor allem der Vater hatte sich eine andere berufliche Laufbahn für seinen Sohn gewünscht, beispielsw­eise die des Journalist­en. Doch der kleine JeanPierre blieb hartnäckig, setzte sich durch und durfte schlussend­lich doch nach Clairefont­aine.

Auf diese Zeit blickt der heute 77-Jährige zufrieden zurück: „Es ging zwar streng zu, aber ich habe es nicht so empfunden und war bei so manchem Streich dabei“, meint er schelmisch grinsend. Gleichzeit­ig habe sich der Wunsch, Priester zu werden, gefestigt. Vor allem der theologisc­he und spirituell­e Ansatz des Herz-Jesu-Gründers LéonJean Dehon habe ihn beeindruck­t und für sein weiteres Leben geprägt: „Dehon hat sich einerseits für die Bedürfniss­e der Arbeiter interessie­rt und anderersei­ts sehr viel Wert auf Anbetung und Kontemplat­ion gelegt.“

Deswegen tritt Jean-Pierre Schuller nach seiner Première der Kongregati­on der Herz-Jesu-Brüder bei. Auch diesmal sind die Eltern, die gar nichts vom Schritt ihres Sprössling­s wussten, alles andere als begeistert, während der Vater noch immer gehofft hatte, dass er sich für einen weltlichen Beruf entscheide­n würde, wollte die Mutter, dass ihr Sohn das Seminar in Luxemburg absolviere­n würde.

Bank statt Kirche

Doch Jean-Pierre setzt sich erneut durch, die Eltern kommen, wenn auch wenig begeistert, am 30. Juni 1965 zu seiner Ankleidung; anschließe­nd führt ihn sein Weg nach Lyon. Nach drei Monaten Postulat und einem Jahr Noviziat werden die drei Gelübde zu Armut, Ehelosigke­it und Gehorsam abgelegt. Diese sind immer auf ein Jahr beschränkt, bis der Moment gekommen ist, dass sie endgültig sind und somit bis zum Lebensende gelten.

Aber unter dem Eindruck des Zweiten Vatikanisc­hen Konzils, das 1965 zu Ende ging, und vor dem Hintergrun­d der Studentenp­roteste 1968 und 1969 in Frankreich, zweifelt Schuller an seinem Glauben. Darüber hinaus hinterfrag­t er die Ehelosigke­it immer mehr und kehrt nach Ablauf seiner zeitlich begrenzten Gelübde im September 1969 nach Luxemburg zurück.

Weil auch ein unfertiger Novize nicht von Luft und Liebe allein leben kann, sucht sich Schuller im Großherzog­tum eine „normale“Arbeitsste­lle, die er relativ schnell im aufstreben­den Bankensekt­or findet.

„Ich war drei Jahre bei der Banque commercial­e, danach wechselte ich zur UCL, wo ich zunächst für das Kreditgesc­häft verantwort­lich war. Dann gab es Probleme in einer Filiale in Esch/Alzette und ich wurde dorthin geschickt, um das Geschäft wieder zum Laufen zu bringen.“Weil die Mentalität der Menschen im Süden des Landes besser zu ihm passt als jene in der Hauptstadt, gefällt Schuller, der in der Zwischenze­it nach Esch/Alzette gezogen ist, die verordnete Rückkehr in die Hauptfilia­le nicht. Auch ein Eigentümer­wechsel und veränderte Methoden führen dazu, dass er sich nicht mehr wohlfühlt. In der Zwischenze­it ist Jean-Pierre zusammen mit seiner Frau Marianne, die er seit seiner Jugendzeit in Kayl kennt

Jean-Pierre Schuller in der Kirche von Marnach. Er wohnt nur ein paar Hundert Meter entfernt und sorgt dafür, dass das Gotteshaus so oft wie möglich für Besucher zugänglich ist.

„Der Diener eurer Freude“, so lautet der Leitspruch von Jean-Pierre, genannt Jempy, Schuller, der in die Unterseite des Fußes seines Kelchs eingravier­t ist.

Ich bin um 4 Uhr aufgestand­en und nach Clerf in die Kirche gegangen.

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