Priester und Papa in Personalunion
Jean-Pierre Schuller führt ein Leben zwischen geistlichem Beruf und Weltlichkeit
Marnach. „Der Sohn des Priesters rückt für uns in den Gemeinderat nach“, so der Clerfer Bürgermeister Emile Eicher (CSV) vor einigen Wochen auf eine entsprechende Nachfrage hin. Was zunächst wie ein Witz klingt, ist tatsächlich wahr, denn Jean-Pierre Schuller (CSV) ist der Sohn von Jean-Pierre
Schuller, Priester in der Pfarrei Clerf. Doch wer nun einen Skandal wittert, der liegt falsch, denn Schullers Lebenslauf liest sich wie ein Drahtseilakt zwischen Geistlichund Weltlichkeit.
Das wird schon beim Einparken vor dem Wohnhaus des Priesters in Marnach deutlich, denn man muss aufpassen, nicht aus Versehen eines der dort abgestellten Kinderfahrräder zu erwischen. Die Räder gehören den beiden Enkelkindern von Schuller, dessen beide Söhne in direkter Nachbarschaft wohnen. Aber der Reihe nach.
Streiche in der Klosterschule
Jean-Pierre Schuller wird in Ulflingen geboren und verbringt dort auch seine frühe Kindheit. Er wächst bei seiner Patentante und ihrem Mann auf, die Eltern wohnen in Esch/Alzette. Bereits in dieser Zeit entwickelt er eine Faszination für die Kirche und das Priestertum: „Wenn mich jemand gefragt hat, was ich später mal werden möchte, habe ich immer Priester geantwortet“, erzählt Schuller mit einem Lachen. Das habe auch zu mancher Hänselei während der Grundschulzeit geführt.
Anschließend soll er den Escher Kolléisch besuchen, die Aufnahmeprüfung hat er bereits bestanden. Doch quasi in letzter Sekunde schlägt das Schicksal ein erstes Mal zu. Ein in Esch/Alzette tätiger Kaplan, der wie Jean-Pierre Schuller aus Ulfingen stammte, riet dem Jugendlichen, das katholische Kollegium in Clairefontaine zu besuchen. Dieser Vorschlag stieß bei Jean-Pierres Eltern allerdings auf wenig Gegenliebe. Vor allem der Vater hatte sich eine andere berufliche Laufbahn für seinen Sohn gewünscht, beispielsweise die des Journalisten. Doch der kleine JeanPierre blieb hartnäckig, setzte sich durch und durfte schlussendlich doch nach Clairefontaine.
Auf diese Zeit blickt der heute 77-Jährige zufrieden zurück: „Es ging zwar streng zu, aber ich habe es nicht so empfunden und war bei so manchem Streich dabei“, meint er schelmisch grinsend. Gleichzeitig habe sich der Wunsch, Priester zu werden, gefestigt. Vor allem der theologische und spirituelle Ansatz des Herz-Jesu-Gründers LéonJean Dehon habe ihn beeindruckt und für sein weiteres Leben geprägt: „Dehon hat sich einerseits für die Bedürfnisse der Arbeiter interessiert und andererseits sehr viel Wert auf Anbetung und Kontemplation gelegt.“
Deswegen tritt Jean-Pierre Schuller nach seiner Première der Kongregation der Herz-Jesu-Brüder bei. Auch diesmal sind die Eltern, die gar nichts vom Schritt ihres Sprösslings wussten, alles andere als begeistert, während der Vater noch immer gehofft hatte, dass er sich für einen weltlichen Beruf entscheiden würde, wollte die Mutter, dass ihr Sohn das Seminar in Luxemburg absolvieren würde.
Bank statt Kirche
Doch Jean-Pierre setzt sich erneut durch, die Eltern kommen, wenn auch wenig begeistert, am 30. Juni 1965 zu seiner Ankleidung; anschließend führt ihn sein Weg nach Lyon. Nach drei Monaten Postulat und einem Jahr Noviziat werden die drei Gelübde zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam abgelegt. Diese sind immer auf ein Jahr beschränkt, bis der Moment gekommen ist, dass sie endgültig sind und somit bis zum Lebensende gelten.
Aber unter dem Eindruck des Zweiten Vatikanischen Konzils, das 1965 zu Ende ging, und vor dem Hintergrund der Studentenproteste 1968 und 1969 in Frankreich, zweifelt Schuller an seinem Glauben. Darüber hinaus hinterfragt er die Ehelosigkeit immer mehr und kehrt nach Ablauf seiner zeitlich begrenzten Gelübde im September 1969 nach Luxemburg zurück.
Weil auch ein unfertiger Novize nicht von Luft und Liebe allein leben kann, sucht sich Schuller im Großherzogtum eine „normale“Arbeitsstelle, die er relativ schnell im aufstrebenden Bankensektor findet.
„Ich war drei Jahre bei der Banque commerciale, danach wechselte ich zur UCL, wo ich zunächst für das Kreditgeschäft verantwortlich war. Dann gab es Probleme in einer Filiale in Esch/Alzette und ich wurde dorthin geschickt, um das Geschäft wieder zum Laufen zu bringen.“Weil die Mentalität der Menschen im Süden des Landes besser zu ihm passt als jene in der Hauptstadt, gefällt Schuller, der in der Zwischenzeit nach Esch/Alzette gezogen ist, die verordnete Rückkehr in die Hauptfiliale nicht. Auch ein Eigentümerwechsel und veränderte Methoden führen dazu, dass er sich nicht mehr wohlfühlt. In der Zwischenzeit ist Jean-Pierre zusammen mit seiner Frau Marianne, die er seit seiner Jugendzeit in Kayl kennt
Jean-Pierre Schuller in der Kirche von Marnach. Er wohnt nur ein paar Hundert Meter entfernt und sorgt dafür, dass das Gotteshaus so oft wie möglich für Besucher zugänglich ist.
„Der Diener eurer Freude“, so lautet der Leitspruch von Jean-Pierre, genannt Jempy, Schuller, der in die Unterseite des Fußes seines Kelchs eingraviert ist.
Ich bin um 4 Uhr aufgestanden und nach Clerf in die Kirche gegangen.