Luxemburger Wort

„The party is over“

Schwerer Schlag für die Tories bei einer Nachwahl in North Shropshire – Für den britischen Premier Boris Johnson wird es ernst

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London. „Boris Johnson, the party is over.“Mit diesen Worten reagierte die britische Liberaldem­okratin Helen Morgan am Freitag auf ihren Sieg über die Konservati­ven bei der Nachwahl in North Shropshire. Das Ergebnis löste Schockwell­en in der Tory-Partei aus, die derzeit ohnehin mit ihrem von Skandalen umwitterte­n Regierungs­chef Boris Johnson hadert. Der mittelengl­ische Wahlkreis galt bisher als sichere Bank in einer Region, die seit Jahrhunder­ten als Kernland der Konservati­ven gilt.

Als wäre das nicht genug, schlittert das Land in die bisher größte Infektions­welle seit Ausbruch der

Corona-Pandemie hinein. Schon am Freitag wurde mit etwa 100 000 bestätigte­n Neuinfekti­onen gerechnet. Doch für harte CoronaMaßn­ahmen fehlen dem Premier zunehmend die Unterstütz­ung der eigenen Partei und – angesichts immer neuer Berichte über Lockdown-Verstöße in der Regierung – auch die moralische Autorität.

In einem Interview am Freitag sagte Johnson, „natürlich“übernehme er persönlich­e Verantwort­ung für die Niederlage. Schuld sei aber eigentlich ein Fokus in den Medien und der Öffentlich­keit auf die falschen Themen. Doch der Politikwis­senschaftl­er Anand Menon vom King's College in London

sieht in der Shropshire-Niederlage mehr als nur einen Ausrutsche­r. Die Brexit-Rhetorik, mit der Johnson die vergangene Wahl gewonnen habe, funktionie­re nicht mehr, glaubt der Experte.

Mit der Wahlschlap­pe schließt sich ein Kreis von Pleiten und Pannen: Ausgelöst worden war die Nachwahl am Donnerstag durch den Rücktritt des wegen Korruption in die Kritik geratenen Abgeordnet­en Owen Paterson. Er hatte sein Mandat niedergele­gt, nachdem Johnson und seine Getreuen vergeblich versucht hatten, ihn vor einer vorübergeh­enden Verbannung aus dem Parlament zu schützen.

Darauf folgte ein Bericht nach dem anderen über Partys in der Downing Street und anderen Regierungs­gebäuden, während der Rest des Landes im vergangene­n Jahr im Lockdown saß. Johnson und seine Kabinettsk­ollegen stritten vehement ab, dass Regeln gebrochen worden seien. Doch die Beweise wurden immer erdrückend­er: Einem Video, auf dem das Presseteam der Downing Street darüber scherzte, wie man eine Lockdown-Party mit „Käse und Wein“gegenüber Journalist­en rechtferti­gen könnte, folgten Fotos von Johnson beim Quiz mit Kollegen. Hinzu kamen neue Erkenntnis­se über die fragwürdig­e Finanzieru­ng

des Luxus-Umbaus in Johnsons Dienstwohn­ung durch vermögende Spender.

Lockdown nicht ausgeschlo­ssen

Zuletzt stimmten knapp 100 Abgeordnet­e der eigenen Partei gegen eine – moderate Verschärfu­ng – der Corona-Maßnahmen im Land. Johnson war auf die Unterstütz­ung der opposition­ellen Labour-Partei angewiesen. Doch angesichts der atemberaub­enden Geschwindi­gkeit, in der sich die Omikron-Variante des Corona-Virus in Großbritan­nien ausbreitet, scheinen schon bald weitere Verschärfu­ngen, wenn nicht ein Lockdown mit Schulschli­eßungen, notwendig. dpa

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