Kratzer im blauen Lack
Die DP verliert laut Umfragen an Zuspruch – daran sind auch diverse Affären schuld – eine Analyse
Die DP hat schon angenehmere Stunden erlebt. Laut der rezenten Sonndesfro würden die Liberalen mit nur noch neun Sitzen nämlich in den einstelligen Bereich abrutschen. Im Juni hatte es noch für 13 Mandate gereicht, im November vor einem Jahr sogar noch für 14. Das macht in den Umfragen immerhin ein Minus von fünf Sitzen innerhalb eines Jahres aus. Die Konsequenz: Die Dreierkoalition würde ihre Mehrheit verlieren, obwohl die LSAP zulegen kann. Bei den Wahlen vom Herbst 2018 hatte die DP zwölf Sitze errungen, einen weniger als 2013 bei ihrem historischen Sieg.
Sicher, Umfragen haben wegen der Aufsplitterung der Parteienlandschaft eine immer geringere Haltbarkeitsdauer und das luxemburgische Wahlsystem hat seine Tücken. Doch der liberale Abwärtstrend schreibt sich fort und liegt mit einem Minus von 3,7 Prozentpunkten
innerhalb eines Jahres jenseits der Fehlermarge. Nur im Sommer 2020 hatte die DP im Windschatten der Corona-Pandemie kurzfristig zulegen können.
Natürlich drückt die nicht enden wollende Corona-Krise bei den Wählern aufs Gemüt. Das bekommen alle großen Parteien zu spüren, bis auf die LSAP, die von der Beliebtheit von Gesundheitsministerin Paulette Lenert profitiert. Es ist aber nicht nur die allgemein miese Stimmung, die der DP zusetzt. Sie hat auch mit den Folgen der hausgemachten Affären zu kämpfen.
Premier Bettel lässt Federn
Das bekommt vor allem Premier Xavier Bettel nach dem Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe deutlich zu spüren: Im Vergleich zur Juni-Umfrage lässt er im Politmonitor vom November acht Prozentpunkte hängen. 71 Prozent Zustimmung reichen zwar weiterhin für Platz drei im Politranking, doch der Abstand zu Gesundheitsministerin Lenert wird größer.
Die Ausschreitungen bei den Demonstrationen vom 4. Dezember und die Debatte um das neue Covid-Gesetz haben die Affäre zwar wieder aus den Schlagzeilen verdrängt, doch ausgestanden ist sie noch lange nicht. Denn spätestens wenn die Uni sich positionieren wird, ist der Plagiatsvorwurf wieder in aller Munde, unabhängig davon, wie das Urteil aussehen wird. Und irgendetwas bleibt immer hängen.
Dass der Premier bei den Wählern an Zuspruch verliert, ist für die Liberalen umso schlimmer, als
Bettel der eigentlich starke Mann der DP ist, auch ohne Parteimandat. Ohne Bettel geht in der DP gar nichts. Er bestimmt, wo es lang geht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er immer wieder den Teamgeist beschwört.
Cahen in der Abwärtsspirale
Dass Affären eine sehr lange Wirkungsdauer haben können, musste auch Familienministerin Corinne Cahen feststellen. Wie Bettel büßte sie im letzten Politmonitor acht Prozentpunkte gegenüber der Umfrage vom Juni ein. Damit landete sie im November nur noch auf Platz 30 und bildet hinter Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) das Schlusslicht unter den Regierungsmitgliedern. Cahen schneidet bei der Beliebtheit und in der Kompetenz mit 28 beziehungsweise 27 Prozent Wählerzuspruch gleichermaßen schlecht ab.
Hauptursache für den Absturz ist ihr Krisenmanagement in den Alters- und Pflegeheimen, als es während der zweiten Welle im Winter 2020/21 in den Häusern reihenweise zu Clustern mit zahlreichen Toten gekommen war. Bereits bei der Juni-Umfrage war Cahen deshalb um ganze elf Prozentpunkte eingebrochen, dies obwohl der Waringo-Bericht, der die Missstände beim Krisenmanagement offenlegte, erst Tage später veröffentlicht wurde.
Bereits davor hatte die Ministerin mehrmals Federn lassen müssen, etwa im Herbst 2019 nach der Affäre um eine private E-Mail, die sie als Ministerin an den Geschäftsverband der Hauptstadt verschickt hatte, oder im Zusammenhang mit der Vermietung einer Wohnung auf Airbnb. Auch in der Causa der EU-Abgeordneten Monica Semedo machte die DP-Parteipräsidentin nicht zuletzt wegen der holperigen Kommunikation keine gute Figur.
Ihre Ausgangsposition ist also nicht gerade optimal, wenn sie bei den Gemeindewahlen 2023 Lydie Polfer als Bürgermeisterin der Hauptstadt beerben will. Cahen genießt zwar die Rückendeckung von Premier Bettel, doch in der DP sind anderthalb Jahre vor den Wahlen noch längst nicht alle von ihr als mögliche Spitzenkandidatin überzeugt.
Denn für die Liberalen steht enorm viel auf dem Spiel. Die Hauptstadt ist die DP-Hochburg schlechthin. Seit dem Zweiten Weltkrieg musste die Partei nur ein einziges Mal den prestigeträchtigen Bürgermeistersessel abgeben, und zwar 1964 an Paul Wilwertz von der LSAP. Ein Verlust der Hauptstadt wäre – unabhängig vom landesweiten Abschneiden der Partei – für die DP ein Fiasko.
Zwei Generationen
Dank ihrer enormen Erfahrung gilt Amtsinhaberin Lydie Polfer, die die Geschicke der Gemeinde seit 25 Jahren leitet – zunächst zwischen 1982 bis 1999 und dann nach dem Wechsel von Xavier Bettel ins Staatsministerium wieder ab Dezember 2013 – eigentlich als Garant für einen weiteren Sieg. Doch die 69-jährige Widersacherin von Corinne Cahen (48) wirkte zuletzt etwas amtsmüde. Und hinter den beiden liberalen Politikerinnen, die nicht nur zwei verschiedenen Generationen angehören, sondern auch einen völlig anderen politischen Stil verkörpern, liegen die CSV und der Erste Schöffe Serge Wilmes auf der Lauer und wittern ihre Chance.
Die für den 11. Juni 2023 anberaumten Kommunalwahlen werden also nicht ohne Einfluss auf die Nationalwahlen bleiben. Dabei wird es für die Liberalen vor allem im Süden schwer. Zum einen
Dass der Premier an Zuspruch verliert, ist für die Liberalen umso schlimmer, als Bettel der eigentlich starke Mann der DP ist, auch ohne Parteimandat.
Ein Verlust der Hauptstadt wäre – unabhängig vom landesweiten Abschneiden der Partei – für die DP ein Fiasko.
war der Bezirk nie eine ihrer Hochburgen, zum anderen müssen sie nach dem angekündigten Rücktritt von Finanzminister Pierre Gramegna und nach dem Tod von Eugène Berger gleich auf zwei Politiker der ersten Reihe verzichten. Gramegna hatte bei den Wahlen 2018 mehr als 18 000 Stimmen bekommen, Berger immerhin noch fast 11 000.
Die müssen erst einmal aufgefangen werden, was zumindest für einen Teil Claude Meisch (15 527) gelingen könnte. Doch der Bildungsminister gerät immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. In den Umfragen schneidet er seit Jahren chronisch schlecht ab.