#YesWeCare
Lichterkette auf der Wiener Ringstraße für Pandemie-Opfer
5,2 Kilometer ist sie lang, die Wiener Ringstraße. Sie dient dem Flanieren, sie dient dem Repräsentieren und derzeit vor allem auch dem Demonstrieren. Keine Woche ohne Kundgebung. Keine Woche ohne Proteste von Corona-Maßnahmengegnern, befeuert von Neonazis, Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern. Keine Woche ohne Parolen wie: „Friede, Freiheit, keine Diktatur.“Oder auch: „Wir sind das Volk.“Wutschnaubend. Samstag für Samstag.
Am Sonntag um 19 Uhr herrscht hier Stille. Gerade zogen noch Autos auf der dreispurigen Straße vorüber. Vorbei an Staatsoper, Hofburg, Parlament, dem Burgtheater, dem Rathaus. Dann reißt der Verkehr ab – und aus dem Baumreihen um den Ring treten Zehntausende mit Kerzen auf die Fahrbahn. Schweigend.
13 400 Todesopfer hat die Pandemie in Österreich bis zum Sonntag gefordert. 13 000 Menschen auf den Ring zu bringen, den Kreis um die Innenstadt Wiens zu schließen, das war das Ziel der Aktion #YesWeCare. Eine Lichterkette sollte es laut Organisatoren werden. Keine Demonstration. Ein Dank an die, die in dieser Krise an der medizinischen Front stehen. Keine Kundgebung. Und dennoch war es genau eine solche: Eine all jener, die seit Wochen entsetzt nur mehr schweigend zusehen, wie Woche um Woche Zehntausende mit Neonazis durch Wien marschieren. All jener, die sich schweigend sagen: „Auch wir sind das
Volk.“Als Zeichen wollten die Organisatoren die Aktion verstanden wissen. Eine „Handreichung“nannte es Daniel Landau. Der Networker in Österreichs Zivilgesellschaft, Bildungswesen und Kultur ist Mitinitiator der Lichterkette. „Aber wir sind da nur Dominosteine, die sich jetzt halt fallen haben lassen“, sagt Daniel Landau dazu. Vor neun Tagen war die Idee geboren worden. Letztlich haben sich 40 zivilgesellschaftliche Organisationen und Interessenvertretungen der Aktion angeschlossen.
Katz-und-Maus-Spiel
Erst am Samstag hatten in Wien erneut Tausende Corona-Demonstranten für Chaos gesorgt, mit Polizeieinheiten Katz und Maus gespielt, versucht ein Einkaufszentrum zu stürmen. Die Proteste haben in Österreich das Ausmaß erreicht, dass um Krankenhäuser Demo-Bannmeilen andiskutiert werden – weil es zu Kundgebungen und Blockaden von Spitälern gekommen war. Mediziner, Pflegepersonal, Bürgermeister, Journalisten wurden zum Teil auch physisch attackiert. Intensivmediziner treten kaum mehr öffentlich auf, weil sie Morddrohungen erhalten. Bei Corona-Kundgebungen wurden Journalisten zuletzt mit Schneebällen und Eisbrocken beschmissen und abgedrängt.
„Es kann ja nicht sein, dass nur das Laute und das Aggressive dominiert“, sagt Daniel Landau dazu. Und diese Stimmung hatte sich in den vergangenen Tagen merkbar verstärkt. Zuletzt hatten sich die Rufe aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und auch Politik massiv verdichtet, dass man dem Ganzen auch auf der Straße etwas entgegensetzen müsse. Erst in der Vorwoche hatten mehrere Wissenschaftler in einem offenen Brief dazu aufgerufen, dass es dringend sei, sich einzumischen.
„Sie wollen nichts anderes, als sich auf die Sorgen und Ängste der
Menschen draufsetzen, um damit ihr Machtpotenzial entsprechend auszuweiten und voranzutreiben“, so Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zu den Corona-Protesten. Häupl ist einer der prominentesten Unterstützer der Lichter-Aktion. Und Häupl sagt zu diesem Spiel mit Ängsten der Corona-Leugner: „So fremd ist uns das aus der Geschichte nicht.“Österreich verfüge „über entsprechende Erfahrung mit solchen Typen“. Sein Appell: „Lasst euch das einfach nicht gefallen.“
Und es sind viele, die sich das eben nicht gefallen lassen wollen. Entsprechend breit der Schulterschluss gestern: Da standen Vertreter von Religionsgruppen neben Sozialisten; da standen ÖVP-Vertreter neben den „Omas Gegen Rechts“, einer antifaschistischen Vereinigung streitbarer Rentnerinnen; da standen grüne Politiker neben Prominenten aus der Wiener Gesellschaft und bürgerlichen Intellektuellen. Bundespräsident Alexander van der Bellen hatte seine Unterstützung ausgedrückt. Ebenso Kanzler Karl Nehammer. Beide waren allerdings nicht vor Ort. Sie wollten der Aktionen keinen allzu politischen Stempel aufdrücken.
13 400 Todesopfer hat die Pandemie in Österreich bis zum Sonntag gefordert.
Störkaktionen blieben aus
Mit Störaktionen und Gegenkundgebungen wurde gerechnet. Sie blieben aus. Wohl, wie Landau sagt: „Ich glaube, dass es schwer ist, einer ruhigen Gruppe mit Kerzen Aggression entgegenzusetzen“.
Es kann ja nicht sein, dass nur das Laute und das Aggressive dominiert. Daniel Landau, Mitinitiator der Lichterkette