Klimaschutz als Chance
Gespaltene Gesellschaften, Materialmangel in der Industrie, leere Gasspeicher in Europa – 2022 muss ein Jahr des Aufbruchs werden. Wir brauchen qualitatives Wirtschaftswachstum und neue Lichtblicke. Die Welt wird lernen, mit dem Virus zu leben, denn die Pandemie wird 2022 nicht verschwunden sein, aber durch neue Medikamente zur Behandlung von Covid-Erkrankungen ihren Schrecken verlieren. Der wirtschaftliche Abschwung der letzten Monate muss aufgefangen werden. Wie die Internationale Energieagentur IEA feststellt, hat die Stromproduktion in diesem Jahr einen Rekordwert erreicht – der aber mit massiver Umweltzerstörung einherging, denn der Strom, der produziert wurde, stammte vor allem aus der Verbrennung von Kohle. Laut IEA ein besorgniserregendes Zeichen dafür, wie weit die Welt in ihren Bemühungen, die Emissionen zu senken, vom Weg abgekommen sei. Auf der einen Seite werden immer ambitioniertere Ziele ausgegeben, die CO2-Emissionen zu senken, auf der anderen Seite steht die Realität – der Bedarf, der auch in Zukunft weiter anwächst, kann noch längst nicht durch CO2-neutrale Energieproduktion gedeckt werden. Zu allem Überfluss scheinen die Gasspeicher in Deutschland, aus denen sich zum Teil auch Luxemburg versorgt, weiterhin erschreckend leer zu sein – und sie leeren sich weiter. Zwar hatte der Hauptversorger Gazprom angekündigt, mehr zu liefern. Bislang geschehen ist das allerdings nicht – offenbar wird eben doch das russische Erdgas auch als politisches Druckmittel verwendet. Tatsächlich werden die nächsten Jahre entscheidend dafür sein, wohin die Welt sich wandelt. Wollen wir das Ruder herumreißen, müssen wir das jetzt tun. Wir brauchen realisierbare Pläne, was im nächsten und übernächsten Jahr erreicht werden soll. Keine Absichtserklärung, wo wir 2050 stehen wollen. Es braucht von Unternehmen und Politik klare Ansagen, wie dies konkret in den nächsten Jahren erreicht werden soll. Hier ist die Finanzbranche gefragt: denn ihre Investitionen sind es, die Entwicklungen beschleunigen oder verzögern oder sogar total abbremsen. Fast die Hälfte der globalen CO2-Emissionen wird von der Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke verursacht. In diesem Sinne ist es zu begrüßen, wenn Investmentfirmen ihre Kohlefinanzierung herunterfahren. Zur realistischen Betrachtung gehört aber auch zu erkennen, dass eine Vervielfachung von Windkraftanlagen in Mitteleuropa nicht möglich ist. Wir brauchen also engere Partnerschaften mit Ländern in Nordafrika, wo genügend Fläche vorhanden ist, um CO2-neutral Energie zu erzeugen. Und für diese Länder wäre es eine willkommene wirtschaftliche Unterstützung. Andere Länder zu veranlassen, auf Kohlestromproduktion zu verzichten, heißt gleichzeitig, dass ein finanzieller Ausgleich angeboten werden muss – ein finanzieller Kraftakt. Doch ohne das geht es nicht. Peking dürfte in der Pandemie übrigens festgestellt haben, wie verletzlich unsere Volkswirtschaften sind und welche Folgen es für Europa hat, wenn China Häfen schließt oder die Produktion von Seltenen Erden drosselt. Auch hier müssen Lehren gezogen werden – denn die Zukunft wird nicht einfacher werden.
Das nächste Jahr muss ein Jahr des Aufbruchs werden.