„Es wird Krieg geben“
Russischer Politologe erwartet militärische Eskalation, falls das Ultimatum Moskaus verstreicht
Wenn nichts dabei herauskomme, das habe man der NATO schon signalisiert, werde Russland Gegendrohungen aufbauen, erklärte Russlands Vizeaußenminister Alexander Gruschko am Samstag. „Aber dann wird es zu spät sein, uns zu fragen, warum wir das entschieden haben, warum wir diese Waffensysteme in Stellung gebracht haben.“
Russlands Diplomatie geht im Attacke-Modus in die Verhandlungen mit dem Westen über ein neues Sicherheitssystem in Europa. Am Freitag hatte das Außenministerium zwei russische Vertragsentwürfe veröffentlicht, die die USA und die NATO verpflichten sollen, Moskaus neue rote Linien anzuerkennen. Linien, die wieder bis zur Oder-Neiße-Linie reichen.
Moskau verlangt von den USA, dass es keine Staaten mehr in die NATO aufnimmt, die einst zur Sowjetunion gehörten. Amerika soll außerdem auf jede militärische Zusammenarbeit mit postsowjetischen Nicht-NATO-Mitgliedern verzichten. Aber vor allem sollen die USA sämtliche Atomwaffen aus Europa abziehen. Schließlich haben beide Seiten darauf zu verzichten, politische Aktivitäten zu unterstützen, die darauf abzielen „die politische und soziale Ordnung“des Vertragspartners zu verändern.
„Unannehmbare“Forderungen Die NATO aber soll sich in einer zweiten Vereinbarung mit Russland verpflichten, ihre Truppen und Waffen aus allen Staaten abzuziehen, in denen am 27. Mai 1997 noch keine Streitkräfte des Bündnisses standen. Betroffen wäre ganz Osteuropa, bis zur deutsch-polnischen Oder-Neiße-Grenze. Die NATOMitglieder haben zudem auf jede militärische Aktivität in „anderen Staaten Osteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens“zu verzichten.
Die russische Seite hat ihre ursprüngliche Forderung, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen, zu einem eurasischen Regelwerk erweitert, das es auch neutralen Ländern diktieren will. „Ein Gruß an Finnland, das bei den USA 64 Kampfjets vom Typ F-35 A und dazu 200 JASSM-ER-Präzisionsraketen mit einer Reichweite von tausend Kilometern gekauft hat“, schreibt der Carnegie-Experte Wladimir Frolow. Ein Gruß auch an das ebenfalls neutrale post-sowjetische Aserbaidschan, dessen Streitkräfte massive Militärhilfe des NATOMitglieds Türkei in Anspruch nehmen. Es gibt in den russischen Texten durchaus diskutable Passagen, etwa den Vorschlag, keine Mittelund Kurzstreckenraketen an Orten aufzustellen, von wo sie das Gebiet der Gegenseite erreichen. Er könnte den von den USA wie von Russland gekündigten INF-Vertrag über das Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen neu beleben. Vor dem Hintergrund einiger Formulierungen erfreut auch die einfache Feststellung, in einem Atomkrieg könne es keinen Sieger geben.
Trotzdem wird ein großer Teil der russischen Maximalforderungen nicht nur in Brüssel und Washington als „unannehmbar“bezeichnet. Auch Moskauer Beobachter staunen. Der oppositionelle Politologe Gleb Pawlowski spricht von einem „banausenhaften Ultimatum“.
Zuvor hatte Vizeaußenminister Sergei Rjabkow vor Journalisten erklärt, man wolle nur mit den USA verhandeln. „Wenn wir andere Länder einbeziehen, ertrinken wir in Diskussionen und leerem Geschwätz.“Ansonsten müsste die
Gegenseite nur noch unterschreiben, das könnte sie in wenigen Tagen erledigen.
Weniger Erdgas für Europa
Andrei Baklizki, Experte für internationale Politik, kommentiert diese Eile wenig begeistert: „Es macht sich wohl niemand Illusionen darüber, dass man ein knappes Vierteljahrhundert gegenseitiger Beziehungen nicht in derart kurzer Zeit umschreiben kann.“
Auch sein kremlnaher Kollege Sergej Lukjanow spricht von „Forderungen, die offenkundig nicht erfüllbar“seien. Andererseits seien nach solch ultimativen Worten weitere Schritte des Kremls unvermeidbar. Gleb Pawlowski erwartet eine militärische Eskalation, etwa gegenüber der Ukraine. „Es wird Krieg geben, unbedingt, vielleicht nur einen kleinen Krieg.“Einzig ein Gipfeltreffen zwischen Biden und Putin, oder andere direkte Kontakte zwischen den beiden Präsidenten könnte das noch verhindern.
Moskau macht nicht nur diplomatisch Druck. Nach Angaben der
Agentur Reuters sank der Umfang des Gases, das der Staatskonzern Gasprom am Samstag durch die Pipeline Jamal-Europa pumpte, gegenüber dem Vortag um 88 Prozent. Schon verweist die Zeitung „Kommersant“darauf, dass Europas Gasreserven diesen Winter nicht ausreichen könnten. Und der belarussische Außenminister Wladimir Makej verkündete, sein Land sei bereit, russische Atomwaffen aufzustellen, um auf mögliche Aktivitäten der NATO in Polen zu reagieren.
Auch in Russland selbst wird die Atmosphäre ungemütlicher. Vor wenigen Tagen wurde ein neues Gesetz bekannt, das Ausländer ab Ende des Jahres verpflichtet, sich alle drei Monate medizinisch untersuchen zu lassen. Kirgisische Gastarbeiter müssen ebenso wie deutsche Manager oder ihre siebenjährigen Kinder regelmäßig beweisen, dass sie weder drogensüchtig noch syphiliskrank sind. „Sie wollen wohl zeigen“, sagt ein spanischer Korrespondent, „dass Ausländer hier unerwünscht sind.“
1924 geboren, studierte der engagierte Jungpolitiker Philosophie, Recht, Wirtschaft und Pädagogik. Später arbeitete er als Lehrer. Ruhm und Ansehen bei den Simbabwern verdiente Mugabe sich im Kampf gegen die weiße Vormacht. Er erkannte früh die Schmach, durch die britische Kolonialherren und später der weiße Diktator Ian Smith seine Landsleute schickten. Um zu erfahren, wie es sich anfühlt, in einer freien afrikanischen Gesellschaft zu leben, zog der glühende Afronationalist für drei Jahre nach Ghana.
In den 1970er-Jahren wurde Mugabe federführend im bewaffneten Kampf, der sich gegen das Regime in seiner Heimat Südrhodesien formierte. Dafür bestrafte Smiths Regierung ihn mit zehn Jahren Gefängnis. Die politische Haft sollte ihm später einen ähnlichen Heldenstatus bei den Simbabwern bescheren wie Nelson Mandela in Südafrika.
1980 wurde Mugabe zum ersten Premierminister des freien Simbabwe gewählt. Zu jenem Zeitpunkt schienen die Strapazen, die später die Beziehungen zu Großbritannien und dem Westen bestimmten, noch Lichtjahre entfernt. „Sein Heldenstatus war kein Zufall“, sagt Rejoice Ngwenya, Politaktivist in der Hauptstadt Harare. Obwohl Mugabe ein „radikaler Marxist“gewesen sei, habe die frühere Kolonialmacht ihn wegen seines „adretten, aristokratischen Auftretens“akzeptiert. Mugabe schien ein überlegter Staatsmann, ein Gentleman zu sein. Groll gegen Weiße hegte er zunächst nicht. Auch das verband ihn mit Nelson Mandela. Zudem trat er vor der eigenen Haustür gegen das südafrikanische ApartheidRegime ein, was ihm laut Ngwenya neben „globaler Akzeptanz“sogar einen englischen Ritterorden bescherte.
Machterhalt um jeden Preis
Doch die Glanzzeit währte nicht lang. In den frühen 80er-Jahren kam es zu den sogenannten Gukurahundi-Massakern. Wie eine Horde scharfer Hunde ließ Mugabes Regime eine in Nordkorea ausgebildete Militärsondereinheit auf seine politischen Gegner los. 20 000 Angehörige der Ndebele-Volksgruppe wurden ermordet. „Die Massaker in Matabeleland waren ein großes Warnzeichen für Mugabes mangelnden Respekt für Demokratie und seine Bereitschaft, Gewalt für politische Ziele einzusetzen“, sagt Steven Gruzd,
Forscher am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA). Den Bruch mit dem Westen brachten aber nicht Mugabes frühe Menschenrechtsverletzungen. Es sollte 20 weitere Jahre dauern, ehe Europa und die USA sich von ihrem früheren Verbündeten lossagen – wegen dessen Landreformen.
Mit Macheten, Speeren und primitiven Gewehren wartet die Horde vor dem Farmhaus. Der weiße Bauer wird erschossen, die Bäuerin vergewaltigt und die Familie von ihrem Erbland verjagt. So brutal liefen einige der Farmenteignungen ab, die Teil von Mugabes „Indigenisierung“der simbabwischen Wirtschaft bildeten. „Dieser mangelnde Respekt für Eigentumsrecht und die brachiale Art und Weise führten dazu, dass sich westliche Regierungen und Bevölkerungen von Mugabe abwandten“, so Gruzd. Auch zwischen der schwarzen Bevölkerung und Mugabe – inzwischen Präsident- war die Beziehung längst nicht mehr so rosig wie zu Beginn.
„Weiße Farmer fühlten sich sicher aufgehoben unter Mugabe bis zu dem Zeitpunkt, an dem die schwarze Mehrheit ihm den Rücken kehrte“, sagt Nare. „Von da an ging er gegen weiße Farmer vor mit dem Ziel, die Unterstützung schwarzer Simbabwer zurückzugewinnen.“Allerdings hatte bereits eine Abwärtsspirale eingesetzt: Die Landumverteilung ging nach hinten los, Simbabwe wurde abhängig von seinen Nachbarländern und erstmals erlebten die Simbabwer etwas, was es im bisherigen „Brotkorb Afrikas“nicht gegeben hatte: Hunger. 2008 erreichte eine Hyperinflation mehr als 79 Milliarden Prozent. Und Mugabes Macht begann zu schwanken.
„Durch sein Klammern an der Macht verschlimmerte er die Menschenrechtslage weiter und stürzte das Land in ein bis dahin ungekanntes Ausmaß an Inflation, Korruption, Gesetz- und Arbeitslosigkeit“, so Demokratieaktivist Ngwenya. Die zunehmende Popularität der Opposition habe noch im Krisenjahr 2008 „Mugabes Schwächen aufgezeigt“. Erstmals musste sich der Despot einer Stichwahl stellen. Doch statt auf seine Unterstützer zu hoffen, hetzte Mugabe erneut seine Schergen auf die Gegner: Innerhalb weniger Tage starben mehr als 200 Anhänger von Oppositionsführer Morgan Tsvangirai. Der Regimegegner sollte einknicken. Letztendlich einigte man sich zähneknirschend auf eine Regierung der nationalen Einheit: Tsvangirai wurde Premierminister, Mugabe behielt als Präsident die Kontrolle über Sicherheitskräfte und Medien.
Das letzte Gefecht
Von südafrikanischen Zeitungen als „Zweckehe“betitelt, hielt die Koalition fünf Jahre. Danach sicherte sich Mugabe erneut die alleinige Macht – mit einer für Simbabwe ureigenen Mischung aus Repression, Heldenverehrung
und Abhängigkeit. Wer auf dem Land nicht für die ZANU-PF stimmte, erhielt bald keinen Dünger und Saatgut mehr. In den Städten, den Hochburgen der Opposition, wurde unterdessen die Lage von Journalisten, Aktivisten und Gewerkschaftern immer prekärer. Wer widersprach, wurde verhaftet oder verschwand spurlos. „In diesem Land ist das möglich, denn die Rechtsstaatlichkeit liegt auf der Intensivstation“, sagte der damalige oppositionelle Minister Jameson Timba. Er wurde drei Tage lang ohne Nahrung von der Polizei festgehalten.
Die Landeswährung brach ein, den Simbabwe-Dollar ersetzte der US-Dollar. Die Supermarktregale blieben immer öfter leer. Und Mugabe? Er machte den Westen für die Misere verantwortlich und die Sanktionen, die die Staaten gegen seine Regierung erlassen hatten.
Zunehmend unbeliebt beim eigenen Volk, traf der mittlerweile 93-Jährige eine Entscheidung, die sein politisches Ende besiegelte: Er positionierte seine 41 Jahre jüngere Ehefrau Grace im Rennen um seine Nachfolge. Kritiker sprachen von einem „SchlafzimmerPutsch“. Dieser kostete Mugabe die Unterstützung der Militärveteranen. Auf diese hatte er fast vier Jahrzehnte seine Macht gestützt.
November 2017: Panzer rollen durch Harare. Mugabe wird in einem kurzen, unblutigen Putsch durch seine eigene Armee abgesetzt. Vizepräsident Emmerson Mnangagwa, Rufname „Krokodil“, übernimmt das Amt und führt Mugabes harten Kurs fort. Um den Schein zu wahren, feiert das Regime Mugabe weiterhin als Freiheitskämpfer und Staatsvater – mit allen Ehren und jeglichem Komfort in dessen Villa. Aber für Demokratieaktivist Ngwenya steht fest: „Er starb als armseliger, gehasster Mann. Durch Egozentrik und Arroganz hat er sein eigenes Vermächtnis ruiniert“.
Durch Egozentrik und Arroganz hat er sein eigenes Vermächtnis ruiniert. Demokratieaktivist Rejoice Ngwenya