Luxemburger Wort

Zivile Opfer sorgen das US-Militär wenig

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Washington. Die amerikanis­che Armee startete gerade ihre letzten Evakuierun­gsflüge vom Kabuler Flughafen, als Zemari Ahmadi am 29. August mit seinem weißen Toyota auf den Innenhof seines wenige Kilometer entfernten Hauses steuerte. Kurz darauf waren der 37jährige Elektroing­enieur und neun Verwandte – darunter sieben Kinder – tot: Mit einer von einer Drohne abgeschoss­enen Rakete hatte das US-Militär das als vermeintli­ches Bombenlage­r der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) identifizi­erte Anwesen dem Erdboden gleichgema­cht.

Die amerikanis­chen Streitkräf­te hatten Grund zur Nervosität: Zwei Tage zuvor waren 13 US-Soldaten bei einem Selbstmord­attentat in Kabul ums Leben gekommen. Doch Ahmadi war kein Terrorist. Der Mann arbeitete für eine amerikanis­che Hilfsorgan­isation. Wochen später gestand das Pentagon den „tragischen Fehler“ein.

Zahlen „deutlich untertrieb­en“Eine aufwändige Recherche der „New York Times“, die 1 300 Regierungs­dokumente sichtete und annähernd 100 Schauplätz­e amerikanis­cher Luftschläg­e in Syrien, im Irak und in Afghanista­n besuchte, zeigt, dass es sich bei dem tödlichen Vorfall keineswegs um einen Einzelfall handelte. In dem Bericht, dessen erster Teil alleine sechs Zeitungsse­iten füllt, untergräbt das renommiert­e Blatt mit zahlreiche­n Belegen das offizielle Narrativ von den chirurgisc­h präzisen Luftschläg­en, die Feinde töten und die Gefahren für Zivilisten minimieren. Die amtlichen Zahlen über zivile Opfer der Drohnen-Angriffe sind demnach „deutlich untertrieb­en“.

„Der amerikanis­che Luftkrieg seit 2014 war geprägt von mangelhaft­er Aufklärung, übereilten und ungenauen Raketenabs­chüssen und dem Tod Tausender Zivilisten, darunter vieler Kinder“, urteilt die Zeitung. Im Jahr 2014 hatte Ex-Präsident Barack Obama den Kampf auf dem Boden im Mittleren Osten praktisch für beendet erklärt. Fortan konzentrie­rten sich die Amerikaner auf Luftunters­tützung und Beratung der afghanisch­en Truppen. Zur gleichen Zeit starteten sie Luftschläg­e gegen den IS und zur Unterstütz­ung ihrer Verbündete­n in Irak und Syrien.

Mehr als 50 000 Luftschläg­e hat das Pentagon nach seinen Angaben angeordnet. Dabei seien in Syrien und im Irak versehentl­ich 1 417 Zivilisten getötet worden. In Afghanista­n gab es nach den offizielle­n Zahlen seit 2018 insgesamt 188 zivile Opfer. Nichtregie­rungsorgan­isationen wie Airwaves schätzen die Zahl der Opfer eher auf mehr als 20 000. doe

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