Bitcoin erlebt sein bestes Jahr
Die Kryptowährung steht 2022 möglicherweise vor der größten Bewährungsprobe seit ihrer Einführung
Die Kryptowährung Bitcoin befindet sich seit einigen Wochen auf dem Rückzug. Von den Höchstständen bei rund 67 500 US-Dollar ging es stufenweise bergab. Das ist für viele Kleininvestoren, die streckenweise erst in 2021 den Einstieg gefunden haben, eine große Enttäuschung. Einige gebeutelte Käufer, die mittlerweile Geduld und Mittel verloren, beschleunigen dieser Tage mit ihren Verkäufen noch den Zwischentrend. Dieser zeigt deutlich an, momentan geht es bei den Highflyern am Kryptomarkt etwas ruhiger zu. Doch was sind die Einflussfaktoren für den mittelfristigen Trend? Kann die Assetklasse die Aufmerksamkeit im Jahresverlauf 2022 wieder auf sich ziehen?
Mehrfach wurde in den vergangenen Monaten behauptet, Bitcoin sei das neue Gold. Die Verwandtschaft zwischen beiden besteht darin, dass sie nicht kostenlos und beliebig vermehrbar sind – ähnlich wie viele begrenzte Güter. Genau wie bei Gold und dessen Gewinnung ist auch die Schaffung von Bitcoins mit einem enormen Aufwand verbunden.
Beiden Anlageinstrumenten liegt auch oft ein gemeinsames Kaufmotiv zugrunde: Misstrauen gegenüber Zentralbanken und die Absicherung gegen inflationäre Tendenzen. Seit einigen Monaten hat die Inflation weltweit merklich angezogen. Ein gewichtiger Unterschied zu Gold sind die einfachere Übertragbarkeit des digitalen Assets. Beim Versenden von Bitcoin spielt weder die versandte Anzahl noch die räumliche Distanz von Sender und Empfänger eine Rolle. Bedeutsam ist auch die Überflüssigkeit des Vertrauens zwischen zwei Geschäftspartnern und der Wegfall der Notwendigkeit einer Echtheitsprüfung. Was Bitcoin aktuell im Gegensatz zu Bargeld-basierten Goldtransaktionen nicht bieten kann, ist Anonymität.
Vergrößerte Marktbreite
Besonders bemerkenswert war die Kursrally des Bitcoins und einiger Krypto-Coins im Jahresverlauf; bis zu den ersten November-Tagen herrschte überall eine positive Stimmung vor. Getragen wurde die Euphorie tatsächlich durch starkes Kaufinteresse einiger institutioneller Investoren. Sie ließen durch Partner Bitcoins aufkaufen, vereinbarten Derivate mit den Anbietern des Kryptomarktes,
um Kundenprodukte für die klassische Wertpapier-Kundschaft zu generieren. Denn lange Zeit galt es als das größte Manko der Kryptoprodukte, dass sie nicht genügend Liquidität und entsprechende Handelbarkeit gewährleisteten. „Kunden, die ein Kryptoprodukt noch vor ein, zwei Jahren erwarben, um es anschließend in ihr Wertpapierdepot zu legen, wurden enttäuscht“, so der Vertreter einer Krypto-Handelsplattform.
Seit gut zwei Monaten können Anleger Exchange Traded Funds (ETF) kaufen. Der erste ETF ging im Oktober in den Handel, ein Schritt mit hoher Symbolkraft. Mit der größeren Anzahl an verfügbaren Instrumenten kam ab der zweiten Novemberwoche die Kurskonsolidierung in Gang, nun handelt Bitcoin um die 47 000 USDollar und damit deutlich unterhalb seiner Höchststände.
Bislang haben sich weder die Europäische Zentralbank noch die
Federal Reserve abschließend auf die Zulassung von Bitcoins als Zahlungsmittel eingelassen. Das dürfte noch eine Weile dauern. Die „Jünger“und Bitcoin-Verfechter müssen sich gedulden. Allerdings wurde für die EU die Beimischung von Kryptoassets in Fondsvermögen institutioneller Anleger genehmigt, das bedeutet, dass ein Aktien-Mischfonds bis zu 20 Prozent in gängige Kryptoassets investieren darf – eine Revolution.
Einige Wertpapierfonds haben daraufhin Kryptos ins Portfolio genommen und von Kurssteigerungen profitiert, die Zahl der Handelsteilnehmer und die Marktbreite erhöhte sich somit. Die Frage der Rahmensetzung bleibt ein Problem. Der Ruf nach Regulierung durch die wichtigen Zentralbanken und angegliederte Behörden verhallt noch lange nicht.
Regulierung kommt
Die Aufgabe einer Regulierungsbehörde besteht zum guten Teil aus der Warnung vor potenziellen Risiken. Aufgrund der hohen Schwankungsbreiten des Bitcoins und anderer Kryptoassets war und ist die Warnung durchaus zutreffend. Das stellt die Preisbewegung der letzten Wochen abermals unter Beweis, allein die Tagesschwankungen
fiel mit neun bis 13 Prozent so hoch aus wie nie zuvor.
Nach Ansicht der Chefstrategin Anlagegeschäft der Schweizerischen Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB), Fabienne Hockenjos, sei der Bitcoin eher ein Geldaufbewahrungs- und kein Zahlungsmittel. Viele Anbieter würden gegenwärtig aus dem Boden sprießen, die Produkte auf den Bitcoin proklamieren und eine 1:1 Kursentwicklung versprechen. Mit kleinen Beträgen können bereits Neueinsteiger von dem großen Sprung profitieren, zumindest werde die Vision vermittelt.
Danach kann es nach Meinung vieler Akteure für die Anleger nur in eine Richtung gehen – nach oben. Fallende Kurse wirken bei privaten Zockern, die unterwegs immer wieder die Hausse befeuern, eher wie eine bittere Pille. Für Kleinanleger muss es sinnvoller sein, sich bei der Beurteilung des Potenzials digitaler Assets nicht an prägnante Meilensteine zu klammern, sondern die Konzentration auf die stetigen Weiterentwicklungen zu richten. So gab es in den letzten Jahren einige Fortschritte in den Bereichen Marktinfrastruktur und Regulierung. Auch das Wachstum des Segments der nonfungible Token (NFTs) hat langfristig eine höhere Bedeutung als der Start eines einzelnen ETFs.
Das Segment der ETFs erreicht mittlerweile einen Gegenwert von mehr als 66 Milliarden US-Dollar und es gibt 78 verschiedene Produkte. Vor kurzem kam es zu einer Anhörung von amerikanischen Kryptoanbietern und Vermögensverwaltern vor dem US-Kongress. Viele Stimmen forderten dort eine Erlaubnis für Servicedienste kryptobezogener Produkte für institutionelle Anleger. Paradoxerweise sprachen die Diskussionsteilnehmer, unter anderem Bitfury, Coinbase und FTX davon, dass etliche Emissionshäuser sich für diese Zwecke kanadischer Dienstleister versichern mussten, da die USA immer noch das Geschäft untersagen.
Verlustobergrenzen definieren
Anleger sollten sich vor zu großen Verlust mit Stopp-Orders rüsten, das bedeutet klare Grenzen beim Verlust aufzuerlegen. „Denn oft fehlt es sowohl an klaren Regeln für den Ein- und Ausstieg als auch an robusten Ansätzen zur Auswahl von Assets und der Bestimmung der adäquaten Positionsgröße“, sagte jüngst ein Experte
Der Ruf nach Regulierung verhallt noch lange nicht.
Das Mining der Bitcoins wird sich in den kommenden Jahren verlangsamen.
bei iShares. Funktioniert eine Vorgehensweise ohne Verlustobergrenzen in einem steigenden Markt noch, stellen sich in einer ausgeprägten Korrektur oder einem langanhaltenden Abwärtsmarkt zumeist enorme Verluste ein. Nach Schätzung der Experten wird das Mining der Bitcoins sich in den kommenden Jahren verlangsamen. Wie blockchain.com jüngst mitteilte, seien bereits 18,9 Millionen geschürft worden. Die maximale Zahl liegt bei rund 21 Millionen. Der Maximalbestand könne laut blockchain.com 2041 erreicht werden.
Die Verknappung verleitet viele Teilnehmer und Anlageexperten zur Annahme, dass die mangelnde Verfügbarkeit das beste Kaufargument sei. Streckenweise hat das der Bitcoin-Handel seit 2010 gezeigt, doch das Credo allein sollte nicht der Ratgeber für einen Einstieg in 2022 sein.