Gefährliches Vakuum
Krawalle bei Demonstrationen, Aufmärsche vor Wohnhäusern von Politkern, Drohungen gegenüber Medizinern und Medien – lange blieb die Stimmung im Land ruhig und geduldig, nun führt nicht zuletzt der steigende Impfdruck zur Eskalation. Dabei ist die Vehemenz, mit der die Geimpften und die Ungeimpften auseinanderdriften und sich immer unversöhnlicher gegenüberstehen, eine Konsequenz der Politik: Man hinterlässt Vakuen, die von radikalen Kräften gefüllt werden können. So lässt die Kommunikation und Auseinandersetzung mit Ängsten und fake news zu Impfstoffen, wie dass sie unfruchtbar machen oder bei Kindern zu genetischen Veränderungen führen, weiterhin zu wünschen übrig. Auch die Dringlichkeit, mit der nun geimpft und aufgefrischt werden muss, verschärft die Stimmung unnötig und ist hausgemacht. Denn man läuft weiterhin den Entwicklungen hinterher, anstatt sie zu antizipieren, und agiert dann kopflos: Hatte das Impfen anfangs noch gut funktioniert, wurden die rechtzeitigen Auffrischungsimpfungen verschlafen, Entscheidungen dann überhastet getroffen und die praktische Umsetzung nicht bedacht.
Chaos und lange Warteschlangen verärgern nun auch noch die Impfwilligen. Auch die Haltung der Regierung zur Impfpflicht heizt die Stimmung weiter an: Sie heuchelt Freiwilligkeit vor und schloss bislang immer klar eine Impfpflicht aus, um jetzt durch die mit 2G drohende soziale Exklusion eine Stimmung des regelrechten Impfzwangs aufzubauen. Dass das für Empörung und Frustration sorgt, ist nachzuvollziehen. Auch wenn dadurch nun die Impfrate steigen sollte, bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
Es wäre allemal ehrlicher, eine allgemeine Impfpflicht auszurufen, als immer nur von größtmöglicher Freiheit und so geringen Restriktionen wie möglich zu schwafeln und dabei schlicht die Verantwortung für die öffentliche Gesundheit auf jeden Einzelnen abzuwälzen und an seine Solidarität zu appellieren. Eine Entscheidung für sich und seine eigene Gesundheit zu treffen oder im Interesse der Allgemeinheit eine Impfung auf sich zu nehmen, sind zwei Paar Schuhe. Den Menschen die Impffreiheit zu lassen, impliziert immer auch, dass die Risikoabwägung am Einzelnen hängen bleibt, womit nicht jeder umgehen kann. Die Regierung sollte sich endlich zu einer Impfpflicht bekennen. Zumal der Nationale Ethikrat mit seinem Gutachten den Weg für eine allgemeine oder teilweise Impfpflicht bereits geebnet hat. Und zumal jetzt auch noch der neue Impfstoff von Novavax zur Verfügung steht, der nicht unter die Kategorie der mRNA-Vakzine fällt, sondern ein klassischer Proteinimpfstoff ist. Es liegt eine Alternative vor, die eine Wahlfreiheit zulässt und gegen die schwer Argumente vorgebracht werden können.
Das Ziel, die Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden, wurde schon verfehlt: Die Hospitalisierungen sind gestiegen, die Krankenhäuser sind in der Phase drei, die zulässt, dass Eingriffe abgesagt werden können – ein weiterer Grund für Gräben zwischen Geimpften und Ungeimpften. Und dabei hat die Virusvariante Omikron Luxemburg noch gar nicht wirklich erreicht. Zeit für Entscheidungen.
Es ist Zeit, eine allgemeine Impfpflicht auszurufen.
Kontakt: annette.welsch@wort.lu