Alle Jahre wieder
Covid-Gesetz mit den Stimmen der Mehrheit angenommen – Debatte um die Impfpflicht ist lanciert
Es war bereits das zweite Mal, dass die Abgeordneten an einem Heiligabend zusammenkommen mussten, um über ein neues Covid-Gesetz abzustimmen. Nach einer dreistündigen Debatte passierte der neue Text am Freitag das Parlament mit den 31 JaStimmen der Regierungsparteien. 27 Abgeordneten votierten dagegen, die Piraten enthielten sich.
Die Kritik der Opposition machte sich eher an der Form als am Inhalt fest. CSV, ADR, Déi Lénk und die Piraten beanstandeten unisono, dass die Corona-Regeln innerhalb von nur acht Tagen zweimal angepasst werden mussten. Die Regierung wäre besser beraten gewesen, wenn sie die schärferen Maßnahmen sofort in das Gesetz vom 16. Dezember eingeschrieben hätte. Schließlich hätte man damals schon voraussehen können, mit welcher Wucht die neue Omikron-Variante zuschlagen würde, so der Vorwurf.
Claude Wiseler (CSV) sieht sich denn auch bestätigt, seine Partei habe bereits bei der letzten Gesetzesänderung Mitte Dezember im Hinblick auf die Omikron-Variante strengere Regeln gefordert. Die Regierung habe aber damals so getan, als sei das Risiko noch nicht abschätzbar. Das Argument, man müsse sich die nötige Flexibilität geben, ließ der gesundheitspolitische Sprecher der CSV nicht gelten. Die Regierung hätte sich besser vorbereiten und vorausschauender handeln müssen: „Das ist eine amateurhafte Regierungsarbeit“, so Wiseler.
Sven Clement (Piraten) schlug in dieselbe Kerbe und warf der Regierung ebenfalls Versäumnisse beim letzten Covid-Gesetz vor: „Auch vor einer Woche war bereits absehbar, was kommen würde.“Die Regierung hätte sich das neue Gesetz sparen können, wenn sie vor einer Woche auf die Opposition gehört hätte. Nathalie Oberweis (Déi Lénk) vertrat ebenfalls die Meinung, dass die meisten Informationen zur OmikronVariante damals schon bekannt waren. Sie gab zu bedenken, dass viele Bürger wegen der schnell aufeinander folgenden Gesetzesänderungen nicht mehr wüssten, welche Regeln denn nun gelten würden. Jeff Engelen (ADR) erklärte, die Regierung sei im Blindflug unterwegs, von Prävention könne keine Rede sein. Zudem warf er der Exekutive vor, sie habe bei der kurzfristigen Anpassung des Covid-Gesetzes „keinen Respekt vor dem Parlament und dem Staatsrat“gezeigt.
Zwischen Flexibilität und Prävention
Die Sprecher der Mehrheitsparteien verteidigten den neuen Text zwar, doch sie hatten allesamt etwas Mühe, die zweite Anpassung der Regeln innerhalb nur einer Woche glaubhaft zu begründen. Es gelte präventiv zu handeln, meinte beispielsweise Georges Engel (LSAP), für den es vor seinem Wechsel in die Regierung wahrscheinlich die letzte Rede als Abgeordneter war. Man habe sich die nötige Flexibilität bewahren wollen, um die Freiheiten der Bürger nicht über Gebühr zu beschneiden, betonte Gilles Baum (DP) und griff damit die Argumentation der Regierung auf. Mitte Dezember hätten noch wichtige Erkenntnisse gefehlt. Engel sprach in dem Kontext vom „präventiven Paradox“. Man könne nie genau sagen, ob einzelne Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt ergriffen wurden oder nicht.
Josée Lorsché (Déi Gréng) bedauerte ihrerseits, dass der Ausschuss nicht über die nötige Zeit verfügte, „um sich im Detail mit dem Text auseinanderzusetzen“. Zur Erinnerung: Die Regierung hatte ihren Entwurf erst am 22. Dezember auf den Instanzenweg geschickt. Doch wegen der Virulenz der Omikron-Variante habe man keine andere Wahl gehabt. Es gehe nun darum, der Omikron-Welle etwas entgegenzusetzen.
Über die neuen Maßnahmen als solche wurde am Freitag nicht sehr viel gestritten. Auch CSV, Piraten, Déi Lénk trugen die meisten Regeln mit. Sven Clement hätte sich aber zusätzlich zu den strengeren Regeln eine rigorosere Teststrategie gewünscht und Nathalie Oberweis tut sich schwer mit der auf 23 Uhr vorverlegten Sperrstunde sowie der Maskenpflicht in den Schulen.
Viel Klärungsbedarf bei der Impfpflicht
Wirklich heiß her ging es hingegen beim Thema Impfpflicht. Die CSV spricht sich angesichts der jüngsten Entwicklungen für eine generelle Impfpflicht aus: „Wir können nicht ewig so weiter machen“, begründete Claude Wiseler die Entscheidung seiner Partei. Auch eine stufenweise Einführung wäre für die CSV denkbar. Die Regierung müsse unverzüglich ein Konzept vorlegen, und nicht erst Mitte Januar, wie von Premier Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) angekündigt, so Wiseler. Eine entsprechende Motion der CSV wurde allerdings abgelehnt.
Genauso eindeutig positionierte sich auch die ADR. Die Reformpartei lehnt eine Impfpflicht weiterhin ab und setzt auf Freiwilligkeit. Déi Lénk stehen einer obligatorischen Impfung eher skeptisch gegenüber und wollen die Impfkampagne gezielter gestalten, bevor sie sich zu diesem Schritt entscheiden.
Die Mehrheitsparteien wollen eine Konsultierungsdebatte zum Thema Impfpflicht. Es gäbe noch viele offenen Fragen, sowohl ethischer als auch juristischer und sogar wissenschaftlicher Natur, betonte der LSAP-Fraktionsvorsitzende Engel. Josée Lorsché plädierte zwar dafür, zunächst alle „Impflücken zu schließen“, wollte eine generelle Impfpflicht aber nicht länger ausschließen. „Sollen wir weiter auf Eigenverantwortung setzen oder doch lieber auf eine generelle Impfpflicht einführen?“Die Antwort auf diese „Gretchenfrage“hoffen die Fraktionen von DP, LSAP und Grünen nach der Konsultierungsdebatte zu finden.
Auch der Premier und die Gesundheitsministerin versprechen sich viel von dieser Debatte. Bettel versprach, unmittelbar nach der parlamentarischen Auseinandersetzung einen Gesetzentwurf vorzulegen. Justizministerin Sam Tanson habe bereits mit der Ausarbeitung des Textes begonnen.
Auch vor einer Woche war bereits absehbar, was kommen würde. Sven Clement