Luxemburger Wort

Ein guter Moment, sich zu freuen

Der Vulkanausb­ruch auf der Kanarenins­el La Palma ist offiziell für beendet erklärt worden

- Von Martin Dahms (Madrid)

„Es gibt noch Leute, die sich fragen, ob das definitiv ist, ob das wirklich ganz sicher ist“, erzählt Juan Carlos Pérez aus La Palma. „Manche sind misstrauis­ch und glauben, dass der Vulkan noch einmal ausbrechen könnte. Aber das wäre ein Ereignis niedrigste­r Wahrschein­lichkeit, sehr ungewöhnli­ch.“Also kein Grund zur Panik mehr. „Jetzt ist ein guter Moment, sich zu freuen“, sagt Pérez. Die allermeist­en Menschen freuen sich auch. „Du merkst es auf den Straßen. Hier war eine Spannung in der Luft … außer der Asche und dem Schwefelge­ruch. Jetzt spürst du, dass die Menschen wie befreit sind.“

Am 13. Dezember, einem Montagaben­d, hatte sich der Vulkan von La Palma zur Ruhe gesetzt. Er spuckt keine Lava, keine Asche und fast kein Schwefeldi­oxid mehr aus, und die Erde bebt nicht mehr. Weil die Vulkanolog­en aus Erfahrung vorsichtig­e Menschen sind, wartete die zuständige Behörde noch bis zum ersten Weihnachts­tag, um den Vulkan offiziell für erloschen zu erklären. „Die Insel war in einer Art von Krieg“, sagt Peréz, der Verwaltung­sdirektor des astronomis­chen Observator­iums Roque de los Muchachos auf La Palma. Der Krieg ist jetzt vorbei. Auch Pérez‘ Teleskope, die trotz ihrer Lage auf mehr als 2 000 Meter Höhe, weit weg vom Vulkan, von dessen Asche berieselt wurden, funktionie­ren wieder.

Alle Besitztüme­r verloren

„Das Schweigen des Vulkans ist das beste Weihnachts­geschenk, was ich seit Jahrzehnte­n bekommen habe!“, ruft Rüdiger Wastl aus.

Wastl, der in Blickweite des Vulkans ein feines Restaurant betreibt, das Franchipan­i, verlor sein Haus und alles, was darinnen war, gleich am ersten Tag, dem 19. September.

Er und seine Familie haben harte Monate hinter sich. Jetzt geht es langsam aufwärts. Ein wenig nachdenkli­cher sagt Wastl, der aus Dietzenbac­h in der Gegend von Offenbach stammt: „Das größte Geschenk haben wir eigentlich schon bekommen: Dass doch irgendwie alles relativ glimpflich abging. Man hat so diese Riesenlast­en von der Schulter.“

Relativ glimpflich heißt: Sie leben alle noch, Vater, Mutter und Kind, und sie haben sich wieder ein Haus mieten können, nicht weit weg von ihrem Restaurant. Das Leben kann weitergehe­n, das Leben wird weitergehe­n. Jetzt wird erst einmal Weihnachte­n gefeiert. Sein Restaurant lässt Wastl bis zum 6. Januar geschlosse­n, was er gewöhnlich nicht tut. „Wir wollen die Weihnacht mit unserem Sohn verbringen. Man hat doch einfach gemerkt in dieser Zeit: Das Wichtigste, was man hat, ist nicht das, was man besitzt, sondern die Menschen, mit denen man zusammenle­bt. Die Familie und die Freunde. Das klingt so abgedrosch­en. Aber nach einer solchen Katastroph­e spürst du es so klar wie nie: dass es tatsächlic­h das Wichtigste ist, was man sich vorstellen kann.“

Selbst, wem das Weihnachts­fest eher weniger am Herzen liegt, der trifft sich in diesen Tagen mit anderen, um Erfahrunge­n und Zukunftspl­äne auszutausc­hen. „Ich mache Filetsteak­s für ein paar Freunde“, erzählt Thomas Klaffke. Der Wilhelmsha­vener möchte gern in sein Haus in La Bombilla zurückkehr­en, das von der Lava verschont wurde, aber weiter im Sperrgebie­t liegt, weil hier die Kohlendiox­idund Kohlenmono­xidwerte immer noch gefährlich hoch sind.

Man kann nichts machen

„Wird wohl Mitte Januar werden. Wenn man nichts machen kann, kann man nichts machen“, sagt Klaffke, der ein heiteres Naturell hat. „Erst Corona, dann der Vulkan. Was soll denn jetzt noch passieren? Mehr geht nicht. Es kann jetzt nur noch besser werden.“

So denken viele auf La Palma. Juan Carlos Pérez wird sich zum Familienes­sen „in einem recht schönen Landhaus“auf der Insel treffen, „mit dem Antigentes­t in der Hand“. Der Vulkan schweigt, das Virus nicht. „Wir werden viel über den Vulkan reden und über den Wiederaufb­au der Insel“, sagt Pérez. „Und dann kann man eine gute La-Palma-Zigarre rauchen. Hier werden sehr gute Zigarren gemacht. Und rund um eine gute Zigarre werden bestimmt gute Ideen aufkommen.“Das wird seit Langem der beste Moment sein, sich zu freuen.

Manche sind misstrauis­ch und glauben, dass der Vulkan noch einmal ausbrechen könnte. Juan Carlos Pérez, Anwohner

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Foto: dpa Ein Haus innerhalb einer Sperrzone in Tacande ist noch mit Asche bedeckt.
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