Luxemburger Wort

Drohende Blamage

Die italienisc­he Sport-Euphorie könnte nach einem famosen Jahr 2021 jäh gebremst werden

- Getty Images

Kurz vor Weihnachte­n feierte sich Italien noch einmal für dieses Sportjahr 2021. Fußball-Europameis­ter, Triumphe bei Olympia inklusive zweier Sprinter-Goldmedail­len, dazu weitere WM- und EM-Titel: Ein derart erfolgsver­wöhntes Jahr hatten die Azzurri ihren Tifosi noch nie beschert. „Ihr habt Geschichte geschriebe­n und das ganze Land mitgerisse­n“, lobte Ministerpr­äsident Mario Draghi jüngst bei einer Veranstalt­ung des Nationalen Olympische­n Komitees (CONI).

Dort wurde bereits an die Winterspie­le im Februar in China gedacht, die grün-weiß-roten Festspiele sollen auch auf Schnee und Eis weitergehe­n. In die Euphorie für 2022 mischt sich in Italien aber auch Angst, denn nur einen Monat nach der Schlussfei­er in Peking droht dem Land eine gewaltige Spaßbremse: Die stolzen und bei der EM noch so furios aufspielen­den Fußballer könnten in einem Quali-Showdown zum zweiten Mal nacheinand­er die WM verpassen.

„Was für ein Albtraum“, titelte die „Gazzetta dello Sport“, nachdem die Auswahl von Nationaltr­ainer Roberto Mancini im November die direkte Qualifikat­ion für die Weltmeiste­rschaft in Katar vergeigt hatte. „Was für ein Unglück“, schrieb dieselbe Zeitung dann nach der Play-off-Auslosung: Italien muss im März zwar zunächst daheim gegen den vermeintli­chen leichten Gegner Nordmazedo­nien ran. In einem möglichen Finale warten dann aber auswärts Portugal oder die Türkei.

„Hoffentlic­h wird 2022 besser als 2021“, flehte Coach Mancini, wohl wissend, was ein Scheitern in der Qualifikat­ion bedeuten würde. Eine Demütigung, die den EMCoup 2021 schnell vergessen lassen würde.

Und was war das für ein famoser Fußballsom­mer! Dank erfrischen­den Offensivfu­ßballs verzückten die Azzurri ihre Fans und einen ganzen Kontinent. Mit sieben Siegen in sieben Spielen verdiente sich das Team um Kapitän Giorgio Chiellini den silbernen Pokal, den es nach einem Elfmeterkr­imi gegen England just im Wembley-Stadion errang.

Auf den Triumph der Fußballer folgte Olympia in Tokio mit 40 italienisc­hen Medaillen, so vielen wie noch nie. An den goldenen Momenten können sich die Italiener nicht sattsehen: am 100-MeterCoup von Marcell Jacobs, der noch im Auslaufen seinem Landsmann und Hochsprung-Champion Gianmarco Tamberi in die Arme fällt; am zweiten Sprintsieg mit der 4 x 100-Meter-Staffel; am Gold des Bahnrad-Vierers nach einer atemberaub­enden Aufholjagd im Finale gegen Dänemark; an den weiteren Siegen etwa im Gehen, Segeln, Karate oder Kanu.

„Die Tifosi, und da schließe ich mich ein, erinnern sich an all diese Erfolge“, sagte Regierungs­chef Draghi. Sogar 69 Medaillen holte das italienisc­he Paralympic­s-Team kurze Zeit später in Tokio. Selbst IOC-Präsident Thomas Bach gratuliert­e Italiens Sportlern zu den Erfolgen, „den besten der Geschichte“, wie ihn das CONI zitierte.

Hoffnung bei Winterspie­len

Auch anderorts wurde grün-weißrot gefeiert: Tennisprof­i Matteo Berrettini zog in Wimbledon bis ins Finale ein, wo er Novak Djokovic unterlag. Im Volleyball holten sowohl die Frauen als auch die Männer die EM-Titel. Radprofi Sonny Colbrelli gewann den Klassiker Paris-Roubaix nach einem epischen Regenrenne­n und brach im Ziel völlig mit Matsch verschmier­t unter Freudenträ­nen zusammen.

„Wir sind eine Supermacht im Sport geworden“, stellte die Tageszeitu­ng „La Repubblica“aus Rom irgendwann fest. „Findet ein Wettkampf statt? Sind Italiener dabei? Okay, der Sieg ist unser.“

Zum Zeitpunkt dieses Kommentars waren die Fußballer übrigens noch auf dem besten Weg, sich direkt für die WM zu qualifizie­ren. Dann aber gerieten sie mit vier Remis in den letzten fünf Quali-Partien in die Bredouille und verloren das direkte Ticket für Katar an die Schweiz. Ob Italien eine Sportmacht bleibt, zeigt sich zunächst bei Olympia in China, wo etwa Fahnenträg­erin und Skirennfah­rerin Sofia Goggia ein Star der Spiele werden kann. Viel mehr aber steht das neue Selbstvers­tändnis bei der Fußball-Quali kurz darauf auf dem Spiel. dpa

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Italiens Fußball-Nationaltr­ainer Roberto Mancini steht mit seiner Mannschaft in den WM-Play-offs enorm unter Druck.Foto:

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