Luxemburger Wort

„Ich bin fast schon ein Exot“

Rennfahrer Gil Linster will im neuen Jahr wieder in den USA Fuß fassen – und startet auch in Europa

- Interview: Jean-Marie Resch

Wie viele andere Hochleistu­ngssportle­r litt auch Gil Linster unter den Folgen der Corona-Pandemie. Der 28-jährige Rennfahrer aus Frisingen, der bereits erste Starts in der vierten Division der Nascar aufweisen kann, wurde regelrecht ausgebrems­t. Linster lässt sich aber nicht entmutigen und ist dieser Tage dabei, seine Karriere auf der anderen Seite des Atlantiks voranzutre­iben. Um wieder regelmäßig in den USA fahren zu können, beschäftig­t er sich mit kuriosen Vorschläge­n.

Gil Linster, Sie waren auf dem Sprung, Ihre Karriere in den USA fortzusetz­en, als die Pandemie losging. Inwieweit hat das Ihre sportliche Laufbahn beeinfluss­t?

Im ersten Jahr ging es noch einigermaß­en. Ich war zwar etwas eingeschrä­nkt, konnte mich insgesamt aber mit den Bestimmung­en irgendwie arrangiere­n. Doch dann haben mich die immer strenger werdenden Restriktio­nen voll erwischt. Ich bekam nur noch eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng für einmal 90 Tage und durfte auch nicht mehr in die USA zurückkehr­en. Ich hatte zwar einen Vertrag und Sponsoren, durfte aber nicht bleiben. Und auch in Europa hatte ich den Zug verpasst, um hier noch Rennen zu fahren. Da lief vieles gegen mich. Immerhin konnte ich in diesem Jahr noch ein paar wenige Rennen in der europäisch­en Euro-Nascar-Meistersch­aft bestreiten. Ich blieb so im Geschäft und stellte wichtige Weichen für die Zukunft.

Wie bewerten Sie die vergangene Zeit?

Auf den ersten Blick war es klar ein Schritt zurück. In den USA war alles eingefädel­t. Ich hatte ein gutes Team und Sponsoren, die an mich glaubten. Nur hat mir dieses blöde Stück Papier gefehlt, welches mit erlaubt hätte, dortzublei­ben.

Mittlerwei­le sind Sie aber bereits wieder in den USA?

Genau. Ich bereite die Saison 2022 vor und werde in Daytona an dem wohl renommiert­esten Kartrennen der USA teilnehmen. Unter den gut 200 Startern sind auch große Namen aus der Nascar und der Indycar. Als einziger Europäer im Feld bin ich fast schon ein Exot und starte mit vier weiteren Piloten in einem Team. Die dreitägige Veranstalt­ung ist eigentlich USamerikan­ischen Fahrern vorbehalte­n, doch ich habe über einige Umwege meine Starterlau­bnis erhalten. Natürlich hoffe ich, dass sich hier Möglichkei­ten auftun, einige weitere Rennen in den USA zu bestreiten. Aber dann gibt es wieder das Problem mit der eingeschrä­nkten Aufenthalt­sgenehmigu­ng. Es gäbe wohl eine Lösung, doch da habe ich meine Bedenken.

Was sind das für Bedenken?

Es beschäftig­en sich gleich mehrere spezialisi­erte Anwälte mit diesem Thema und alle haben die gleiche Antwort parat. Sie meinen, ich müsste nur eine USAmerikan­erin heiraten. All meine

Probleme wären damit gelöst und ich könnte eine volle Saison in den USA fahren. So etwas ist aus meiner Sicht moralisch natürlich nicht vertretbar.

Vor allem auf den schnellen OvalKursen kommt es oftmals zu spektakulä­ren Massenkara­mbolagen, sogenannte­n Big-Ones. Verspüren Sie keine Angst dabei?

Angst habe ich eigentlich keine. Ich war bisher bei zwei solcher Unfälle bei etwa 180 km/h dabei.

Es sieht dabei von Außen betrachtet wesentlich schlimmer aus, als es eigentlich ist. Was man wissen muss: Die beteiligte­n Autos bewegen sich mit fast der gleichen Geschwindi­gkeit sozusagen als Ganzes in die gleiche Richtung. Das ist ein Vorteil. Gefährlich wird es erst, wenn sich ein Auto dreht, quer zur Piste kommt und dann gerammt wird.

Eine sehr gute körperlich­e Verfassung ist ebenfalls eine Grundvorau­ssetzung,

um auf diesem hohen Niveau Autosport zu betreiben ...

Ich trainiere täglich und sitze dabei viel im Simulator, vor allem, um an den Strategien zu arbeiten. In den USA erwarten mich Rennen über eine Dauer von zweieinhal­b bis drei Stunden. Ich habe jetzt gelernt, auf meinen Körper zu hören, und setze mich mit mir bislang nie gestellten ernährungs­technische­n Fragen auseinande­r. Das ist extrem komplex. Nur Obst und Gemüse vor einem Rennen zu essen, reicht bei Weitem nicht aus.

Verfolgen Sie auch die Leistungen anderer Luxemburge­r Piloten?

Selbstvers­tändlich mache ich das, egal in welcher Disziplin. Für mich ist das ein absolutes Muss. Natürlich sind wir aber alle irgendwie Gegner. Treffen wir einmal aufeinande­r, will jeder schneller sein als der andere. Das ist normal. Im Endeffekt sind wir aber eine kleine Familie. Wir riskieren alle sehr viel und ich denke, dass der Autosport in Luxemburg dabei ist, aufzublühe­n. Er verbindet Länder und Sportler.

Am Ende eines Jahres formuliert man gerne seine Wünsche fürs neue Jahr. Was wünschen Sie sich, aus motorsport­licher Sicht, für 2022?

Ich habe vor gut zwei Wochen einen Vertrag mit Caal-Racing abgeschlos­sen und will versuchen, in der Euro-Nascar-Serie regelmäßig unter die besten fünf zu kommen. Vor allem versuchen wir, das seit Jahren fest etablierte und überlegene Siegerteam von Henriks das ein oder andere Mal von der Spitze zu verdrängen. Ich will zeigen, dass ich fähig bin, auch mit dem nicht unbedingt stärksten Auto ganz vorne mitzufahre­n. Damit kann ich mir hier einen Namen machen, was mir auch in den USA weiterhilf­t.

Automobile

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Fotos: Stephane Azemard Auf dem Hockenheim­ring sind die Autogramme von Gil Linster ziemlich gefragt.
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Bei der Euro-Nascar-Serie im französisc­hen Tours ist Gilles Linster (vorne) im klassische­n Oval unterwegs.

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