Lateinamerika und die Populisten
Die Wahlen in Brasilien und in Kolumbien werden zum Kampf der Systeme
2022 wird in Lateinamerika ein spannendes Wahljahr und auch ein interessantes Jahr, was die politischen Entwicklungen außerhalb von Abstimmungen angeht. Das Aufflammen des Populismus von rechts und links könnte sich im kommenden Jahr fortsetzen. Und da ist man schon bei der wichtigsten großen Wahl des Jahres, nämlich der in Brasilien.
Dort kommt es vermutlich zu einem Showdown zwischen einer linken Ikone (Ex-Präsident Lula da Silva) und einem radikal rechten Populisten (Amtsinhaber Jair Bolsonaro), ein Kampf der Systeme. Demokratie gegen Diktatur. Ein Kampf der Lager, bei dem man Zweifel haben muss, ob der Demokratieverächter Bolsonaro eine Niederlage akzeptieren würde.
Bolsonaros Nachahmer
Der Brasilianer war sozusagen der Vorreiter der rechtspopulistischen Welle in Lateinamerika, und er hat inzwischen viele Nachahmer gefunden, so zum Beispiel in dem kleinen zentralamerikanischen El Salvador, wo der junge „Hipster-Präsident“Nayib Bukele neben der Einführung des Bitcoin als Landeswährung mal so ganz klammheimlich nebenbei die Demokratie abbaut, indem er die Justiz auf Linie trimmt, das Parlament kalt stellt und kritische Berichterstatter bedroht.
In Brasilien findet die Abstimmung erst gegen Ende des Jahres statt. Vorher, schon Ende Mai, wählt Kolumbien. Auch da geht es im Grunde um links oder rechts. Der umstrittene und ungeliebte Rechts-Präsident Iván Duque wird nicht mehr antreten, und im Augenblick hat der frühere Bürgermeister von Bogotá, Gustavo Petro die besten Karten. Der Sieg des Ex-Guerillero wäre historisch: Zum ersten Mal in der Geschichte würde ein Linker das von Gewalt erschütterte Land führen. Petro ist ein Kandidat, der in seinem Duktus und in seinem Zuschnitt dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador ähnelt. Nur dass Petro ein Stück weit intellektueller ist als der Mexikaner.
Als erstes aber richten sich im Februar die Blicke auf Costa Rica, so etwas wie die Schweiz Lateinamerikas. Ein beschauliches Land, das bei Touristen und Investoren
gleich beliebt ist. Mit Lineth Saborío könnte nach Laura Chinchilla (2010 bis 2014) am 6. Februar erneut eine Frau Staatschefin werden. Auch die Pandemie hat das Land recht gut gehandelt. In dem zentralamerikanischen Staat ist ab Januar die 1G-Regel verordnet. Alle müssen geimpft sein.
In Kuba genügt ein Funke
Ein Auge muss man auf Kuba haben im kommenden Jahr, wo es 2021 ja im Sommer nahezu rebellionsgleiche Aufstände gegen die Regierung gab, die aber verpufft sind und sich nicht zu einer nachhaltigen Welle des Widerstands der Menschen gegen die klamme kommunistische Regierung entwickelt haben. Aber das Thema ist sozusagen auf Wiedervorlage. In Kuba kann jeden Moment ein externes (Corona) oder internes Ereignis (etwas Stromabschaltungen) ein Funke sein, der eine Lunte zündet. Man darf die Prognose wagen, dass Kuba nicht mehr lange das Kuba bleibt, das man seit 1959 kennt. Auch hier könnte man analog den Spruch zum Mauerfall 1989 anführen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.