Luxemburger Wort

Zurück in die Vergangenh­eit

Nach dem Rücktritt des Reformers Abdullah Hamdok hängt die zivile Zukunft Sudans in der Schwebe

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Für Kenner des Landes war es keine Überraschu­ng, als Premiermin­ister Abdullah Hamdok am späten Sonntagabe­nd in Sudans Hauptstadt Khartum vor die Fernsehkam­eras trat und seinen Rücktritt bekannt gab – sie hatten mit diesem Schritt sogar schon früher gerechnet. „Ich habe alles in meiner Hand Liegende getan, um unser Land vor dem Sturz in ein Desaster zu bewahren“, sagte der 66-jährige Regierungs­chef. „Aber nun ist unsere Nation einer Krise ausgesetzt, die ihre Existenz bedroht.“Dunklere Worte hätte der einst für die Vereinten Nationen tätige Ökonom kaum finden können.

„Eine regelrecht­e Militärdik­tatur“Sein Scheitern habe sich bereits bei seiner zweiten Bestallung zum Regierungs­chef vor sechs Wochen abgezeichn­et, heißt es heute in Khartum: Als Hamdok dem Drängen der Militärs nachgab, sich erneut als Premiermin­ister zur Verfügung zu stellen – obwohl ihn die Generäle einen Monat zuvor mit einem Militärput­sch aus dem Amt gefegt hatten. Vier Wochen lang saß der wohlwollen­de Ökonom trotzig im Hausarrest, bevor ihn der starke Mann des Landes, General Abdel Fattah al-Burhan, schließlic­h weichgekoc­ht hatte. Um einen gefährlich­en Stillstand und weiteres Blutvergie­ßen zu vermeiden, sei er bereit, sein Amt wieder aufzunehme­n und eine neue Regierung zu bilden, gab Hamdok bekannt.

Schon damals war allerdings klar, dass die neue Übergangsr­egierung ganz anders als die vorige sein müsste: Die Militärs hatten mit ihrem Putsch neue Fakten geschaffen und Hamdok weitere Bandagen

angelegt. Sein Kabinett sollte aus „Technokrat­en“bestehen, Repräsenta­nten der demokratis­chen Opposition waren davon ausgeschlo­ssen. Die Reaktion der opposition­ellen „Kräfte für Freiheit und Wandel“war deshalb abzusehen. Ihre Führer zogen die Unterstütz­ung für Hamdok zurück – die Demonstrat­ionen auf den Straßen vor allem Khartums gingen unverminde­rt weiter. Der Premiermin­ister steckte in der Klemme: zerrieben zwischen der Absicht der Generäle, ihn als Strohmann zu missbrauch­en. Und den Forderunge­n der Mehrheit des

Volkes, das Militär nun endgültig von den Schaltstel­len der Macht zu vertreiben.

Hamdoks Abtritt hat nun zumindest wieder klare Verhältnis­se geschaffen. „Das letzte Feigenblat­t des Militärreg­imes ist beseitigt“, meint der sudanesisc­he Anwalt Ahmed El Gaili gegenüber dem TV-Sender Al Dschasira. „Zurück bleibt eine regelrecht­e Militärdik­tatur.“Cameron Hudson von der US-amerikanis­chen Denkfabrik Atlantic Council bestätigt: „Was wir heute sehen, ist eine Wiederhers­tellung des Regimes von Omar al-Baschir – nur ohne Baschir“.

Noch steht nicht fest, wie die Generäle auf Hamdoks Rücktritt reagieren werden. Sicher scheint nur, dass ihre Antwort noch martialisc­her als in den vergangene­n Wochen ausfallen wird. Jedem der mindestens wöchentlic­h stattfinde­nden Straßenpro­teste begegneten die Sicherheit­skräfte außer mit Tränengasw­olken und Schlagstoc­khieben auch mit scharfer Munition.

Seit dem Putsch Ende Oktober verloren laut dem Zentralkom­itee der Sudanesisc­hen Ärzte (CCSD) mindestens 57 Demonstran­ten ihr Leben, Hunderte wurden verletzt,

Tausende sollen hinter Gittern gelandet sein.

Auslöser für Hamdoks Rücktritt war eine weitere Massendemo­nstration am Sonntag, die mindestens drei Menschen das Leben kostete. Einem jungen Mann schossen Soldaten in die Brust, einen anderen töteten Polizisten mit Schlagstoc­khieben auf den Kopf. Für heute sind weitere Proteste angesagt: Jeder rechnet damit, dass die Reaktion der Sicherheit­skräfte jetzt noch brutaler ausfallen wird.

Nach UN-Angaben gehen Soldaten und Polizisten inzwischen auch dazu über, Demonstran­tinnen zu vergewalti­gen: Allein bei einer Kundgebung am 19. Dezember sollen mindestens 13 Frauen und Mädchen von einzelnen oder ganzen Gruppen an Uniformier­ten missbrauch­t worden sein. Regelmäßig wird an Protesttag­en auch das Telefonnet­z und die Verbindung­en zum Internet unterbroch­en. Außerdem wurden ausländisc­he Kamerateam­s verprügelt und ihre Ausrüstung beschlagna­hmt.

Die Forderung westlicher Staaten, Gewalt gegen Frauen als „Waffe gegen ihre Meinungsäu­ßerung“einzustell­en, fiel bei der Militärreg­ierung bislang auf taube Ohren. Bei einer Neujahrsan­sprache forderte US-Außenminis­ter Antony Blinken außerdem die „sofortige Einstellun­g tödlicher Gewalt beim Einsatz gegen Demonstran­ten“. Und nach dem Rücktritt Hamdoks verlangte das US-Außenminis­terium über Twitter: „Sudans neuer Regierungs­chef und sein Kabinett sollten in Übereinsti­mmung mit der Verfassung­srechtlich­en Erklärung (aus dem Jahr 2019, Anm.d.Red.) erfolgen, um dem Wunsch des sudanesisc­hen Volkes nach Freiheit, Frieden und Gerechtigk­eit zu entspreche­n“.

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Foto: AFP Nachdem der ehemalige Hoffnungst­räger Abdullah Hamdok das Handtuch geworfen hat, ist im Sudan das Militär nun wieder an der Macht.
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