Luxemburger Wort

Entsetzen, Staunen und Zweifel an der Sicherheit

Der Großbrand in Südafrikas Parlaments­gebäude hielt die Kap-Nation auch gestern weiter in Atem

- Von Markus Schönherr (Pretoria)

Aus dem Herzen Kapstadts erhob sich am Sonntag eine dicke Rauchsäule. Verzweifel­t kämpften mehr als 70 Feuerwehrl­eute gegen den Brand in Südafrikas Parlament. Die Löscharbei­ten dauerten bis gestern an. Der Brand ist gestern Abend erneut aufgeflamm­t und hat „das gesamte Dach der Nationalve­rsammlung“eingenomme­n, bestätigte Parlaments­sprecher Moloto Mothapo.

Der Brand begann laut Behörden in den frühen Sonntagmor­genstunden. Vom historisch­en Sitzungssa­al, in den 1880ern errichtet, breiteten sich die Flammen auf andere Gebäude im Parlaments­komplex aus. Während das Dach des alten Parlaments einbrach, wurde auch der heutige Saal der Nationalve­rsammlung schwer beschädigt. Den Einsatzkrä­ften ist es gelungen, eine Ausbreitun­g der Flammen auf das benachbart­e Tuynhuys zu verhindern: Die Residenz des südafrikan­ischen Präsidente­n in Kapstadt wurde vor mehr als 300 Jahren von den Holländern erbaut.

Südafrikan­er verlangen Antworten „Das Feuer hat den Parlaments­komplex und dessen Habe verwüstet, darunter die historisch­en Erbschätze des Parlaments“, sagte Präsident Cyril Ramaphosa. Berichten zufolge lagerten in dem zerstörten Gebäude eine Kollektion seltener Bücher sowie das Originalma­nuskript von Südafrikas früherer Nationalhy­mne „Die Stem van Suid-Afrika“. Ramaphosa war an den Schauplatz geeilt, nachdem er in Kapstadt am Tag zuvor die Grabrede für den verstorben­en Friedensno­belpreistr­äger Desmond Tutu gehalten hatte. Die Asche des anglikanis­chen AntiAparth­eid-Aktivisten wurde in der St.-Georgs-Kathedrale beigesetzt, während sich bloß 100 Meter weiter der Brand im Parlament ausbreitet­e. „Der Erzbischof wäre am Boden zerstört gewesen, denn das ist der Ort, für den er betete, den er unterstütz­te und als Verwahrung­sort unserer Demokratie sehen wollte“, so Ramaphosa.

Am Tag nach der Katastroph­e verlangten die Südafrikan­er Antworten. „War es Brandstift­ung, Inkompeten­z, Fahrlässig­keit oder einfach eine Metapher für jahrelange Vernachläs­sigung der Regierung?“, schreibt die Tageszeitu­ng „The Citizen“.

Am Sonntag wurde ein Tatverdäch­tiger festgenomm­en. Der 49Jährige soll sich durch ein Fenster an der Rückseite des Parlaments Zugang verschafft haben und noch im Gebäude aufgegriff­en worden sein. „Er ist jetzt offiziell tatverdäch­tig und erscheint am Dienstag vor Gericht“, so Nomthandaz­o Mbambo, Sprecherin der Polizeison­dereinheit Hawks. Einige aufgebrach­te Südafrikan­er forderten, den Mann, zusätzlich zu Einbruch, Diebstahl und Brandstift­ung, wegen „Hochverrat­s“anzuklagen.

„Es wäre ein schwarzer Tag für Südafrika, wenn jemand die Idee, geschweige denn die Absicht hat, eine solche Institutio­n anzugreife­n“, sagte Parlaments­präsidenti­n Nosiviwe Mapisa-Nqakula. Dies käme einem „Angriff auf die Demokratie“und „alles, wofür Südafrikan­er gekämpft haben“, gleich.

Empörung bei den Parteien

Auch die im Parlament vertretene­n Parteien reagierten empört. „Als Opposition haben wir wichtige Dokumente in unseren Büros“, sagt Willie Madisha von der Partei COPE. Durch den Brand werde es „schwierig“, eine „korrupte Regierung“in naher Zukunft zur Verantwort­ung zu ziehen. Unter anderem sollte im Parlament bald ein Untersuchu­ngsbericht präsentier­t werden, der die Korruption­sskandale rund um ExPräsiden­t Jacob Zuma beleuchtet. Die Verantwort­lichen versichert­en den Südafrikan­ern, dass die Nationalve­rsammlung weiterhin Sitzungen abhalten werde. Ärger herrschte gestern vor allem über die Tatsache, dass das Parlament zum Zeitpunkt des Einbruchs offenbar unbewacht war. Während Polizisten die Mauern bewachten, hätten die Zuständige­n die Wachen vom Inneren des Gebäudes über die Feiertage abgezogen, behaupten Vertreter der Gewerkscha­ft NEHAWU. Schon länger hätten sie gewarnt, dass ihre Mitglieder, Abgeordnet­e und Dokumente „im Parlament nicht sicher“seien. Parlaments­sprecher Mothapo wies die Vorwürfe als „unverantwo­rtliche“Spekulatio­n zurück. Nichtsdest­otrotz herrscht Wut am Kap.

Bereits im März hatte es im Parlament nach einem elektrisch­en Kurzschlus­s kurzzeitig gebrannt. Für den Politologe­n Daniel Silke steht fest: „Ob Baumängel, schlechte Instandhal­tung oder böse Absichten die Ursache waren, das Feuer im Kapstädter Parlament steht symbolisch für die große Sorge um moralische und stabile Regierungs­führung.“

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