Türkische Inflationsrate springt auf über 30 Prozent
Teuerung klettert auf den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten – Druck auf Erdogan wächst
Ankara. Die Inflation in der Türkei gerät zunehmend außer Kontrolle: Im Dezember sprang die Inflationsrate über die Marke von 30 Prozent und erreicht im Jahresvergleich bei 36,08 Prozent den höchsten Stand seit rund zwei Jahrzehnten, wie das türkische Statistikamt gestern in Ankara mitteilte. Am stärksten verteuerten sich Lebensmittel und Transport. Analysten wurden von der Stärke des Preisanstiegs überrascht. Sie hatten mit gut 27 Prozent gerechnet.
Der Leitzins sinkt trotzdem
Seit dem Sommer hat sich die Rate mehr als verdoppelt. Getrieben wurde der Anstieg der Kosten für die Lebenshaltung zuletzt auch durch höhere Lebensmittelpreise. Allein von November auf Dezember betrug die Teuerungsrate 13,6 Prozent. Am Devisenmarkt geriet die türkische Lira erneut unter Druck. Der mit der Inflation einhergehende rasante Kursverfall der türkischen Lira verteuert die Einfuhren von Gütern in das Land. Hinzu kommen vergleichsweise hohe Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt. Das Land steckt auch deshalb in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, die sich in hoher Arbeitslosigkeit niederschlägt. Die Türken müssen zu Jahresbeginn zudem einen deutlichen Anstieg der Energiepreise verkraften. Die Strompreise für Haushalte stiegen im neuen Jahr um rund 50 Prozent,
die für verbrauchsstarke Unternehmen sogar um mehr als 100 Prozent. Auch die Preise für Gas zogen deutlich an.
Verschlimmert wird die Lage seit Monaten durch die türkische Zentralbank, die unter dem Druck des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan trotz der hohen Inflation den Leitzins zuletzt immer weiter senkte. Eigentlich stemmen sich Notenbanker mit höheren Leitzinsen gegen eine galoppierende Inflation. Erdogan ist allerdings entgegen der volkswirtschaftlichen Lehre der Ansicht, hohe Zinsen förderten die Inflation. Der Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kritisierte Erdogan erneut scharf. Das „Wirtschaftsgenie“im Präsidentenpalast habe alles vermasselt, was es angefasst habe, schrieb er auf Twitter. Die Opposition zweifelt die offiziellen Inflationszahlen seit längerem an und geht von einer noch wesentlich höheren Teuerungsrate aus. dpa