Hunderttausend Impfmuffel
Zwei Betroffene erklären ihre Beweggründe
Luxemburg. Es gibt viele gute Gründe, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Diese überzeugen jedoch nicht jeden. Zu Beginn des neuen Jahres gibt es in Luxemburg immer noch rund 110 000 Personen über zwölf Jahre, die zur impffähigen Bevölkerung gezählt werden, sich eigentlich impfen lassen könnten, es jedoch bisher nicht getan haben. Diese ungeimpften Personen gehören nicht alle dem Lager der Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner an. An den letzten Demos nahmen nur eine Handvoll Menschen teil.
„Ich bin ungeimpft und war nie auf einer Marche Blanche“, berichtet Claire (Name von der Redaktion geändert) im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. Die über 50 Jahre alte Frau gibt an, darauf zu achten, gesund zu leben. Sie esse kein Fleisch und verzichte auch auf Alkohol. „Ich versuche, bewusst zu leben, ohne dabei in die Esoterik abzurutschen“, sagt sie. „Ich bin rational“, bekräftigt sie. Sie traut dem in ihren Augen „unvollständig getesteten mRNAImpfstoff“nicht und sieht sich nicht in der Lage, freiwillig der Impfung zuzustimmen. An die bekannten Impfmythen, die derzeit auch in Luxemburg kursieren und immer bizarrere Züge annehmen, glaubt sie aber nicht. „Das ist alles Quatsch“, sagt sie.
Alleine an Weihnachten
„Ich bin nicht darauf aus, das Coronavirus einzufangen“, meint Claire. „Und ich will auch nicht dafür verantwortlich sein, wenn sich das Virus auf jemand anderes überträgt.“Was im schlimmsten Fall passieren könnte, traut sie sich nicht auszusprechen. Die Feiertage verbrachte Claire alleine zu Hause.
„Seit bekannt wurde, dass auch Geimpfte das Virus übertragen können, trage ich immer Maske und halte mich an die Distanzregeln“, sagt sie. Auch wenn immer mehr Menschen die sanitären Regeln immer weniger streng anwenden würden, halte sie sich dran.
Die Skepsis gegenüber dem Coronaimpfstoff teilt sie indes mit Adela Fuentes. Die 45-Jährige gehörte bis vor Kurzem auch dem Lager der Impfverweigerer an. „Ich bin davon überzeugt, dass die Impfung schützt“, meint Adela Fuentes. „Man erkennt es ja an der Zahl der Personen, die auf der Intensivstation liegen.“
Laut Santé hat eine ungeimpfte Person ein mehr als doppelt so hohes Risiko, sich zu infizieren. Die Impfung schützt nicht nur vor der Ansteckung, sondern auch vor schweren Krankheitsverläufen und dem Tod. 13 von 19 Patienten auf der Intensivstation waren am 26. Dezember nicht geimpft.
Trotzdem wollte Adela Fuentes erst mal abwarten. „Ich habe mir mit der Impfung viel Zeit gelassen und mich in das Thema eingelesen“, erklärt sie. Im Sommer wurden ihr Mann und ihre Kinder geimpft. Anschließend konnten sie sich über wiedererlangte Freiheiten freuen. „Die Impfung erleichtert das Reisen schon“, weiß die zweifache Mutter nun aus Erfahrung.
Die sanitäre Ausnahmesituation dauere wohl nicht ewig, dachte sie. Vielleicht könne sie die Pandemie einfach aussitzen und darauf hoffen, dass genügend andere Personen sich impfen lassen.
Pandemie aussitzen
Als ihr klar wurde, dass es zu viele gibt, die ähnlich denken, fiel der Entschluss, sich dann doch impfen zu lassen. Das strenger werdende CovidCheck spielte auch eine Rolle, gibt Adela Fuentes zu. „Und ich möchte meine Söhne wieder anfeuern können, wenn sie mit ihrer Handballmannschaft auf ein anderes Team treffen.“
Anfang November war es dann so weit. Die 45-Jährige trat den Weg zum Impfdoktor an. „Es war Moderna“, erinnert sie sich. Bei der Impfung habe alles geklappt und auch die Viertelstunde danach hat Adela Fuentes gut überstanden.
Zu den „sehr häufigen Nebenwirkungen“zählen die Hersteller unter anderem Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Schüttelfrost, Übelkeit, geschwollene Lymphknoten und Fieber. In anderen Worten: Man fühlt sich, als wenn man eine Erkältung hätte.
„Diese Reaktionen sind normal und zeigen eine Aktivierung des Immunsystems an. In der Regel verschwinden sie nach einigen Tagen, auch ohne Behandlung“, so steht es im achten „Rapport de Pharmacovigilance“, der die in Luxemburg gemeldeten Nebenwirkungen zusammenfasst.
In Luxemburg wurden bisher knapp eine Million Impfdosen verabreicht. Genau 2 016 Fälle von Nebenwirkungen wurden den Behörden gemeldet. Von diesen Fällen wurden 1 565 als schwerwiegend eingestuft. Schwerwiegend sind die Nebenwirkungen, laut Santé, wenn man es nicht mehr zur Arbeit oder vor die Tür schafft.
Das statistische Risiko, nach einer Coronaimpfung mit schweren Nebenwirkungen zu kämpfen
Ich bin davon überzeugt, dass die Impfung schützt. Adela Fuentes
zu haben, liegt in Luxemburg bei 0,17 Prozent.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Meldungen gegeben, dass Menschen nach einer Coronaimpfung gestorben seien. Ganz falsch sind solche Berichte nicht. Laut Santé lässt sich bei elf Personen zumindest ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Coronaimpfung und dem Tod feststellen. Das war in 0,001 Prozent der Impfungen der Fall.
Zum Vergleich: In Luxemburg liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, an oder mit dem Coronavirus zu sterben, bei 0,91 Prozent. Man müsste sich also fast 1 000 Mal impfen lassen, um auf das gleiche statistische Todesrisiko wie bei einer Coronaerkrankung zu kommen.
Auch wenn das Impfrisiko nur einen Bruchteil des Risikos einer Coronainfektion darstellt, kann man schwerwiegende Nebenwirkungen nicht komplett ausschließen. Es sollte sich herausstellen, dass Adela Fuentes zu den seltenen Fällen gehört, bei denen die Nebenwirkungen so schwerwiegend waren, dass sie mit Medikamenten behandelt werden mussten.
„Am Abend nach meiner Impfung spürte ich, dass mein Herz immer schneller zu schlagen begann“, berichtet Adela Fuentes. Das Herz klopfte im Ruhezustand so schnell wie sonst nur nach einer Anstrengung. „Nachts lag ich wach, mein Herz raste und ich konnte nicht schlafen.“
Am folgenden Tag organisierte sie sich ein Blutdruckmessgerät und erschrak, als sie das Resultat ablas: „Mein Blutdruck war bis auf 17 hochgeschnellt, sonst liegt er immer bei 11 bis 12.“Sie entschloss sich, abzuwarten. „Vielleicht verfliegt das Herzrasen ja von alleine.“
Das war nicht der Fall. Am vierten Tag schleppte sich Adela Fuentes in die Notaufnahme. „Dort wurden die ersten Untersuchungen und Analysen durchgeführt“, erinnert sie sich. Eine Thrombosegefahr, eine weitere seltene, jedoch gefürchtete Nebenwirkung, konnte schnell ausgeschlossen werden. Dann stand der Gang zum Kardiologen an. Das Herz wurde von A bis Z durchgetestet.
Adela Fuentes bekam Betablocker verschrieben, um den Blutdruck unter Kontrolle zu bekommen. „Mit den Tabletten ging es mir nach ein paar Tagen schon besser“, betont sie. Während fünf Wochen schluckte sie die Betablocker, die mittlerweile abgesetzt wurden. „Alles sieht danach aus, als hätte ich keine langfristigen Folgen zu befürchten.“
Abschließende Tests stehen jedoch noch aus. Wenn sich bei denen herausstellt, dass alles in Ordnung ist, kann Adela Fuentes einen Strich unter ihre Impfung machen. „Ich fühle mich gut und bin zuversichtlich“, meint sie.
Prädisposition für Bluthochdruck
Der Hausarzt meinte, dass seine Patientin eine Prädisposition für hohen Blutdruck habe. Auch ohne Impfung hätte sie in Zukunft mit dieser Alterskrankheit rechnen müssen. Durch die Impfung habe sich der hohe Blutdruck nun etwas früher bemerkbar gemacht.
Die Ärzte bestätigten der Frau, dass der hohe Blutdruck eine Reaktion auf die Impfung gewesen sei, sie rieten ihr dennoch zur zwei