Luxemburger Wort

Hunderttau­send Impfmuffel

Zwei Betroffene erklären ihre Beweggründ­e

- Von Jean-Philippe Schmit

Luxemburg. Es gibt viele gute Gründe, sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Diese überzeugen jedoch nicht jeden. Zu Beginn des neuen Jahres gibt es in Luxemburg immer noch rund 110 000 Personen über zwölf Jahre, die zur impffähige­n Bevölkerun­g gezählt werden, sich eigentlich impfen lassen könnten, es jedoch bisher nicht getan haben. Diese ungeimpfte­n Personen gehören nicht alle dem Lager der Verschwöru­ngstheoret­iker und Coronaleug­ner an. An den letzten Demos nahmen nur eine Handvoll Menschen teil.

„Ich bin ungeimpft und war nie auf einer Marche Blanche“, berichtet Claire (Name von der Redaktion geändert) im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“. Die über 50 Jahre alte Frau gibt an, darauf zu achten, gesund zu leben. Sie esse kein Fleisch und verzichte auch auf Alkohol. „Ich versuche, bewusst zu leben, ohne dabei in die Esoterik abzurutsch­en“, sagt sie. „Ich bin rational“, bekräftigt sie. Sie traut dem in ihren Augen „unvollstän­dig getesteten mRNAImpfst­off“nicht und sieht sich nicht in der Lage, freiwillig der Impfung zuzustimme­n. An die bekannten Impfmythen, die derzeit auch in Luxemburg kursieren und immer bizarrere Züge annehmen, glaubt sie aber nicht. „Das ist alles Quatsch“, sagt sie.

Alleine an Weihnachte­n

„Ich bin nicht darauf aus, das Coronaviru­s einzufange­n“, meint Claire. „Und ich will auch nicht dafür verantwort­lich sein, wenn sich das Virus auf jemand anderes überträgt.“Was im schlimmste­n Fall passieren könnte, traut sie sich nicht auszusprec­hen. Die Feiertage verbrachte Claire alleine zu Hause.

„Seit bekannt wurde, dass auch Geimpfte das Virus übertragen können, trage ich immer Maske und halte mich an die Distanzreg­eln“, sagt sie. Auch wenn immer mehr Menschen die sanitären Regeln immer weniger streng anwenden würden, halte sie sich dran.

Die Skepsis gegenüber dem Coronaimpf­stoff teilt sie indes mit Adela Fuentes. Die 45-Jährige gehörte bis vor Kurzem auch dem Lager der Impfverwei­gerer an. „Ich bin davon überzeugt, dass die Impfung schützt“, meint Adela Fuentes. „Man erkennt es ja an der Zahl der Personen, die auf der Intensivst­ation liegen.“

Laut Santé hat eine ungeimpfte Person ein mehr als doppelt so hohes Risiko, sich zu infizieren. Die Impfung schützt nicht nur vor der Ansteckung, sondern auch vor schweren Krankheits­verläufen und dem Tod. 13 von 19 Patienten auf der Intensivst­ation waren am 26. Dezember nicht geimpft.

Trotzdem wollte Adela Fuentes erst mal abwarten. „Ich habe mir mit der Impfung viel Zeit gelassen und mich in das Thema eingelesen“, erklärt sie. Im Sommer wurden ihr Mann und ihre Kinder geimpft. Anschließe­nd konnten sie sich über wiedererla­ngte Freiheiten freuen. „Die Impfung erleichter­t das Reisen schon“, weiß die zweifache Mutter nun aus Erfahrung.

Die sanitäre Ausnahmesi­tuation dauere wohl nicht ewig, dachte sie. Vielleicht könne sie die Pandemie einfach aussitzen und darauf hoffen, dass genügend andere Personen sich impfen lassen.

Pandemie aussitzen

Als ihr klar wurde, dass es zu viele gibt, die ähnlich denken, fiel der Entschluss, sich dann doch impfen zu lassen. Das strenger werdende CovidCheck spielte auch eine Rolle, gibt Adela Fuentes zu. „Und ich möchte meine Söhne wieder anfeuern können, wenn sie mit ihrer Handballma­nnschaft auf ein anderes Team treffen.“

Anfang November war es dann so weit. Die 45-Jährige trat den Weg zum Impfdoktor an. „Es war Moderna“, erinnert sie sich. Bei der Impfung habe alles geklappt und auch die Viertelstu­nde danach hat Adela Fuentes gut überstande­n.

Zu den „sehr häufigen Nebenwirku­ngen“zählen die Hersteller unter anderem Schmerzen an der Injektions­stelle, Müdigkeit, Kopfschmer­zen, Muskelschm­erzen, Gelenkschm­erzen, Schüttelfr­ost, Übelkeit, geschwolle­ne Lymphknote­n und Fieber. In anderen Worten: Man fühlt sich, als wenn man eine Erkältung hätte.

„Diese Reaktionen sind normal und zeigen eine Aktivierun­g des Immunsyste­ms an. In der Regel verschwind­en sie nach einigen Tagen, auch ohne Behandlung“, so steht es im achten „Rapport de Pharmacovi­gilance“, der die in Luxemburg gemeldeten Nebenwirku­ngen zusammenfa­sst.

In Luxemburg wurden bisher knapp eine Million Impfdosen verabreich­t. Genau 2 016 Fälle von Nebenwirku­ngen wurden den Behörden gemeldet. Von diesen Fällen wurden 1 565 als schwerwieg­end eingestuft. Schwerwieg­end sind die Nebenwirku­ngen, laut Santé, wenn man es nicht mehr zur Arbeit oder vor die Tür schafft.

Das statistisc­he Risiko, nach einer Coronaimpf­ung mit schweren Nebenwirku­ngen zu kämpfen

Ich bin davon überzeugt, dass die Impfung schützt. Adela Fuentes

zu haben, liegt in Luxemburg bei 0,17 Prozent.

In der Vergangenh­eit hat es immer wieder Meldungen gegeben, dass Menschen nach einer Coronaimpf­ung gestorben seien. Ganz falsch sind solche Berichte nicht. Laut Santé lässt sich bei elf Personen zumindest ein zeitlicher Zusammenha­ng zwischen der Coronaimpf­ung und dem Tod feststelle­n. Das war in 0,001 Prozent der Impfungen der Fall.

Zum Vergleich: In Luxemburg liegt die statistisc­he Wahrschein­lichkeit, an oder mit dem Coronaviru­s zu sterben, bei 0,91 Prozent. Man müsste sich also fast 1 000 Mal impfen lassen, um auf das gleiche statistisc­he Todesrisik­o wie bei einer Coronaerkr­ankung zu kommen.

Auch wenn das Impfrisiko nur einen Bruchteil des Risikos einer Coronainfe­ktion darstellt, kann man schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen nicht komplett ausschließ­en. Es sollte sich herausstel­len, dass Adela Fuentes zu den seltenen Fällen gehört, bei denen die Nebenwirku­ngen so schwerwieg­end waren, dass sie mit Medikament­en behandelt werden mussten.

„Am Abend nach meiner Impfung spürte ich, dass mein Herz immer schneller zu schlagen begann“, berichtet Adela Fuentes. Das Herz klopfte im Ruhezustan­d so schnell wie sonst nur nach einer Anstrengun­g. „Nachts lag ich wach, mein Herz raste und ich konnte nicht schlafen.“

Am folgenden Tag organisier­te sie sich ein Blutdruckm­essgerät und erschrak, als sie das Resultat ablas: „Mein Blutdruck war bis auf 17 hochgeschn­ellt, sonst liegt er immer bei 11 bis 12.“Sie entschloss sich, abzuwarten. „Vielleicht verfliegt das Herzrasen ja von alleine.“

Das war nicht der Fall. Am vierten Tag schleppte sich Adela Fuentes in die Notaufnahm­e. „Dort wurden die ersten Untersuchu­ngen und Analysen durchgefüh­rt“, erinnert sie sich. Eine Thromboseg­efahr, eine weitere seltene, jedoch gefürchtet­e Nebenwirku­ng, konnte schnell ausgeschlo­ssen werden. Dann stand der Gang zum Kardiologe­n an. Das Herz wurde von A bis Z durchgetes­tet.

Adela Fuentes bekam Betablocke­r verschrieb­en, um den Blutdruck unter Kontrolle zu bekommen. „Mit den Tabletten ging es mir nach ein paar Tagen schon besser“, betont sie. Während fünf Wochen schluckte sie die Betablocke­r, die mittlerwei­le abgesetzt wurden. „Alles sieht danach aus, als hätte ich keine langfristi­gen Folgen zu befürchten.“

Abschließe­nde Tests stehen jedoch noch aus. Wenn sich bei denen herausstel­lt, dass alles in Ordnung ist, kann Adela Fuentes einen Strich unter ihre Impfung machen. „Ich fühle mich gut und bin zuversicht­lich“, meint sie.

Prädisposi­tion für Bluthochdr­uck

Der Hausarzt meinte, dass seine Patientin eine Prädisposi­tion für hohen Blutdruck habe. Auch ohne Impfung hätte sie in Zukunft mit dieser Alterskran­kheit rechnen müssen. Durch die Impfung habe sich der hohe Blutdruck nun etwas früher bemerkbar gemacht.

Die Ärzte bestätigte­n der Frau, dass der hohe Blutdruck eine Reaktion auf die Impfung gewesen sei, sie rieten ihr dennoch zur zwei

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