Von Mördern und Terroristen
Vor den Luxemburger Gerichten wurde auch im Jahr 2021 ein ganze Reihe von spannenden Fällen verhandelt
Luxemburg. Wer mit dem Gesetz in Konflikt gerät, muss damit rechnen, sich früher oder später vor Gericht verantworten zu müssen. Dem war auch 2021 so. Dabei waren die Richter an den Bezirksgerichten Luxemburg und Diekirch sowie am Berufungshof mehrmals mit Tötungsdelikten befasst.
In Diekirch musste sich etwa Yves K. verantworten. Er war am 2. Januar 2019 in Wiltz mit seinem Auto in eine Gruppe Fußgänger gerast. Dabei hatte er nicht nur seinen eigenen, damals zweijährigen Sohn getötet, sondern auch vier weitere Menschen teilweise sehr schwer verletzt – darunter die Mutter des Kindes und deren neuer Partner. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt fest, dass Yves K. willentlich agiert hatte: „Er wollte so viel Schaden wie möglich anrichten“, so der Ankläger. Die Richter stimmten dem zu und verurteilten Yves K., der bis zuletzt von einem Unfall sprach, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Für viele Jahre hinter Gitter muss auch ein junger Mann, der am 22. Dezember 2017 in Dalheim den Lebensgefährten seiner Mutter erstochen hatte. Er selbst hatte angegeben, dem Opfer die zehn Zentimeter tiefe Wunde in Notwehr zugefügt zu haben, dies nachdem der Mann ihn angegriffen habe. Das sahen die Richter nicht als erwiesen an. Wegen Totschlags – also einer Tötung ohne Vorsatz – verurteilten sie Ernol D. zu 24 Jahren Haft, wovon acht Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Urteile stehen noch aus
Im Prozess um einen Mord in einem Schrebergarten im Mai 2018 in Merl kam es unterdessen zu einem Freispruch. Auch wenn die Sachlage zunächst klar schien, und gar DNS-Spuren des Angeklagten und Blutspuren des Opfers an einem Messer gefunden worden waren, konnte letztendlich nicht zweifelsfrei erwiesen werden, dass dieses Messer auch für den Mord benutzt worden war.
In zwei weiteren Mordprozessen fallen die Urteile erst in diesem Monat. In erster Instanz war Ende 2021 einem 70-Jährigen der Prozess gemacht worden, weil er seine 65-jährige Frau im November 2019 in Differdingen im Schlaf erstickt haben soll. In zweiter Instanz musste sich unterdessen Marco B. wegen des Mordes an seiner ehemaligen Freundin Ana Lopes verantworten. Die junge Frau war im Januar 2017 in Bonneweg überwältigt worden. Ihre verkohlte Leiche wurde tags danach im ausgebrannten Wagen der Frau im französischen Grenzgebiet gefunden. In beiden Fällen forderte die Anklage jeweils eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Milde ließen die Richter unterdessen in einem weiteren Fall walten. Helder P. muss wegen Körperverletzung mit Todesfolge acht Jahre ins Gefängnis. Er hatte im November 2019 in Linger einem anderen Mann eine Passõa-Flasche gegen den Kopf geschlagen. Zehn Tage nach dem Vorfall starb das Opfer an den Folgen seiner Verletzungen.
Ein junges Ehepaar musste sich indes wegen der Verbreitung von IS-Propaganda vor dem Bezirksgericht Luxemburg verantworten. Am Ende wurden die zwei Islamkonvertiten in erster Instanz zu zwei, beziehungsweise dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hielt dem 29jährigen Mann und der 25-jährigen Frau vor, in fast 12 000 Botschaften im Internet zu Hass und Gewalt gegen Andersgläubige und Andersdenkende aufgerufen zu haben.
Anwälte und Politiker
Viel Aufsehen erregten indes im vergangenen Jahr zwei Prozesse gegen Anwälte. So hatte sich Me Gaston Vogel wegen Aufrufs zum Hass verantworten müssen, dies nachdem er bereits 2015 in einem offenen Brief an die Stadt Luxemburg im Zusammenhang mit Bettlern aus Rumänien unter anderem die Begriffe Gestank („puanteurs“) und Abschaum („racaille“) benutzt hatte. Der Anwalt bestritt die Vorwürfe. Die Richter aus erster Instanz gaben ihm recht und sprachen ihn frei. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht: Die Staatsanwaltschaft geht in Berufung.
Ein Brief brachte auch einen weiteren Anwalt vor Gericht. Nachdem ein Untersuchungsrichter nach einem tödlichen Arbeitsunfall auf eine Forderung des Firmenanwalts nicht so reagierte, wie es sich dieser erhofft hatte, beschwerte er sich in einer E-Mail an zwei Minister und die Generalstaatsanwältin. Dabei soll er beleidigend gewesen sein – und wurde nach einem Verfahren, das zwei Mal angesetzt werden musste, nachdem es zwischenzeitlich zu einem Ablehnungsgesuch gegen einen Richter gekommen war, zu 2 000 Euro Geldstrafe verurteilt.
Mit Argusaugen wurde auch der Prozess um den CSV-Freundeskreis verfolgt. Der frühere Parteipräsident Frank Engel und sechs weitere Personen waren wegen Fälschungen angeklagt, nachdem Arbeitsverträge abgeschlossen worden waren, für die die erwartete Gegenleistung nicht erbracht worden sein soll. Die Richter entschieden sich am Ende für einen
Freispruch. Ein Berufungsverfahren wird es nicht geben.
Dass nicht immer nur Menschen, sondern ab und zu auch Tiere im Mittelpunkt eines Prozesses stehen können, belegen zwei weitere Beispiele. So wurde etwa eine Hundehalterin zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem ihr spanischer Mastiff im November 2020 in Aspelt bei einer Beißerei einen anderen Hund leicht verletzt hatte.
Tierschützer Daniel Frères wurde seinerseits im vergangenen Jahr gar zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er soll 2018 im Zuge einer Tierschutzaktion eine Frau mit unlauteren Mitteln davon überzeugt haben, ihm ihren Hund auszuhändigen. Das Tier wies Verletzungen an der Pfote auf, weswegen die Frau bereits einen Tierarzt aufgesucht hatte.
Eine unendliche Geschichte
2021 gab es aber auch im Ausland Fälle mit direktem Luxemburg-Bezug, welche die Justiz aus dem Großherzogtum teils schwer auf Trab hielten. Ganz besonders trifft dies auf den Luxemburger JeanMarc Sirichai Kiesch zu – ein Fall, der immer noch nicht abschließend geklärt werden konnte.
Kiesch war wegen des Totschlags an einer 69-jährigen Frau 1999 in Eppeldorf zu 20 Jahren Haft, davon fünf auf Bewährung, verurteilt worden, dann bei einem Hafturlaub 2004 abgetaucht und erst im Sommer 2020 in Spanien festgenommen worden. Während alles auf eine baldige Überstellung nach Luxemburg zur Verbüßung der Reststrafe hindeutete, stellten sich dann aber spanische Behörden quer.
Zunächst lehnten sie nach einem Antrag Kieschs, seine verbleibende Haftstrafe von 3 275 Tagen in der Nähe seiner neu gegründeten Familie zu verbüßen, dessen Auslieferung ab. Dann befand ein Gericht im September, das Luxemburger Urteil sei nicht mit spanischen Rechtsprinzipien vereinbar, da der heute 40-Jährige bei der Tat noch minderjährig war. Für die Luxemburger Justiz ist der Fall noch nicht vom Tisch. So wurde der Haftbefehl erneuert und LW-Informationen nach laufen in den Kulissen weiter Bestrebungen, Kiesch seiner Strafe zuzuführen.
Kindesmissbrauch nach Schema
Ein anderer Luxemburger Verbrecher beschäftigte indes 2021 die deutsche Justiz: Serge J., der in Luxemburg in einem besonders schwerwiegenden Fall von mehrfachem Kindesmissbrauch Ende der 1990er-Jahre zu 14 Jahren Haft verurteilt worden war, stand im Frühjahr 2021 in Deutschland, in Ostfriesland, wegen vergleichbarer Tatvorwürfe vor Gericht.
Das Erschreckende: J. hatte sein besonders manipulatives und perfides Tatmuster, sich zunächst das Vertrauen der Familien zu erschleichen, um dann deren Kinder sexuell zu missbrauchen, eins zu eins wiederholt. Im Juli 2021 wurde er nun von einem deutschen Gericht als Wiederholungstäter zu zehnjährigem Freiheitsentzug in einer psychiatrischen Anstalt mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.
Schwedischer Nazi aus Strassen
Gleich zum Jahresbeginn stand ein junger Mann aus Strassen indes in Schweden vor Gericht. Dort wurde ihm die Brandstiftung einer leerstehenden Nerzfarm vorgeworfen. Ermittelt wurde gegen den 19-Jährigen, der mit seinem Vater in Luxemburg lebt, auch, weil er einen Terroranschlag auf eine gynäkologische Klinik in Stockholm vorbereitet haben soll. Aus Mangel an Beweisen wurde dies aber nicht zur Anklage gebracht.
Verurteilt wurde er trotz des hohen Gefahrenpotenzials wegen seines jungen Alters nur zu einer Bewährungsstrafe. In Luxemburg könnte ihn allerdings noch ein weiteres Verfahren erwarten. Bei seiner Festnahme nach einem Tipp des US-amerikanischen FBI waren in der Wohnung in Strassen scheinbar Grundstoffe zum Bau eines Sprengsatzes entdeckt worden. Alexander H. wird einer rechtsextremen Gruppe aus dem ökofaschistischen Spektrum zugeordnet und gilt als eng mit USNeonazis verbunden.