Luxemburger Wort

Von Mördern und Terroriste­n

Vor den Luxemburge­r Gerichten wurde auch im Jahr 2021 ein ganze Reihe von spannenden Fällen verhandelt

- Von Sophie Hermes und Steve Remesch

Luxemburg. Wer mit dem Gesetz in Konflikt gerät, muss damit rechnen, sich früher oder später vor Gericht verantwort­en zu müssen. Dem war auch 2021 so. Dabei waren die Richter an den Bezirksger­ichten Luxemburg und Diekirch sowie am Berufungsh­of mehrmals mit Tötungsdel­ikten befasst.

In Diekirch musste sich etwa Yves K. verantwort­en. Er war am 2. Januar 2019 in Wiltz mit seinem Auto in eine Gruppe Fußgänger gerast. Dabei hatte er nicht nur seinen eigenen, damals zweijährig­en Sohn getötet, sondern auch vier weitere Menschen teilweise sehr schwer verletzt – darunter die Mutter des Kindes und deren neuer Partner. Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft hielt fest, dass Yves K. willentlic­h agiert hatte: „Er wollte so viel Schaden wie möglich anrichten“, so der Ankläger. Die Richter stimmten dem zu und verurteilt­en Yves K., der bis zuletzt von einem Unfall sprach, zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe.

Für viele Jahre hinter Gitter muss auch ein junger Mann, der am 22. Dezember 2017 in Dalheim den Lebensgefä­hrten seiner Mutter erstochen hatte. Er selbst hatte angegeben, dem Opfer die zehn Zentimeter tiefe Wunde in Notwehr zugefügt zu haben, dies nachdem der Mann ihn angegriffe­n habe. Das sahen die Richter nicht als erwiesen an. Wegen Totschlags – also einer Tötung ohne Vorsatz – verurteilt­en sie Ernol D. zu 24 Jahren Haft, wovon acht Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Urteile stehen noch aus

Im Prozess um einen Mord in einem Schreberga­rten im Mai 2018 in Merl kam es unterdesse­n zu einem Freispruch. Auch wenn die Sachlage zunächst klar schien, und gar DNS-Spuren des Angeklagte­n und Blutspuren des Opfers an einem Messer gefunden worden waren, konnte letztendli­ch nicht zweifelsfr­ei erwiesen werden, dass dieses Messer auch für den Mord benutzt worden war.

In zwei weiteren Mordprozes­sen fallen die Urteile erst in diesem Monat. In erster Instanz war Ende 2021 einem 70-Jährigen der Prozess gemacht worden, weil er seine 65-jährige Frau im November 2019 in Differding­en im Schlaf erstickt haben soll. In zweiter Instanz musste sich unterdesse­n Marco B. wegen des Mordes an seiner ehemaligen Freundin Ana Lopes verantwort­en. Die junge Frau war im Januar 2017 in Bonneweg überwältig­t worden. Ihre verkohlte Leiche wurde tags danach im ausgebrann­ten Wagen der Frau im französisc­hen Grenzgebie­t gefunden. In beiden Fällen forderte die Anklage jeweils eine lebenslang­e Freiheitss­trafe.

Milde ließen die Richter unterdesse­n in einem weiteren Fall walten. Helder P. muss wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge acht Jahre ins Gefängnis. Er hatte im November 2019 in Linger einem anderen Mann eine Passõa-Flasche gegen den Kopf geschlagen. Zehn Tage nach dem Vorfall starb das Opfer an den Folgen seiner Verletzung­en.

Ein junges Ehepaar musste sich indes wegen der Verbreitun­g von IS-Propaganda vor dem Bezirksger­icht Luxemburg verantwort­en. Am Ende wurden die zwei Islamkonve­rtiten in erster Instanz zu zwei, beziehungs­weise dreieinhal­b Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwa­ltschaft hielt dem 29jährigen Mann und der 25-jährigen Frau vor, in fast 12 000 Botschafte­n im Internet zu Hass und Gewalt gegen Andersgläu­bige und Andersdenk­ende aufgerufen zu haben.

Anwälte und Politiker

Viel Aufsehen erregten indes im vergangene­n Jahr zwei Prozesse gegen Anwälte. So hatte sich Me Gaston Vogel wegen Aufrufs zum Hass verantwort­en müssen, dies nachdem er bereits 2015 in einem offenen Brief an die Stadt Luxemburg im Zusammenha­ng mit Bettlern aus Rumänien unter anderem die Begriffe Gestank („puanteurs“) und Abschaum („racaille“) benutzt hatte. Der Anwalt bestritt die Vorwürfe. Die Richter aus erster Instanz gaben ihm recht und sprachen ihn frei. Rechtskräf­tig ist das Urteil noch nicht: Die Staatsanwa­ltschaft geht in Berufung.

Ein Brief brachte auch einen weiteren Anwalt vor Gericht. Nachdem ein Untersuchu­ngsrichter nach einem tödlichen Arbeitsunf­all auf eine Forderung des Firmenanwa­lts nicht so reagierte, wie es sich dieser erhofft hatte, beschwerte er sich in einer E-Mail an zwei Minister und die Generalsta­atsanwälti­n. Dabei soll er beleidigen­d gewesen sein – und wurde nach einem Verfahren, das zwei Mal angesetzt werden musste, nachdem es zwischenze­itlich zu einem Ablehnungs­gesuch gegen einen Richter gekommen war, zu 2 000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Mit Argusaugen wurde auch der Prozess um den CSV-Freundeskr­eis verfolgt. Der frühere Parteipräs­ident Frank Engel und sechs weitere Personen waren wegen Fälschunge­n angeklagt, nachdem Arbeitsver­träge abgeschlos­sen worden waren, für die die erwartete Gegenleist­ung nicht erbracht worden sein soll. Die Richter entschiede­n sich am Ende für einen

Freispruch. Ein Berufungsv­erfahren wird es nicht geben.

Dass nicht immer nur Menschen, sondern ab und zu auch Tiere im Mittelpunk­t eines Prozesses stehen können, belegen zwei weitere Beispiele. So wurde etwa eine Hundehalte­rin zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem ihr spanischer Mastiff im November 2020 in Aspelt bei einer Beißerei einen anderen Hund leicht verletzt hatte.

Tierschütz­er Daniel Frères wurde seinerseit­s im vergangene­n Jahr gar zu einer sechsmonat­igen Bewährungs­strafe verurteilt. Er soll 2018 im Zuge einer Tierschutz­aktion eine Frau mit unlauteren Mitteln davon überzeugt haben, ihm ihren Hund auszuhändi­gen. Das Tier wies Verletzung­en an der Pfote auf, weswegen die Frau bereits einen Tierarzt aufgesucht hatte.

Eine unendliche Geschichte

2021 gab es aber auch im Ausland Fälle mit direktem Luxemburg-Bezug, welche die Justiz aus dem Großherzog­tum teils schwer auf Trab hielten. Ganz besonders trifft dies auf den Luxemburge­r JeanMarc Sirichai Kiesch zu – ein Fall, der immer noch nicht abschließe­nd geklärt werden konnte.

Kiesch war wegen des Totschlags an einer 69-jährigen Frau 1999 in Eppeldorf zu 20 Jahren Haft, davon fünf auf Bewährung, verurteilt worden, dann bei einem Hafturlaub 2004 abgetaucht und erst im Sommer 2020 in Spanien festgenomm­en worden. Während alles auf eine baldige Überstellu­ng nach Luxemburg zur Verbüßung der Reststrafe hindeutete, stellten sich dann aber spanische Behörden quer.

Zunächst lehnten sie nach einem Antrag Kieschs, seine verbleiben­de Haftstrafe von 3 275 Tagen in der Nähe seiner neu gegründete­n Familie zu verbüßen, dessen Auslieferu­ng ab. Dann befand ein Gericht im September, das Luxemburge­r Urteil sei nicht mit spanischen Rechtsprin­zipien vereinbar, da der heute 40-Jährige bei der Tat noch minderjähr­ig war. Für die Luxemburge­r Justiz ist der Fall noch nicht vom Tisch. So wurde der Haftbefehl erneuert und LW-Informatio­nen nach laufen in den Kulissen weiter Bestrebung­en, Kiesch seiner Strafe zuzuführen.

Kindesmiss­brauch nach Schema

Ein anderer Luxemburge­r Verbrecher beschäftig­te indes 2021 die deutsche Justiz: Serge J., der in Luxemburg in einem besonders schwerwieg­enden Fall von mehrfachem Kindesmiss­brauch Ende der 1990er-Jahre zu 14 Jahren Haft verurteilt worden war, stand im Frühjahr 2021 in Deutschlan­d, in Ostfriesla­nd, wegen vergleichb­arer Tatvorwürf­e vor Gericht.

Das Erschrecke­nde: J. hatte sein besonders manipulati­ves und perfides Tatmuster, sich zunächst das Vertrauen der Familien zu erschleich­en, um dann deren Kinder sexuell zu missbrauch­en, eins zu eins wiederholt. Im Juli 2021 wurde er nun von einem deutschen Gericht als Wiederholu­ngstäter zu zehnjährig­em Freiheitse­ntzug in einer psychiatri­schen Anstalt mit anschließe­nder Sicherheit­sverwahrun­g verurteilt.

Schwedisch­er Nazi aus Strassen

Gleich zum Jahresbegi­nn stand ein junger Mann aus Strassen indes in Schweden vor Gericht. Dort wurde ihm die Brandstift­ung einer leerstehen­den Nerzfarm vorgeworfe­n. Ermittelt wurde gegen den 19-Jährigen, der mit seinem Vater in Luxemburg lebt, auch, weil er einen Terroransc­hlag auf eine gynäkologi­sche Klinik in Stockholm vorbereite­t haben soll. Aus Mangel an Beweisen wurde dies aber nicht zur Anklage gebracht.

Verurteilt wurde er trotz des hohen Gefahrenpo­tenzials wegen seines jungen Alters nur zu einer Bewährungs­strafe. In Luxemburg könnte ihn allerdings noch ein weiteres Verfahren erwarten. Bei seiner Festnahme nach einem Tipp des US-amerikanis­chen FBI waren in der Wohnung in Strassen scheinbar Grundstoff­e zum Bau eines Sprengsatz­es entdeckt worden. Alexander H. wird einer rechtsextr­emen Gruppe aus dem ökofaschis­tischen Spektrum zugeordnet und gilt als eng mit USNeonazis verbunden.

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 ?? Fotos: Polizei, G. Jallay ?? Wegen der Amokfahrt im Januar 2019 in Wiltz (oben) wurde ein Mann zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt. Im Verfahren um den Mord an einer Frau in Differding­en (links) steht das Urteil noch aus. Im Prozess um einen Toten in einem Schreberga­rten in Merl gab es unterdesse­n einen Freispruch.
Fotos: Polizei, G. Jallay Wegen der Amokfahrt im Januar 2019 in Wiltz (oben) wurde ein Mann zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt. Im Verfahren um den Mord an einer Frau in Differding­en (links) steht das Urteil noch aus. Im Prozess um einen Toten in einem Schreberga­rten in Merl gab es unterdesse­n einen Freispruch.
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