Luxemburger Wort

Fährtenles­er der Geschichte

Roland und Silvia Gaul ermögliche­n Interessie­rten mit ihrer Agentur Reisen in die Zeit des Zweiten Weltkriegs

- Von Marc Hoscheid

Diekirch. Wer rastet, der rostet, heißt es im Volksmund, und auch wenn sich Roland Gaul für Überbleibs­el aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs interessie­rt, zählt er längst noch nicht zum alten Eisen. So organisier­t der ehemalige Kurator des Diekircher Militärmus­eums zusammen mit seiner Ehefrau Silvia mittels ihrer gemeinsame­n Reiseagent­ur „Gaul's Legacy Tours“Trips zu den verschiede­nen Kriegsscha­uplätzen in der Großregion. Unter anderem für diese Tätigkeit hat er rezent eine Auszeichnu­ng der US-amerikanis­chen Botschaft in Luxemburg erhalten.

Dabei handelt es sich eigentlich eher um eine Art Lebenswerk­preis, denn der 66-jährige Gaul macht sich seit rund 40 Jahren um die Erinnerung an die Geschehnis­se des Zweiten Weltkriegs verdient. 1984 gründete er mit zwei Freunden das Militärmus­eum in Diekirch und blieb bis 2016 dessen Kurator, lange Jahre ehrenamtli­ch und am Ende hauptberuf­lich. „Als ich in Rente ging, meinte meine Frau, dass ich doch nicht einfach die Hände in den Schoß legen könne“, beschreibt Gaul die Gründungsi­dee für „Gaul's Legacy Tours“. Im Jahr 2015 kündigte Silvia ihre Arbeitsste­lle im Marketingb­ereich bei einem internatio­nalen Unternehme­n für Kosmetika und Nahrungser­gänzungsmi­ttel in Liechtenst­ein und plante mit ihrem Ehemann den Aufbau einer Reiseagent­ur.

Cowboy und Indianer als Ursprung der Weltkriegs­faszinatio­n

„Als wir Anfang der 1960er-Jahre Schuljunge­n waren, gab es noch nicht so viele Möglichkei­ten, um sich die Zeit zu vertreiben, und wer nicht in den Basketball- oder Fußballver­ein wollte, der spielte eben Cowboy und Indianer im Wald“, erklärt Gaul mit einem Schmunzeln seine Faszinatio­n für den Zweiten Weltkrieg. Während des Spielens in den Wäldern rund um Diekirch fanden die Jungen regelmäßig militärisc­he Überreste, seien es Gasmasken, Handgranat­en, Helme oder Munitionsh­ülsen. „Ich musste meine Fundstücke verstecken, weil meine Mutter das nicht gerne gesehen hat“, erinnert sich Gaul. Später wurden die Kriegsüber­bleibsel unter den Jungen getauscht wie heute Fußballsti­cker.

Weil er seine Sammlung auch im Erwachsene­nalter nicht aufgeben wollte, baute er mit Freunden im ehemaligen Brauereige­bäude in Diekirch das Militärmus­eum auf. Gleichzeit­ig arbeitete Gaul zeitweise über rund 13 Jahre hinweg für die US-amerikanis­che Botschaft in Luxemburg und bot während dieser Zeit unter anderem Rundgänge für Diplomaten­gruppen mit Schwerpunk­t auf Gedenkzere­monien an. Dieser Tätigkeit ging er auch nach seinem Ausscheide­n bei der Botschaft nach. Auf Anfrage hin erhielt er dafür auch eine finanziell­e Unterstütz­ung des Tourismusm­inisterium­s.

Die Reiseagent­ur bietet drei Arten von Reisen an. Dabei handelt es sich um individuel­le Touren im kleinen Kreis, die sich an der persönlich­en Geschichte eines früheren US-Soldaten und Familienmi­tglieds orientiere­n, größere Gruppenrei­sen mit bis zu 50 Teilnehmer­n sowie Reisen über ein bis zweieinhal­b Tage in der Großregion. Am intensivst­en seien dabei die individuel­len Reisen, weil sie mehr Recherchea­rbeit im Vorfeld erfordern und auch den Teilnehmer­n aufgrund ihrer emotionale­n Verbundenh­eit mehr abverlange­n.

Dass solche persönlich­en Touren zu erstaunlic­hen Ergebnisse­n führen können, zeigt die Geschichte des amerikanis­chen Soldaten

Vincent J. Festa. Dessen Nachkommen wollten im Jahr 2016 wissen, welches Schicksal Vincent während der Sauer-Überquerun­g in der Nähe von Moestroff ereilte. Wie sich herausstel­lte, wurde der junge Mann am 20. Januar 1945 bei Straßenkäm­pfen in Moestroff getötet. Auf Vorschlag von Gaul wurde die damals rezent sanierte Brücke über die Sauer im Beisein von zwei seiner Söhne nach Vincent J. Festa benannt. Eine Plakette erinnert an Festa, der als Private First Class über einen der niedrigste­n militärisc­hen Ränge eines hierzuland­e geehrten US-Soldaten verfügt.

Relativ neu sind zudem Führungen für Botschafts­angehörige durch die hauptstädt­ischen Kasematten, die während des Zweiten Weltkriegs von den Alliierten genutzt wurden.

Corona-Pandemie führte fast zum Bankrott

Wie bei vielen anderen Wirtschaft­szweigen hat die CoronaPand­emie auch negative Auswirkung­en auf die Reisebranc­he. Waren es vor der sanitären Krise noch bis zu 37 Touren jährlich, stand das Geschäft im Jahr 2021 komplett still. „Trotz staatliche­r Subsidien standen wir schon kurz davor, aufzugeben, bis der frühere Arbeitgebe­r meiner Frau ihr eine erneute Anstellung anbot“, blickt Gaul auf die kritische Phase zurück. Galt das Angebot zunächst für einen Monat, wurde die Anstellung auf acht Monate ausgedehnt. Das eingenomme­ne Geld fließt quasi integral in Gaul's Legacy Tours.

Wenn das Pandemie-Geschehen es zulässt, wollen Roland und Silvia Gaul dieses Jahr eine größere Gruppenrei­se von der Bretagne in Frankreich bis nach Pilsen in Tschechien organisier­en. Bei solchen Trips gebe es teilweise ganz banale Herausford­erungen, wie die Essenswüns­che der Teilnehmer. „Wir erklären ihnen dann, dass sie sich in Europa befinden und es sich dabei um eine kulturelle Erfahrung handelt, die sie mit allen fünf Sinnen erleben“, erklärt Gaul mit einem Schmunzeln.

Roland und Silvia Gaul sind mit ihrer Agentur nicht nur in Europa aktiv, sondern bieten auch Touren in Südostasie­n rund um die Schauplätz­e des Pazifikkri­eges an, darunter in Laos, Thailand und Vietnam. Hier arbeiten sie mit US-Veteranen aus dem Vietnamkri­eg zusammen. Dass ihn bereits mehrere Reisen in diesen Teil der Welt geführt haben, davon zeugen die unzähligen Erinnerung­sstücke, mit denen er seine Wohnung in Diekirch dekoriert hat.

Ab 2023 sollen vor dem Hintergrun­d des militärisc­hen Engagement­s Luxemburgs während des Koreakrieg­s auch Trips nach Südkorea organisier­t werden. Vorausgese­tzt, das Corona-Virus macht den Plänen nicht erneut einen Strich durch die Rechnung.

Wer nicht in den Basketball- oder Fußballver­ein wollte, der spielte eben Cowboy und Indianer im Wald. Roland Gaul, Lokalhisto­riker

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Fotos: Gerry Huberty, privat In Roland Gauls Wohnung befinden sich unzählige Erinnerung­sstücke, die er von seinen Asienreise­n mitgebrach­t hat. Hier interessie­ren den passionier­ten Historiker vor allem die Geschehnis­se rund um den Pazifikkri­eg.
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Roland Gaul (66) zusammen mit seiner Ehefrau Silvia (62), die er als treibende Kraft hinter Gaul's Legacy Tours bezeichnet.

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