Luxemburger Wort

Von Diebstähle­n und Störfeuern

Metz-Trainer Frédéric Antonetti macht dunkle Mächte für die Erfolglosi­gkeit seines Teams verantwort­lich

- Von Peter Hacker

Frédéric Antonetti ist nicht eben dafür bekannt, dass er seine Worte auf die Goldwaage legt. Doch als der Metzer Trainer nach dem 1:1Unentschi­eden seiner Mannschaft in Lyon in die Mikrofone sprach, hielt er mehrmals sekundenla­ng inne, als ob er seine Gedanken sammeln müsste. Was er sagte, war jedoch selbst für Antonettis­che Verhältnis­se bemerkensw­ert eindeutig: „Ich bin seit 30 Jahren im Fußball und seit 30 Jahren spiele ich ein frisiertes, ja gefälschte­s Spiel“, gab der 60-Jährige zu Protokoll und legte wenig später noch eins drauf: „Hier in Lyon lastet auf allen immer ein unheimlich­er Druck. Lyon ist der Ort, an dem mir in meiner Karriere am meisten gestohlen wurde.“

Die Wut des Korsen richtete sich in erster Linie gegen den Schiedsric­hter der Partie, Pierre Gaillouste, der einem bereits in der zweiten Spielminut­e durch Opa Nguette erzielten Metzer Treffer wegen einer vermeintli­chen Abseitsste­llung und nach Analyse der Fernsehbil­der die Anerkennun­g verweigert­e. Ist Antonetti also ins Lager der Verschwöru­ngstheoret­iker gewechselt? Oder hat er etwa Recht mit seiner Anschuldig­ung, dass Schiedsric­hter in Lyon nicht so unparteiis­ch sind, wie sie sein sollten? Schließlic­h hat der dortige Vereinsprä­sident Jean-Michel Aulas nicht nur seinen Club fest im Griff, sondern als Mitglied des Verwaltung­srats der französisc­hen Profiligav­ereinigung LFP auch großen Einfluss auf Verbandseb­ene, den er auch schon einmal den Männern und Frauen in Schwarz gegenüber einzusetze­n versucht.

Blamage im Pokal

Und ist es etwa ein Zufall, dass im offizielle­n Video der Ligue 1 der Spielzusam­menfassung allerhand vergebene Chancen gezeigt werden, nicht jedoch das verweigert­e Blitz-Tor? Ein Vertuschun­gsversuch?

Es ist jedoch auch möglich, dass Antonettis Anklage ein wohl überlegtes Manöver ist, ein Störfeuer, dass vom eigentlich­en Problem ablenken soll: von den Leistungen seiner Mannschaft nämlich. Nach dem blamablen Ausscheide­n im Pokal gegen den Viertligis­ten Bergerac war der miserable Zustand des Rasens – „der schlechtes­te Platz, auf dem ich je gespielt habe“– Schuld, nach der 1:4-Niederlage gegen Lens ebenfalls der Schiedsric­hter, der ein „FantasieHa­ndspiel“eines Lothringer Spielers gesehen habe, und nach der 0:4-Pleite in Monaco sein Stürmer Ibrahima Niane, „der immer nur am Weinen ist“.

Viele Spieler zum Afrika-Cup

Vielleicht möchte der Trainer mit seinen provoziere­nden Aussagen schlicht seine Spieler aus den Schlagzeil­en halten, denen die Verunsiche­rung an den Trikots zu kleben scheint. Denn vor der Saison durfte man sich an der Mosel durchaus Hoffnungen auf eine ähnlich erfolgreic­he Spielzeit wie die vergangene machen, als man Zehnter wurde. Denn diesmal verließ kein Leistungst­räger den Verein, um Etatlöcher zu stopfen. Der senegalesi­sche Mittelfeld­spieler Pape Sarr wurde zwar für knapp 17Millione­nEuro an Tottenham Hotspur verkauft, jedoch im Gegenzug für ein Jahr wieder ausgeliehe­n. Auch finanziell schien also alles zum Besten bestellt. Doch die Realität war eine ganz andere.

Dem Auftaktsie­g gegen Montpellie­r folgte eine Serie von acht sieglosen Spielen, Metz rutschte in den Tabellenke­ller, auf Platz 18, um genau zu sein, den es noch immer innehat. Die Lothringer stellten mit 46 Gelben und vier Roten Karten nicht nur das undiszipli­nierteste Team der Vorrunde, sondern kassierten auch erschrecke­nd viele Tore: 39 in 19 Spielen. Dabei war gerade die stabile Abwehr der Garant für den Erfolg des Vorjahres.

Was muss also geschehen? Antonetti fordert ein geschlosse­neres Auftreten seiner Mannschaft: „Wenn jeder für sich spielt, werden wir da unten nicht herauskomm­en. Und wir müssen die Spiele zu elft beenden.“Den nächsten Versuch dazu haben Les Grenats am 9. Januar gegen Strasbourg.

Allerdings warten weitere Stolperste­ine: Der Afrika-Cup, zu dem Metz nach Angaben des Trainers „sieben bis acht Spieler“abstellen wird, beginnt am gleichen Tag. Das Turnier sollte ursprüngli­ch im Sommer 2021 stattfinde­n, wurde wegen der Covid-Pandemie jedoch verschoben. Zudem wurde gestern bekannt, dass vier MetzProfis positiv auf Corona getestet worden sind.

Lyon ist der Ort, an dem mir in meiner Karriere am meisten gestohlen wurde. Frédéric Antonetti

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Foto: Getty Images Wegen lautstarke­n Meckerns wird Metz-Coach Frédéric Antonetti in der Nachspielz­eit des Duells mit Paris SG des Feldes verwiesen.
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Foto: AFP Opa Nguette (r.), im Duell mit Damien da Silva (Lyon), hat in der laufenden Spielzeit bislang zwei Tore erzielt.

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