Von Diebstählen und Störfeuern
Metz-Trainer Frédéric Antonetti macht dunkle Mächte für die Erfolglosigkeit seines Teams verantwortlich
Frédéric Antonetti ist nicht eben dafür bekannt, dass er seine Worte auf die Goldwaage legt. Doch als der Metzer Trainer nach dem 1:1Unentschieden seiner Mannschaft in Lyon in die Mikrofone sprach, hielt er mehrmals sekundenlang inne, als ob er seine Gedanken sammeln müsste. Was er sagte, war jedoch selbst für Antonettische Verhältnisse bemerkenswert eindeutig: „Ich bin seit 30 Jahren im Fußball und seit 30 Jahren spiele ich ein frisiertes, ja gefälschtes Spiel“, gab der 60-Jährige zu Protokoll und legte wenig später noch eins drauf: „Hier in Lyon lastet auf allen immer ein unheimlicher Druck. Lyon ist der Ort, an dem mir in meiner Karriere am meisten gestohlen wurde.“
Die Wut des Korsen richtete sich in erster Linie gegen den Schiedsrichter der Partie, Pierre Gaillouste, der einem bereits in der zweiten Spielminute durch Opa Nguette erzielten Metzer Treffer wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung und nach Analyse der Fernsehbilder die Anerkennung verweigerte. Ist Antonetti also ins Lager der Verschwörungstheoretiker gewechselt? Oder hat er etwa Recht mit seiner Anschuldigung, dass Schiedsrichter in Lyon nicht so unparteiisch sind, wie sie sein sollten? Schließlich hat der dortige Vereinspräsident Jean-Michel Aulas nicht nur seinen Club fest im Griff, sondern als Mitglied des Verwaltungsrats der französischen Profiligavereinigung LFP auch großen Einfluss auf Verbandsebene, den er auch schon einmal den Männern und Frauen in Schwarz gegenüber einzusetzen versucht.
Blamage im Pokal
Und ist es etwa ein Zufall, dass im offiziellen Video der Ligue 1 der Spielzusammenfassung allerhand vergebene Chancen gezeigt werden, nicht jedoch das verweigerte Blitz-Tor? Ein Vertuschungsversuch?
Es ist jedoch auch möglich, dass Antonettis Anklage ein wohl überlegtes Manöver ist, ein Störfeuer, dass vom eigentlichen Problem ablenken soll: von den Leistungen seiner Mannschaft nämlich. Nach dem blamablen Ausscheiden im Pokal gegen den Viertligisten Bergerac war der miserable Zustand des Rasens – „der schlechteste Platz, auf dem ich je gespielt habe“– Schuld, nach der 1:4-Niederlage gegen Lens ebenfalls der Schiedsrichter, der ein „FantasieHandspiel“eines Lothringer Spielers gesehen habe, und nach der 0:4-Pleite in Monaco sein Stürmer Ibrahima Niane, „der immer nur am Weinen ist“.
Viele Spieler zum Afrika-Cup
Vielleicht möchte der Trainer mit seinen provozierenden Aussagen schlicht seine Spieler aus den Schlagzeilen halten, denen die Verunsicherung an den Trikots zu kleben scheint. Denn vor der Saison durfte man sich an der Mosel durchaus Hoffnungen auf eine ähnlich erfolgreiche Spielzeit wie die vergangene machen, als man Zehnter wurde. Denn diesmal verließ kein Leistungsträger den Verein, um Etatlöcher zu stopfen. Der senegalesische Mittelfeldspieler Pape Sarr wurde zwar für knapp 17MillionenEuro an Tottenham Hotspur verkauft, jedoch im Gegenzug für ein Jahr wieder ausgeliehen. Auch finanziell schien also alles zum Besten bestellt. Doch die Realität war eine ganz andere.
Dem Auftaktsieg gegen Montpellier folgte eine Serie von acht sieglosen Spielen, Metz rutschte in den Tabellenkeller, auf Platz 18, um genau zu sein, den es noch immer innehat. Die Lothringer stellten mit 46 Gelben und vier Roten Karten nicht nur das undisziplinierteste Team der Vorrunde, sondern kassierten auch erschreckend viele Tore: 39 in 19 Spielen. Dabei war gerade die stabile Abwehr der Garant für den Erfolg des Vorjahres.
Was muss also geschehen? Antonetti fordert ein geschlosseneres Auftreten seiner Mannschaft: „Wenn jeder für sich spielt, werden wir da unten nicht herauskommen. Und wir müssen die Spiele zu elft beenden.“Den nächsten Versuch dazu haben Les Grenats am 9. Januar gegen Strasbourg.
Allerdings warten weitere Stolpersteine: Der Afrika-Cup, zu dem Metz nach Angaben des Trainers „sieben bis acht Spieler“abstellen wird, beginnt am gleichen Tag. Das Turnier sollte ursprünglich im Sommer 2021 stattfinden, wurde wegen der Covid-Pandemie jedoch verschoben. Zudem wurde gestern bekannt, dass vier MetzProfis positiv auf Corona getestet worden sind.
Lyon ist der Ort, an dem mir in meiner Karriere am meisten gestohlen wurde. Frédéric Antonetti