Gelbes Licht für Atom und Gas
Im Zwist zwischen Frankreich und Deutschland geht die spanische Regierung mit einem Kompromissvorschlag in die Debatte
Spanien hat einen vielleicht salomonischen Lösungsvorschlag für die gerade neu entbrannte europäische Energiedebatte: Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke sollten nicht als „grün“etikettiert werden, sondern als Übergangslösungen – also „gelb“statt grün oder rot auf der Energieampel.
„Unabhängig davon, dass weiter in die eine oder andere Technologie investiert werden kann, betrachten wir beide weder als grüne noch nachhaltige Energien“, schreibt das spanische Umweltministerium in einer Erklärung. Gas und Atom wie durch Brüssel geschehen als „grün“einzustufen, sende „falsche Signale“für die Energiewende aus.
Spanien hat Potenzial
Spanien besitzt ideale natürliche Voraussetzungen für den Umstieg auf erneuerbare Energien: viel Sonne, viel Wind und viel Platz. Doch der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie ist bisher nur durchschnittlich gut vorangekommen.
Im gerade zu Ende gegangenen Jahr 2021 erreichte der Anteil erneuerbarer Energiequellen bei der Stromproduktion einen Wert von 46,6 Prozent – dabei vorneweg Wind- und Wasserenergie.
Bei den konventionellen Energiequellen spielt Atomkraft mit 20,8 Prozent der Gesamtstromproduktion die Hauptrolle. Kohle ist aus dem Energiemix fast ganz verschwunden; im vergangenen Jahr trug sie noch 1,9 Prozent zur Stromproduktion bei.
Die Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez will den Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromproduktion in den kommenden acht Jahren auf 74 Prozent ausbauen – ein eher bescheidenes Ziel.
Regierung plant Energiewende
Die Madrider Wirtschaftsprofessorin Natalia Fabra geht – in einem Gespräch mit „El País“– davon aus, dass jenes Ziel „deutlich früher“erreicht werde: „Die Investitionskosten für erneuerbare Energie und für die Speichersysteme werden nicht aufhören zu fallen, weswegen dieser Prozess immer schneller voranschreiten wird.“Bemerkenswert ist allerdings, dass die Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien fast ausschließlich zulasten der Atomkraft vornehmen will: Sie will bis 2030 vier der sieben spanischen Atomreaktoren abschalten, während die installierte Gaskraftkapazität unverändert bleiben soll.
Offenbar schätzt die SánchezRegierung die Gefahren der Atomkraft höher ein als die des Klimawandels. Doch eine öffentliche Debatte darüber findet in Spanien nicht statt.