Neue Debatte über Grundsatzfragen
Die Impfpflicht ist das legislative Großprojekt des Jahres in Österreich – doch zuletzt wurden zweifelnde Töne laut
Ab dem 1. Februar soll sie gelten mit allem drum und dran: Die Impfpflicht. Bis zu 3 600 Euro Strafe drohen Verweigerern, die Einspruch gegen die Verwaltungsstrafe einlegen und in weitere Instanzen gehen – bis hin zu einer Ersatzhaft, sollte die Summe nicht bezahlt werden und auch nicht einbringbar sein. Bisher war der Effekt der angekündigten Zwangsmaßnahme allerdings überschaubar: Gerade einmal 70 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs haben ein gültiges Impfzertifikat. Und zuletzt waren immer weniger Erststiche verzeichnet worden.
Und jetzt werden plötzlich ganz anders lautende Töne angeschlagen seitens der Bundesregierung in Wien. Zuletzt sprach Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) darüber, dass er sich Prämien für die Impfung vorstellen könne. Im Gespräch sind Gutscheine, die Impfwillige erhalten könnten. Und die Idee stößt auf offene Ohren – in verschiedensten Ministerien, vor allem aber auch bei der oppositionellen SPÖ. Nur die Freiheitlichen lehnen die Idee grundsätzlich ab. Die NEOS wiederum zeigen sich skeptisch, da ein derartiges Belohnungssystem für eine staatliche Gratis-Leistung ausarten könne.
Zunächst ist die Idee anscheinend aber auch nur als Impfbooster vor der angekündigten Maßnahme gedacht. Nehammer sagte zuletzt in einem Interview mit der österreichischen Presseagentur APA, dass alles, was dazu beitrage, mehr Menschen zum Impfen zu bringen, „ein positives Signal“sei, bevor die Impfpflicht dann im Februar tragend werde. Zustimmend äußerte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): „Wir sollten das in der Regierung durchspielen“, sagte er in einem Weihnachtsinterview mit der Tageszeitung „Österreich“.
Und aus dem Gesundheitsministerium hieß es dazu in einer
Stellungnahme: „Um die Impfquote noch weiter erhöhen zu können, heißt es hier, vor allem auf Überzeugungsarbeit und Aufklärung zu setzen. Natürlich soll es hierbei keine Denkverbote geben, und verschiedenste Lösungsansätze sollen auch weiterhin diskutiert werden.“
Allerdings wirft auch die Impfpflicht immer mehr Fragen auf, je näher sie rückt. Gelten soll sie laut Entwurf für alle in Österreich niedergelassenen Personen ab 14 Jahren. Die Impfungen werden vom Gesundheitsministerium erfasst. Laut Gesetz werden alle ungeimpften Personen am 15. Februar zunächst eine Aufforderung erhalten, sich impfen zu lassen.
Ab dem 15. März soll schließlich aber gestraft werden. Zunächst drohen 600 Euro Strafe. Dann aber bereits wird es kompliziert. Denn wird die Strafe nicht bezahlt, folgt ein Verwaltungsstrafbescheid.
Und der sieht schließlich Strafen von bis zu 3 600 Euro vor. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ergibt sich aus der Zahl der Ungeimpften.
Hoher Verwaltungsaufwand
Abzüglich Kindern und Jugendlichen ist das eine Zielgruppe von mehr als einer Million Menschen. Dass die Abmahnung der Betroffenen, also die Ausstellung der Verwaltungsstrafen, bei den Bezirkshauptmannschaften und den Kommunen hängen bleibt, sorgt in eben diesen Strukturen jetzt bereits für massives Kopfweh, weil das personell kaum zu stemmen sei. Und das bereits ganz ohne den möglichen Rattenschwanz an behördlichen Schritten, die Anfechtungen oder die Nicht-Bezahlung einer Strafe mit sich bringen.
Und es war Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die zuletzt mit einer Aussage aufhorchen ließ, die so gar nicht in den üblichen Tonfall der Hardlinerin passt: Sie betonte gegenüber der APA, dass es nur zu einer Impfpflicht kommen könne, wenn die Vakzine entsprechende Wirksamkeit besitzen. Legte dann aber nach: Dass das nach gegenwärtigem Wissensstand auch bei der Omikron-Variante der Fall sei.
Dennoch: So deutlich hat das in den Reihen der österreichischen Regierung bisher niemand ausgesprochen. Ein entsprechender Passus ist in dem Gesetz auch ausdrücklich enthalten. Demnach obliegt es dem Gesundheitsminister, die Maßnahme dem Stand der Wissenschaft anzupassen.