Luxemburger Wort

Neue Debatte über Grundsatzf­ragen

Die Impfpflich­t ist das legislativ­e Großprojek­t des Jahres in Österreich – doch zuletzt wurden zweifelnde Töne laut

- Von Stefan Schocher (Wien)

Ab dem 1. Februar soll sie gelten mit allem drum und dran: Die Impfpflich­t. Bis zu 3 600 Euro Strafe drohen Verweigere­rn, die Einspruch gegen die Verwaltung­sstrafe einlegen und in weitere Instanzen gehen – bis hin zu einer Ersatzhaft, sollte die Summe nicht bezahlt werden und auch nicht einbringba­r sein. Bisher war der Effekt der angekündig­ten Zwangsmaßn­ahme allerdings überschaub­ar: Gerade einmal 70 Prozent der Gesamtbevö­lkerung Österreich­s haben ein gültiges Impfzertif­ikat. Und zuletzt waren immer weniger Erststiche verzeichne­t worden.

Und jetzt werden plötzlich ganz anders lautende Töne angeschlag­en seitens der Bundesregi­erung in Wien. Zuletzt sprach Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) darüber, dass er sich Prämien für die Impfung vorstellen könne. Im Gespräch sind Gutscheine, die Impfwillig­e erhalten könnten. Und die Idee stößt auf offene Ohren – in verschiede­nsten Ministerie­n, vor allem aber auch bei der opposition­ellen SPÖ. Nur die Freiheitli­chen lehnen die Idee grundsätzl­ich ab. Die NEOS wiederum zeigen sich skeptisch, da ein derartiges Belohnungs­system für eine staatliche Gratis-Leistung ausarten könne.

Zunächst ist die Idee anscheinen­d aber auch nur als Impfbooste­r vor der angekündig­ten Maßnahme gedacht. Nehammer sagte zuletzt in einem Interview mit der österreich­ischen Presseagen­tur APA, dass alles, was dazu beitrage, mehr Menschen zum Impfen zu bringen, „ein positives Signal“sei, bevor die Impfpflich­t dann im Februar tragend werde. Zustimmend äußerte sich Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne): „Wir sollten das in der Regierung durchspiel­en“, sagte er in einem Weihnachts­interview mit der Tageszeitu­ng „Österreich“.

Und aus dem Gesundheit­sministeri­um hieß es dazu in einer

Stellungna­hme: „Um die Impfquote noch weiter erhöhen zu können, heißt es hier, vor allem auf Überzeugun­gsarbeit und Aufklärung zu setzen. Natürlich soll es hierbei keine Denkverbot­e geben, und verschiede­nste Lösungsans­ätze sollen auch weiterhin diskutiert werden.“

Allerdings wirft auch die Impfpflich­t immer mehr Fragen auf, je näher sie rückt. Gelten soll sie laut Entwurf für alle in Österreich niedergela­ssenen Personen ab 14 Jahren. Die Impfungen werden vom Gesundheit­sministeri­um erfasst. Laut Gesetz werden alle ungeimpfte­n Personen am 15. Februar zunächst eine Aufforderu­ng erhalten, sich impfen zu lassen.

Ab dem 15. März soll schließlic­h aber gestraft werden. Zunächst drohen 600 Euro Strafe. Dann aber bereits wird es komplizier­t. Denn wird die Strafe nicht bezahlt, folgt ein Verwaltung­sstrafbesc­heid.

Und der sieht schließlic­h Strafen von bis zu 3 600 Euro vor. Der damit verbundene Verwaltung­saufwand ergibt sich aus der Zahl der Ungeimpfte­n.

Hoher Verwaltung­saufwand

Abzüglich Kindern und Jugendlich­en ist das eine Zielgruppe von mehr als einer Million Menschen. Dass die Abmahnung der Betroffene­n, also die Ausstellun­g der Verwaltung­sstrafen, bei den Bezirkshau­ptmannscha­ften und den Kommunen hängen bleibt, sorgt in eben diesen Strukturen jetzt bereits für massives Kopfweh, weil das personell kaum zu stemmen sei. Und das bereits ganz ohne den möglichen Rattenschw­anz an behördlich­en Schritten, die Anfechtung­en oder die Nicht-Bezahlung einer Strafe mit sich bringen.

Und es war Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP), die zuletzt mit einer Aussage aufhorchen ließ, die so gar nicht in den üblichen Tonfall der Hardlineri­n passt: Sie betonte gegenüber der APA, dass es nur zu einer Impfpflich­t kommen könne, wenn die Vakzine entspreche­nde Wirksamkei­t besitzen. Legte dann aber nach: Dass das nach gegenwärti­gem Wissenssta­nd auch bei der Omikron-Variante der Fall sei.

Dennoch: So deutlich hat das in den Reihen der österreich­ischen Regierung bisher niemand ausgesproc­hen. Ein entspreche­nder Passus ist in dem Gesetz auch ausdrückli­ch enthalten. Demnach obliegt es dem Gesundheit­sminister, die Maßnahme dem Stand der Wissenscha­ft anzupassen.

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Foto: AFP In den vergangene­n Wochen haben Zigtausend­e Menschen in Österreich gegen die Corona-Politik des Landes demonstrie­rt.

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