Luxemburger Wort

„L’anglais, c’est la langue la plus facile à parler … mal“

Reaktion auf den Leitartike­l „En English s’il vous plaît“

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Sehr geehrter Herr Velazquez, mit großem Interesse habe ich Ihren Leitartike­l „En English s’il vous plaît“in der Ausgabe vom 30. Dezember gelesen. Es wird Sie kaum überrasche­n, wenn ich als Linguist* Ihren Aussagen widersprec­hen muss.

Zugegeben: Diverse Staaten, angefangen mit den Niederland­en, Dänemark und Schweden, haben im EU-Kontext wenig Wert auf die Pflege ihrer Mutterspra­che gelegt und ihren Vertretern nahegelegt, Englisch zu reden.

In den genannten Ländern sind die Englisch-Kenntnisse übrigens nicht wegen „Youtube“oder „Netflix“besser, sondern weil die Kinder und Jugendlich­en von klein auf mit TV-Serien aufwachsen, die nicht synchronis­iert, sondern mit Untertitel­n versehen sind.

Aber behaupten Sie allen Ernstes, dass jemand, der in der Europäisch­en Union ernst genommen werden will, mit „Rumpelengl­isch“über die Runden kommen soll? Hatten Sie es als Journalist auf internatio­nalen Pressekonf­erenzen noch nie mit einem Englisch radebreche­nden Redner zu tun, bei dem Sie sich gesagt haben: „Um Himmelswil­len, warum spricht der Mensch nicht seine Mutterspra­che?“

Ich glaube, es war ein Mitglied der Académie Française, das sinngemäß sagte: „L’anglais, c’est la langue la plus facile à parler … mal“. Genau so ist es: Sind die Anfänge im Gegensatz zu den meisten anderen europäisch­en Sprachen kinderleic­ht (ein Geschlecht, einfache Pluralbild­ung, keine Deklinatio­nen), kommt das dicke Ende im weiteren Verlauf des Lernprozes­ses. Oder befürworte­n Sie allen Ernstes für die EU ein weiteres regionales Englisch, gewisserma­ßen eine Abwandlung des in der Karibik oder auf dem indischen Subkontine­nt gesprochen­en Idioms? Ein Englisch, dessen Niveau weitgehend von der Kaste des Sprechers abhängt?

Und warum überhaupt Englisch als Lingua Franca? Nur der vermeintli­chen Neutralitä­t wegen, weil es mit Iren und Maltesern kaum noch Mutterspra­chler gäbe? Nach diesem Kriterium könnte man auch für Esperanto plädieren, oder – warum nicht – für Katalanisc­h, das ja auch mit ein wenig Übung von Portugal bis Italien verstanden wird. Nun gut, es gäbe wohl ein Veto aus Madrid ...

Scherz beiseite: Wenn internatio­nale Medien wie „BBC“und „CNN“von der Sprache Molières als „das neue Chinesisch“reden (wegen der Bedeutung des Französisc­hen im aufstreben­den westafrika­nischen Wirtschaft­sraum), sollte die Initiative der französisc­hen Ratspräsid­entschaft nicht als „eitles Nachhutgef­echt“bezeichnet werden, sondern als konkrete Umsetzung der Losung der Europäisch­en Union: „In Vielfalt geeint“!

Gerade in Luxemburg ist klar, wie sehr die Mutterspra­che Teil der Seele eines Volkes ist. Wenn Sie die Probe aufs Exempel machen wollen, versuchen Sie doch einfach mal mittels einer Petition die Einführung des Englischen als alleinige Amtssprach­e hierzuland­e zu fordern. Der Erfolg einer solchen Initiative dürfte sich in Grenzen halten.

Yves Tychon, Gonderange

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