Luxemburger Wort

Der Zeitdieb in der Kunst

Künstler Danh Võ im Gespräch zu seiner Arbeit „a cloud and flowers“im Leir Pavilion des Mudam

- Von Daniel Conrad

Es ist die Vertrauens­basis mit der scheidende­n Mudamdirek­torin Suzanne Cotter, die Danh Võ dazu bewogen hat, die Facetten seines Werks in der Auseinande­rsetzung mit seinem Vorbild Isamu Noguchi im Mudam zu zeigen. Im Henry J. und Erna D. Leir Pavilion des Mudam ist das Werk „a cloud and flowers“entstanden – ein Garten im Garten, der schlicht Ruhe und Momente zum Innehalten bietet und sich doch beständig wandelt.

Das war gar nicht so selbstvers­tändlich; wenn man die seltene Gelegenhei­t bekommt, mit Võ zu sprechen, spürt man das Nachdenken, das Reifen der Gedanken. So sagt er, sei diese über einen längeren Dialog mit Cotter und den Kuratoren Clément Minighetti und Clémentine Proby entstanden. Immer wieder habe er das Mudam besucht – es sollte ein originäres Projekt für den Kirchberg werden.

Was braucht ein Werk?

„Über Jahre haben wir überlegt, wie wir das richtig formuliere­n könnten. Dann war klar, dass es der Pavillon sein würde – und dann führten die Diskussion­spunkte immer näher zusammen. Mit der Struktur des Pavillons zu arbeiten, war wunderbar. Aber warum viel Geld und Zeit für die Einrichtun­g der Installati­on aufwenden und dann nicht länger davon profitiere­n? Dadurch kam der Gedanke einer langen Ausstellun­gsdauer und der Veränderun­g über den Zeitraum hinweg auf. Es erscheint mir sehr wichtig, darüber nachzudenk­en, wie man eine

Schau besser machen kann, und zu hinterfrag­en, was das Werk braucht.“Im ersten Moment ist das, was dann im Pavillon passiert ist, so unaufgereg­t, so schlicht, dass man fast über die inhaltlich­en Dimensione­n hinweg sieht. Einerseits zitiert Võ den Meister Isamu Noguchi, dessen Akari-Lampen – die zu Unrecht heute lediglich als nettes konsumierb­ares Design in jedem Möbelhaus ausgeschla­chtet und missversta­nden werden, aber einst als Skulpturen radikal West und Ost aufeinande­rprallen ließen – er mit seiner Reaktion darauf paart.

Strenge Skulpturen aus Marmor und Holz und fragile einheimisc­he Pflanzen, die immer wieder den Jahreszeit­en angepasst werden, verwandeln den Pavillon stetig. Zumal dann wiederum der Eindruck durch die Bezüge zu der Architektu­r Ieoh Ming Peis und dem Außenberei­ch im Parc Dräi Eechelen und der Wettersitu­ation die Wirkung verändert. Ob die Arbeit, wenn sie doch so ortsbezoge­n ist, eigentlich nicht auch in die Mudam-Sammlung gehört? Das will Võ lieber nicht kommentier­en; es sei nicht an ihm, das zu entscheide­n.

Und generell: allzu starke Kategorisi­erungen seiner Arbeiten seien zu vermeiden. „Mir ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, der sich richtig anfühlt. Es geht hier nicht darum, die Architektu­r zu brechen oder zu erweitern. Riesige Zwischenwä­nde oder Installati­onen herzustell­en, braucht es nicht. Es ist Zeit für uns, einfacher zu denken. Und müssen wir wirklich um den halben Globus reisen, um Neues zu entdecken? Schon über die Pflanzen, die hier in Luxemburg wachsen und die Teil der Arbeit werden, lässt sich bei sehr genauem Hinsehen eine Reise machen. Ich habe leider erst sehr spät gelernt, wie wichtig es ist, die direkte Umgebung zu kennen. Und dass verrückt ist, die Welt zu bereisen und dennoch ,seinen Platz’ nicht zu kennen“, sagt Võ. Letztlich liegt darin auch die Frage nach der Identität: Was macht die aus? Was lassen wir uns als Identität verkaufen

– und was prägt uns wirklich? Võ rückt mit seiner Arbeit auch kunsthisto­rische Wurzeln hervor. Einfachhei­t – geschaffen von Isamu Noguchi in Anlehnung an Constantin Brâncusi – die letztlich verpackt nicht mehr als ein kleines Paket ist, aber entfaltet und leuchtend ihre Macht preisgibt. „Es ist eine Verschmelz­ung modernisti­scher Giganten“, sagt Võ und verneigt sich quasi davor.

Gärten, Einfachhei­t und ihre Macht

„Und es war mir wichtig, die Missverstä­ndnisse um diese Meister der Einfachhei­t ins Bewusstsei­n zu rücken und sie durch meine Beschäftig­ung damit selbst besser zu verstehen. Es ist insgesamt ein Lernprozes­s; nicht nur für mich, sondern auch die Betrachten­den. Mein gedanklich­er Ansatz ist, ihnen Zeit zu stibitzen. Die kapitalist­ische Welt raubt uns unsere Zeit, um nachzudenk­en. Die Aufgabe von Kunst – und mein Interesse – muss es sein, den Betrachten­den Zeit abzuringen, um Raum für eigene Gedanken zu schaffen; und das Hinterfrag­en an sich.“

Er selbst hat seinen Platz zum Ankern und Nachdenken, den Platz der Einfachhei­t gefunden: auf dem Güldenhof nahe Berlin. „Inzwischen arbeiten fast mehr Menschen im Garten, der zum Gut gehört, als im Atelier“, scherzt Võ. Doch eben nicht nur für ihn selbst ist der zum Rückzugsor­t geworden. „Ich vermisse den Garten geradezu, wenn ich unterwegs bin“, sagt Võ.

Die Aufgabe von Kunst - und mein Interesse - muss es sein, den Betrachten­den Zeit abzuringen. Danh Võ

Noch bis zum 19. September 2022 im Henry J. and Erna D. Leir Pavilion des Mudam.

Es ist Zeit für uns, einfacher zu denken. Müssen wir wirklich um den halben Globus reisen, um Neues zu entdecken?

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Foto: Gerry Huberty Danh Võ zählt zu den gefragtest­en internatio­nalen Künstlern.

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