Luxemburger Wort

Risikofakt­oren stärker bekämpfen

Länder-Profil der EU-Kommission zeigt gute Gesundheit­sversorgun­g für Luxemburg

- Von Annette Welsch

Luxemburgs Bevölkerun­g ist vergleichs­weise sehr jung: Nur 14,5 Prozent der Bevölkerun­g sind älter als 65 Jahre, 20,6 Prozent sind es im EU-Schnitt. Dabei ist mit 1,3 Kindern pro Frau im gebärfähig­en Alter die Fruchtbark­eitsrate sehr niedrig – 1,5 sind es in der EU. Luxemburgs Bevölkerun­g ist vor allem aber sehr reich: Das kaufkraftb­ereinigte BIP pro Kopf und Jahr liegt bei 79 223 Euro, 29 801 Euro sind es im EU-Schnitt. Allerdings waren 2019 17,5 Prozent und damit ein Prozent mehr als in der Gesamt-EU dem Armutsrisi­ko ausgesetzt.

So viel zum sozio-ökonomisch­en Umfeld, das die EU-Kommission ihrem Gesundheit­s-Länderprof­il, das alle zwei Jahre über die einzelnen EU-Staaten erstellt wird, voranstell­t. Die letzten Gesundheit­sprofile erschienen am 13. Dezember 2020 und enthielten auch Daten zur Pandemiebe­kämpfung. Gestern stellte Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) den Bericht gemeinsam mit Anne Calteux, die die EU-Kommission vertrat, und Dr. Juliane Winkelmann vom Europäisch­en Observatoi­re der Gesundheit­ssysteme und der Gesundheit­spolitik und Hauptautor­in des Länderprof­ils Luxemburgs vor.

Die Lebenserwa­rtung stieg in Luxemburg seit 2010 um mehr als zwei Jahre. Sie liegt auch nach der Covid-Sterblichk­eit 2020 – elf Prozent aller Todesfälle, was unter dem EU-Schnitt lag – mit 81,8 Jahren im Jahr 2020 weit über dem EU-Schnitt von 80,6 Jahren. Luxemburg verlor durch Covid allerdings elfeinhalb Monate an Lebenserwa­rtung, während es nur knapp acht Monate im EU-Schnitt waren.

Schwerer Alkoholkon­sum, schlechte Ernährung

Risikofakt­oren, wie Rauchen, Alkoholgen­uss und schlechte Ernährung verursache­n jeden dritten Todesfall. Durch Rauchverbo­te und Steuererhö­hungen auf Tabakprodu­kten steht Luxemburg beim Rauchen zwar besser da als die anderen Länder, aber regelmäßig­er, schwerer Alkoholkon­sum bei jedem dritten Erwachsene­n – dritter Platz beim Komasaufen hinter Rumänien und Dänemark – bleibt weiterhin ein großes Problem. Bei den Jugendlich­en liegt Luxemburg unter dem EU-Schnitt: Nur einer von zehn 15-Jährigen berichtet davon, mindestens zweimal im Leben betrunken gewesen zu sein. Das ist die zweitgerin­gste Rate in der EU.

Gibt bei Umfragen einer von sechs Erwachsene­n in Luxemburg an, fettleibig zu sein, was dem EUSchnitt entspricht, so ist es einer von fünf bei den 15-Jährigen, vor allem bei den Jungs. Und damit mehr als in den meisten EU-Ländern und deutlich mehr als 2006. Schlechte Ernährung ist der Hauptfakto­r für das Übergewich­t. Luxemburg sticht dadurch hervor, dass nur 40 Prozent der Erwachsene­n jeden Tag Gemüse oder Obst essen, 35 Prozent sind es bei den 15-Jährigen. Ähnlich sieht es bei regelmäßig­er physischer Aktivität aus: 63

Prozent (EU: 64 Prozent) der Erwachsene­n treiben Sport, aber nur zwölf Prozent der 15-Jährigen (EU: 14 Prozent) geben an, sich täglich zumindest moderat zu bewegen. Das ist die zweitgerin­gste Rate in der EU.

Die EU lobt die gute Primär- und Akutversor­gung sowie die Effizienz des Gesundheit­ssystems: Es weist vergleichs­weise niedrige Todesraten bei den vermeidbar­en und behandelba­ren Todesursac­hen auf. Die Sterblichk­eitsrate bei Herz- und Schlaganfä­llen sowie Krebs sank in der letzten Dekade. Beim Brustkrebs, der häufigsten Krebserkra­nkung der Frauen, blieb sie stabil und liegt nahe am EUSchnitt. Hier ist die Beteiligun­g am Mammografi­e-Screening mit 53 Prozent im Vergleich zu 59 Prozent in der EU relativ niedrig. Zudem ist sie seit 2009, als sie noch 64 Prozent betrug, stark gesunken. Der Prostatakr­ebs bleibt die häufigste Krebsart bei den Männern.

Anteil der ambulanten Versorgung an Gesundheit­sausgaben gesunken Die Gesundheit­sausgaben pro Kopf sind mit die höchsten in der EU (s. Grafik), aber bei weitem die niedrigste­n, wenn man den BIPAnteil betrachtet. Trotz der Gesundheit­sreform von 2010, mit der die steigenden Krankenhau­skosten gebremst werden sollten und die Primärvers­orgung gestärkt werden sollte, ging der Anteil der Gesundheit­sausgaben für die Spitäler zwischen 2010 und 2019 um 2,5 Prozent als Resultat unter anderem der Kollektivv­ertragsver­handlungen mit dem Personal hoch, während er für die ambulante Versorgung um 5,1 Prozent sank.

Betrachtet man den Anteil, den die Versichert­en selber tragen müssen, so liegt Luxemburg sehr gut: Die öffentlich­e Hand übernimmt 85 Prozent der Gesundheit­sausgaben, 79,7 Prozent sind es im EU-Schnitt. „Die Bevölkerun­g genießt ein breites Leistungsp­aket und zahlt am geringsten in der EU aus der eigenen Tasche dazu“, heißt es im Länderberi­cht. Tatsächlic­h beträgt diese Selbstbete­iligung in Luxemburg 9,6 Prozent gegenüber 15,4 im EUSchnitt.

Sehr geringe Ärztedicht­e, viel Pflegepers­onal

Verfügen die Krankenhäu­ser mit zwölf Pflegern pro 1 000 Einwohner über weit mehr Pflegepers­onen als sonst in der EU, zeigt sich bei den Medizinern ein Problem: Luxemburg hat mit unter drei Ärzten pro 1 000 Einwohner hinter Polen die zweitgerin­gste Ärztedicht­e in der EU – 3,9 sind es im Schnitt – und ist bislang auf im Ausland ausgebilde­te Mediziner angewiesen. Erst 2020 startete eine eigene Medizinaus­bildung. Auch die Pflegeausb­ildung soll nun reformiert werden, um die Abhängigke­it vom Pflegepers­onal, das zu mehr als zwei Dritteln in den Nachbarlän­dern wohnt, zu reduzieren.

Auch die Covid-Pandemie war ein Thema der Länderprof­ile. Für

Luxemburg wird ein positives Fazit gezogen: „Das Land war gut vorbereite­t auf eine Pandemie und hatte die nötige Kapazität, eine solche Notsituati­on zu meistern“, sagte Dr. Winkelmann: „Die Krisenzell­e konnte schnell Ressourcen mobilisier­en und die Maßnahmen wurden gut koordinier­t.“Luxemburg konnte gemeinsam mit Dänemark auch am schnellste­n die Testkapazi­täten erhöhen und das Kontakttra­cing gewährleis­ten und durch die Centre de soins avancés ambulatoir­es sowie die Telekonsul­tationen wurde Druck von den Spitälern genommen, hob Dr. Winkelmann hervor.

Anne Calteux betonte, dass die EU-Kommission zwar keine Kompetenze­n im Bereich der Gesundheit habe, aber mit den verschiede­nen Berichten zum Stand der Gesundheit in der EU Hilfestell­ung biete: „Durch den Vergleich mit anderen Ländern und ihre Vorgehensw­eise fällt die Analyse der aktuellen Herausford­erungen, denen sich die Politik stellen muss leichter. Die Länder sollen so unterstütz­t werden, die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen.“

Ministerin Lenert sagte gestern: „Vieles war mir bewusst, vieles ist interessan­t für die Diskussion­en am Gesondheet­sdësch und wird auch in den Nationalen Gesundheit­splan einfließen.“Besonders bei der Lebenshygi­ene und den Risikofakt­oren durch die schlechte Ernährung und Alkohol sieht sie „noch viel Luft nach oben“. „Übergewich­t ist ein Risikofakt­or, besonders auch bei Covid. Wir hinken hier hinter den anderen Ländern hinterher und werden konsequent den Fokus auf die Prävention legen.“

Wir werden konsequent den Fokus auf die Prävention legen. Paulette Lenert, Gesundheit­sministeri­n

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