Virus spaltet griechische Kirche
Weltfremde Corona-Leugner stehen aufgeklärten Geistlichen unversöhnlich gegenüber
Während in Griechenland die Omikron-Infektionen explodieren, tobt im orthodoxen Klerus ein erbitterter Glaubenskampf: Gibt es das Corona-Virus, oder existiert es gar nicht? Sind Impfungen ein Gottesgeschenk oder Teufelswerk?
Fast vier Wochen kämpfte Kosmas, der Bischof von Aetolia, auf der Intensivstation des Athener „Evangelismos“- Krankenhauses um sein Leben. Am Sonntag starb der 76-Jährige an Covid-19. Der Geistliche war ein fanatischer Kritiker der Corona-Maßnahmen, mit denen die griechische Regierung die Ausbreitung des Virus zu bremsen versucht. Die fünfte Welle der Pandemie überrollt das Land wie ein Tsunami. Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich in den vergangenen zwei Wochen auf 2 445 verachtfacht.
Hasstiraden gegen Maskenpflicht Bischof Kosmas wetterte in Hasstiraden von der Kanzel gegen die Maskenpflicht und die Impfkampagne. Wer sich aus Angst vor einer Infektion nicht in eine voll besetzte Kirche traue, sei ein „Ungläubiger“, predigte der Bischof. „Gott lässt es nicht zu, dass man sich in einer Kirche ansteckt, eine Kirche ist ein heiliger Ort, ein himmlischer Tempel!“Seine Sermone trugen dem Gottesmann eine Rüge der Heiligen Synode ein, der orthodoxen Kirchenleitung. Aber das konnte Bischof Kosmas nicht umstimmen. Wie auch nicht der Tod seiner Schwester an Covid im Dezember. Wie er war auch sie nicht geimpft.
Der Tod des Geistlichen hat die Corona-Kontroverse in den Reihen der orthodoxen Kirche neu angefacht. Die Debatte spaltet den Klerus: Weltfremde Corona-Leugner,
die mental im Mittelalter leben, und aufgeklärte Geistliche, die nicht nur an Gott, sondern auch an die Wissenschaft glauben, stehen sich unversöhnlich gegenüber.
„Intolerante Fanatiker“
Eine Bastion der Impfgegner ist der Heilige Berg Athos, die Mönchsrepublik in Nordgriechenland. Als spiritueller Vater der griechischen Corona-Leugner gilt der Einsiedler Evthymios. Vor seiner Klosterzelle auf dem Athos stehen die Pilger oft schon vor Sonnenaufgang in langer Reihe an, um die Beichte abzulegen und den Segen zu empfangen, berichten Augenzeugen.
Mehrere Dutzend AthosMönche sind bereits an Corona gestorben. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Auch in der
Mönchsrepublik gibt es allerdings Stimmen der Vernunft. Auf dem Athos „riecht es nach Tod“, klagte der Abt des Klosters Esfigmenou. Er bezeichnete die Anti-ImpfMönche als „intolerante Fanatiker“und forderte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.
Die Heilige Synode hat sich nach anfänglichem Zögern dazu durchgerungen, die Corona-Beschränkungen der Regierung mitzutragen und die Impfkampagne zu unterstützen. Der Athener Erzbischof und Primas der griechischen Kirche, Hieronymus II., nennt die Impfung einen „Akt der Gottes- und Nächstenliebe“.
Aber es geht ein Riss durch den Klerus. In vielen Kirchen werden Abstandsregeln, Masken- und Testpflicht respektiert, in anderen dagegen demonstrativ ignoriert. Im nordgriechischen Kozani unterbrach ein Priester den Gottesdienst, als er eine alte Frau mit Maske entdeckte.
Der Geistliche forderte die Frau barsch auf, das Gotteshaus zu verlassen: „In meiner Kirche dulde ich keinen Maskenball!“Anders ein Priester in Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes. Er unterbrach die Messe, weil einige Gläubige keine Maske trugen. Er bat sie, den Gottesdienst zu verlassen. „Respektiert Eure Mitmenschen und das Gesetz“, forderte der Geistliche.
Der Bischof von Nafpaktos, Hierotheos, ließ sich demonstrativ vor laufenden Kameras impfen. Andere Geistliche sehen in den Vakzinen ein Werkzeug des Satans. Die Impfstoffe würden „aus getöteten Embryonen hergestellt“, fantasiert Serafim, der Bischof der Insel Kythira. Damit sollten Menschen zu Robotern gemacht werden. Die beste Medizin gegen das CoronaVirus sei nicht die Impfung, sondern die heilige Kommunion, meint der Metropolit.
„Selbstmörder“
Aber gerade an der Kommunion hat sich ein heftiger Streit entzündet. Bei ihr verabreicht der Priester nacheinander Dutzenden, mitunter Hunderten Gläubigen mit einem Silberlöffel Wein und Brot. Die Infektionsrisiken sind offensichtlich. Dennoch beharrt die Heilige Synode darauf, dass man sich bei der Kommunion „mit Sicherheit nicht anstecken“könne, weil sie „eine mächtige Manifestation der Liebe“sei.
Wie unversöhnlich der Streit ausgetragen wird, zeigt ein Brief, den der Bischof Germanos aus der Provinz Elis kürzlich an eine Theologin schickte und veröffentlichen ließ. In dem Schreiben wirft er den Impfgegnern im Klerus „Egoismus“und „Ungehorsam“vor. „Diese Leute“, schreibt Bischof Germanos, „sind in meinen Augen Selbstmörder, und ich gehe nicht mal zu ihrem Begräbnis“.